Und sogar die Pressekonferenzen mit notorisch zu spät kommenden Stars und Sternchen bleiben fast immer im Zeitrahmen. Solange nicht doch noch Catherine Deneuve auftaucht, wird das wohl auch so bleiben.
Kein Vergleich zum letzten Jahr, in dem selbst ein Johnny Depp zweieinhalb nächtliche Stunden auf seine Gala-Premiere und das Schaulaufen vor Fans warten musste. Wir erinnern uns: Miramax-Boss Harvey Weinstein hatte danach dem Festivalchef angedroht, ihn mit Beton an den Füssen in der Lagune zu versenken. Von solchen Sopranos-ähnlichen Zuständen ist die diesjährige Mostra-Ausgabe weit entfernt. Aber ohne kleinere Reibereien und Raufereien geht es dann doch nicht. Wir sind schließlich in Italien.
Beispiel 1: Die Premiere von George Clooneys zweiter Regiearbeit "Good Night, and Good Luck". Als nach dem großen Winke-Winke und Gekreische die letzten geladenen Gäste den Weg in den Palazzo del Cinema fanden, lief der Film bereits zehn Minuten. Tumult, laustarke Proteste. Doch der zunächst verwirrte Clooney rettete souverän die Situation, in dem er den Zuspätkommern persönlich den Anfang seines Films referierte. Ein gelungener Abend.
Beispiel 2: Am Ende des langen Lido-Strandes haben Umweltschützer und Globalisierungsgegner ein Zeltdorf errichtet, um von dort aus das Festival zu stören. Ihre Gründe sind nicht ganz klar. Zum einen demonstrieren sie gegen das sogenannte "Moses-Projekt". Kein neuer Film von Roland Emmerich, sondern ein Bauwerk, das die venezianische Lagune in Zukunft vor Hochwasser schützen soll, für Kritiker aber einen massiven Eingriff ins Ökosystem bedeutet.
Klagen kritischer Camper
Zum anderen beklagen die kritischen Camper, dass auf dem Festival nur kommerzieller Mist gezeigt werde. Vielleicht sollte man für sie mal eine Sondervorstellung der Matthew Barney-Björk-Kooperation "Drawing Restraint 9" (siehe gestriges Tagebuch) ansetzen. Oder sie 137 Minuten dem neuen Manoel de Oliveira-Werk aussetzen, das sich eher anfühlt, als wäre es 137 Jahre alt. Gestern gab es denn auch eine dicke Demo, Polizei riegelte die Hauptzufahrtsstraße zum Festivalgelände komplett ab. Noch mehr schwer Bewaffnete als sonst schon umzingelten und überprüften die ahnungslosen Festivalbesucher. Zum Lachen ist das schon lange nicht mehr.
Beispiel 3: Casanova. Die prächtig ausgestattete Neuverfilmung des Klassikers wurde komplett in Venedig gedreht. Doch da die Verantwortlichen von Disney den von den vielen Kanal-Sperrungen betroffenen Einheimischen den Film nicht, wie versprochen, vorher zeigen wollten, gab es von der Stadt eben keinen Dogen-Palast für die Premierenparty. Gegenseitige Verstimmung. Viel verpasst haben sie aber nicht. Zu harmlos der Film von Lasse "Chocolat" Hallström, der es tatsächlich schafft, über den größten Liebhaber und Frauenflachleger aller Zeiten, gespielt übrigens von Heath Ledger, ohne eine einzige Nacktszene zu erzählen.
Apropos Ledger: Der Australier, der sich auf den Pressekonferenzen bisher nicht gerade durch besondere Freundlichkeit auszeichnet, sieht immer noch so aus, als wäre er gerade von einem Surfbrett gestiegen. Trotzdem führt dieses Jahr in Venedig kein Weg an ihm vorbei. Er hat, neben dem außer Konkurrenz startenden "Casanova", gleich zwei Filme im Wettbewerb. Den bereits erwähnten "Brokeback Mountain" von Ang Lee. Und "The Brothers Grimm" von Terry Gilliam mit Matt Damon in der zweiten Hauptrolle. Die Brüder treten hier als Nepper, Schlepper, Bauernfänger-Duo in Aktion, um ihre verängstigten Landsleute von gut ausgedachten Hexen und Dämonen zu befreien. Das geht solange gut, bis sie auf eine echte Hexe (Monica Bellucci) stoßen. Opulente Ausstattung, eine zunehmend wirre Geschichte, alberne Figuren, mit denen Gilliam nichts anzufangen weiß. Insgesamt eine schmerzende Überraschung. Vor allem wenn man bedenkt, dass vom gleichen Regisseur Meisterwerke wie "Time Bandits" oder "Twelve Monkeys" stammen.
Nochmal apropos Ledger: Neben all den Hollywood-Nachwuchsstars, die sich zur Zeit auf dem Lido tummeln – neben Ledger, Damon und Jake Gyllenhaal sind nun auch Kirsten Dunst, Orlando Bloom und Elijah Wood am Ort – tut ein altes Gesicht mal richtig gut. Es gehört an die Seite von Ally McBeal, sorry, Calista Flockhart natürlich. Die hier einen sehr mäßigen Horrorfilm namens "Fragile" vorstellt. Die Story über eine Krankenschwester, in deren Kinderstation ein grausamer Geist wütet, kann man getrost vergessen. Den Mann an Flockharts Seite dagegen nicht: Harrison Ford. Graue Wuschelhaare, Sonnenbrille, lässiges Grinsen. Und während Flockharts Karriere nie richtig in Schwung kommt, hat ihr Begleiter bereits Filmgeschichte geschrieben. Das musste endlich mal gesagt werden.
Matthias Schmidt