Ohrfeige gegen Chris Rock Der Filmpreis wird nicht für gutes Benehmen verliehen: Lasst Will Smith seinen Oscar!

Sein Ausraster bei der Oscar-Verleihung kommt Will Smith teuer zu stehen: Projekte liegen auf Eis, dazu ist er bereits aus der Academy ausgetreten. Dass nun ernsthaft über die Aberkennung seines Filmpreises diskutiert wird, geht aber zu weit.

Seit zehn Tagen sorgt Will Smiths Ohrfeige gegen Chris Rock bei der Oscar-Verleihung für hitzige Diskussionen. Das mag auf den ersten Blick absurd erscheinen: Wie kann uns in Zeiten des brutalen russischen Überfalls auf die Ukraine eine Backpfeife so schockieren?

Dass ein prügelnder Schauspieler auf einer öffentlichen Veranstaltungen derart verstört, ist jedoch ein Zeichen dafür, dass wir nicht abgestumpft sind. Gewalt ist aus unserer Gesellschaft so weit verbannt, dass ein einfacher Ausbruch, und wenn es nur eine Handgreiflichkeit ist, schon für Irritation sorgt. 

Deswegen ist es gut, dass der Vorfall nicht ohne Konsequenzen bleibt. Will Smith muss für seinen Ausraster einen hohen Preis zahlen: Mehrere Filmprojekte wurden auf Eis gelegt, zudem ist der Schauspieler bereits freiwillig aus der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ausgetreten.

Will Smith hat seinen Oscar verdient

All das zeigt: Gewalt ist als Mittel in zwischenmenschlichen Konflikten keine Lösung. Schon gar nicht, wenn es um etwas Althergebrachtes geht wie die Verteidigung der Ehre einer Frau. Im 19. Jahrhundert mag man sich deswegen noch duelliert haben. Heute sind Frauen durchaus in der Lage, ihre Interessen selbst in die Hand zu nehmen. Die Zeit der edlen Ritter und ihrer oftmals gar nicht so edlen Methoden ist vorbei. Zum Glück.

Beides - die Zurückdrängung von Gewalt aus dem öffentlichen Raum wie die Gleichstellung der Frau - sind zivilisatorische Fortschritte, hinter die Will Smith in der Oscar-Nacht zurückgefallen ist. Dafür trägt er nun die Konsequenzen.

Dass nun aber gefordert wird, man möge dem Schauspieler seinen Filmpreis aberkennen, geht zu weit. Vor allem geht es in eine falsche Richtung: Der Oscar ist eine Anerkennung für eine herausragende schauspielerische Leistung. Die hat er nach Meinung der Academy mit seiner Rolle in "King Richard" erbracht. Und sie wird nicht dadurch geschmälert, dass sich Smith am vorvergangenen Sonntag nicht im Griff hatte. 

Auch frühere Filmkünstler führten ein zweifelhaftes Leben

Wer ein ethisch korrektes Betragen als Voraussetzung für Preiswürdigkeit ansieht, verkennt das Wesen der Kunst: Hier geht es gerade darum, die Fehlerhaftigkeit des eigene Lebens hinter sich zu lassen und etwas Neues, Größeres zu schaffen. 

Von Charlie Chaplin bis Alfred Hitchcock gab es viele große Filmkünstler, die sich weit Schlimmeres haben zuschulden kommen lassen als eine harmlose Ohrfeige. Doch ohne solche kreativen Geister wäre die Filmgeschichte ärmer. Und wer will schon bei jedem Preisträger so genau wissen, ob er oder sie ein zu jeder Zeit tadelloses Leben geführt hat?

Ladet Will Smith gerne von künftigen Feiern und Zeremonien aus. Aber lasst ihm seinen Oscar - und zeichnet ihn weiter aus, wenn er preiswürdige Rollen abliefert. Mitarbeiter des Monats gibt es schon genug auf dieser Welt.

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