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"Der Gott jenes Sommers" Die letzten Kriegstage an der Heimatfront

Ralf Rothmann: "Der Gott jenes Sommers"
"Der Gott jenes Sommers" von Ralf Rothmann beschreibt die letzten Kriegstage an der Heimatfront.
© picture-alliance/Suhrkamp
Wer im Zweiten Weltkrieg an die Front musste, konnte froh sein, wenn er lebend zurückkam. Ralf Rothmanns "Der Gott jenes Sommers" zeigt: Den Daheimgebliebenen erging es keinen Deut besser.

Worum geht es?

Am Ende des Buches, als der schreckliche Krieg endlich vorbei ist, wird die Protagonistin Luisa sagen: "Ich hab alles erlebt." Ein erschütternder Satz für ein gerade 13 gewordenes Mädchen. "Der Gott jenes Sommers" beschreibt die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs. Anders als in seinem vorherigen Buch schildert Ralf Rothmann jedoch nicht die Geschehnisse an der Front, sondern konzentriert sich auf die Erfahrungen der Daheimgebliebenen. Erzählt wird das Buch aus der Perspektive der zwölfjährigen Luisa, die mit ihrer Mutter und der älteren Schwester aus dem bombardierten Kiel aufs Landgut ihres Schwagers, eines SS-Offiziers, geflohen ist. Während britische Kampfbomber über Schleswig-Holstein fliegen und alle wissen, dass der Krieg verloren ist, wird nach außen hin weiter die Legende vom "Endsieg" verbreitet. Luisa flüchtet in die Welt ihrer Bücher. Doch die grausame Realität holt auch sie ein.

Warum lohnt sich "Der Gott jenes Sommers"?

Ralf Rothmann: "Der Gott jenes Sommers"
Das Hörbuch zu "Der Gott jenes Sommers" von Ralf Rothmann ist bei Audible zum Download erhältlich.
© Hörbuch Hamburg

Mit "Im Frühling sterben" erzählte Ralf Rothmann 2015 die erschütternde Geschichte des Melkers Walter, der 17-jährig in den letzten Kriegstagen an die Front abkommandiert wird und mitansehen muss, wie zigtausende junge Menschen in dem schon längst verloreren Kampf verheizt werden. "Der Gott jenes Sommers" ist das Gegenstück dazu: Es erzählt die Geschichte der Daheimgebliebenen. Alle Figuren aus dem früheren Buch tauchen auch hier auf: Walters Verlobte Elisabeth,der alte Verwalter Thamling und sogar Walter selbst, den die kleine Luisa heimlich anhimmelt. Beide Bücher zusammen ergeben erst die vollständige Sicht auf die Zeit: Egal ob an der Front oder Daheimgeblieben - den Krieg übersteht keiner schadlos.

Was stört?

Der Autor unterbricht den Erzählfluss der Haupthandlung immer wieder, indem er Auszüge aus einer fiktiven Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg einstreut. Rothmann will damit die Grauen des Zweiten Weltkrieges in einen größeren Zusammenhang stellen. Zeigen, wie wenig es braucht, um friedliche Menschen in Bestien zu verwandeln und dass die dünne Haut der Zivilisation schon öfter gerissen ist. Im "Spiegel"-Interview nennt Ralf Rothmann dafür "musikalische Gründe". Er sieht den Aufbau "so wie ein Musiker ein Thema kontrapunktisch bearbeitet": Der von ihm angeschlagene Ton habe ein Echo gebraucht. Diese Einschätzung muss man als Leser nicht teilen. So mancher wird diese Unterbrechungen als störend empfinden.

Wer spricht?

Der größten Teil des knapp siebenstündigen Hörbuches wird von der Theaterschauspielerin Wiebke Puls eingesprochen. Die stammt selbst aus Schleswig-Holstein und vermag es, sprachlich die Innenperspektive eines zwölfjährigen Mädchens zu veranschaulichen. Die kontrastierenden Schilderungen aus dem Dreißigjährigen Krieg liest der Schauspieler Shenja Lacher.

Für wen eignet sich das Hörbuch?

Ralf Rothmann schreibt keine Unterhaltungsromane, sondern komplexe Literatur. So eignet sich "Der Gott jenes Sommers" nicht zum nebenbei Weghören. Dennoch ist sein schnörkelloser Stil klar verständlich, und wer sich auf die Geschichte einlässt, wird mit einem außergewöhnlichen Hörerlebnis belohnt.

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