"Shame on Russia" Brisante "Schmuggel"-Kunst in Berlin

Sind sie die Enfants terribles der russischen Kunstszene: Slava Mizin und Sasha Shaburov alias "Blue Nose". Ihre Bilder sollten Russland nicht verlassen. Sie zeigen: Condi Rice, Saddam Hussein kopulierend, oder die Queen auf Di einschlagend.

Zwei russische Polizisten in Uniform stehen in einem verschneiten Birkenwäldchen und küssen sich leidenschaftlich. Ein schönes, ein poetisches Foto. Das finden russische Zollbeamte allerdings ganz und gar nicht. Scheußlich, skandalös, empörend erschien ihnen das Bild der beiden schwulen Polizisten. Deshalb verboten sie kurzerhand, dass es die Grenze passieren durfte, um in der Pariser Schau "Sots Art. Politische Kunst in Russland" gezeigt zu werden. "Wenn diese Bilder ausgestellt werden, bringt das Schande über Russland", sagte Kulturminister Alexander Sokolov".

Immer wieder gibt es Zoff, wenn Slava Mizin und Sasha Shaburov aus Novosibirsk ihre Bilder zeigen wollen. Die beiden Künstler kennen das schon. Auch auf eine Ausstellung in Dresden durften die "Blue Noses", wie sich sich nennen, ihre Bilder nicht schicken. Dabei war da nur Puschkin mit Putin und Jesus zu sehen. Aber kirchliche Themen sind in Russland ähnlich heikel wie politische. Nun hat es endlich doch geklappt mit der Ausstellung. In der Berliner Galerie "Diehl Projects" sind 17 Arbeiten der "Blue Noses" zu sehen- nur ein paar Meter entfernt vom Checkpoint Charlie, wo ein falscher Sowjetsoldat die Touristen das Gruseln lehrt. Provozierend sind fast alle ihre Bilder und viele ziemlich lustig.

Die Ausstellung in Berlin:

"Shame on Russia" ist in der Galerie Diehl Projects noch bis zum 12. Dezember 2007 zu sehen
Infos unter www.galerievolkerdiehl.com

Aber wie hat Galerist Volker Diehl die Bilder durch den Zoll gebracht? "Einfach auf einer CD", sagt er fröhlich. "Ist doch total absurd, dass Politiker meinen, sie könnten heute noch die Verbreitung von Bildern stoppen."

Die Queen schlägt mit dem Hammer auf Di ein

Nicht nur die schwulen Polizisten hängen da, sondern vor allem jede Menge politisch brisante Bilder. Da posiert Saddam Hussein vor einer Yacht. Osama Bin Laden fläzt im Liegestuhl. Ein Pavian kackt auf ein Hakenkreuz. Besonders kurios sind die Porträts, auf denen die "Blue Noses" sowie zwei unbekannte Damen sich äußerst spärlich bekleidet mit wechselnden Gesichtsmasken fotografieren ließen. Nun sieht man Saddam Hussein, Condoleezza Rice und Hillary Clinton in pikanten Stellungen. George Bush vergnügt sich mit Condi und Saddam, hat aber dabei schon den Strick für seinen Erzfeind in der Hand. Die Queen schlägt mit einem Hammer auf Lady Di ein. Pushkin und Putin schmiegen sich an Jesus. Und Hitler treibt es mit Stalin, während Lenin schmollend auf der Bettkante sitzt. In Russland ist es eigentlich kein Problem, solche Bilder zu zeigen. "Eine staatlich verwaltete Zensur gibt es nicht", sagt Volker Diehl. Erst wenn provokante Kunst das Land verlassen soll, fürchten Politiker um den guten Ruf ihres Landes. "Ein Problem sind allerdings selbsternannte Heilsbringer, die die Kultur zerstören wollen." Neulich verwüstete ein Schlägertrupp die Ausstellung "Vorsicht, Religion!". Und ein Moskauer Galerist wurde krankenhausreif geschlagen, seine Galerie zerstört. Hat Volker Diehl Angst, dass auch er bedroht werden könnte? "Nein", sagt Diehl, "dieses Pack gibt es nur in Russland."

Pioniere und Pensionäre aufrütteln

Dafür dass die "Blue Noses die verbotensten Künstler Russlands" sind, sehen sie eher harmlos aus. Slava Mizin, ein Bär von einem Mann, trägt nette Blümchen auf seinem T-Shirt und sitzt meist schweigsam in der Ecke der Galerie. Der kleine Sasha Shaburov dagegen ist so aufgeregt, dass er immer wieder ins Stottern gerät, wenn er die seine Kunst erklären will. "Die Leute in Europa denken, dass in Russland noch Bären auf der Straße rumlaufen" sagt er. "Dabei sind die Unterschiede gar nicht so groß. Alle haben nur noch Fernsehbilder im Kopf. TV-Helden ersetzten das private Leben und die Freunde. Niemand hat mehr eine eigene Meinung." Deshalb möchte er möglichst viele Leute erreichen: "Pioniere und Pensionäre", wie man in Russland sagt, um aufzurütteln - und um witzig-freche Unterhaltung der ganz anderen Art anzubieten. Die Toleranz in Russland gegenüber satirisch-kritischer und politischer Kunst sinkt allerdings. Kirche, Putin und Tschetschenien sind zunehmend Reizthemen. Wenn die "Blue Noses" im nächsten Jahr bei Chanel in Tokio und Shanghai ausstellen, dürfte es spannend werden beim russischen Zoll.

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