Die Nachrichten, das sind zum Glück ja immer die anderen. Wir alle sehnen uns in unserer suppigen Ereignislosigkeit zwar stets nach der nächsten kleinen Aufregung, aber zu viel davon soll es bitte schön auch nicht sein. Keiner von uns möchte mit bitterer Miene vorn auf der "Bild" prangen und, sagen wir mal, der erste Deutsche sein, dem Putin das Gas abgedreht hat oder der eine neue Corona-Variante in seiner Lunge beherbergt. Von Affenpocken ganz zu schweigen.
Es wird ein aufregender Herbst mit vielen Breaking News. Genießen wir also das briefmarkengroße Auge des Hurrikans, das wir unberechtigterweise als Oase der Ruhe wahrnehmen.
Wenige Tage ist es her, dass meine Frau im Bad den Hahn aufdrehte und es ihr so vorkam, dass das Wasser ungewöhnlich lau sei. Vermutlich nur ein Zufall. Doch eingedenk der Nachrichtenlage keimte schnell der Gedanke auf, dass die Energieversorger langsam testen, wie das denn so wäre, wenn es nur noch kaltes Wasser gäbe. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, ist kaltes Wasser noch Fiktion. Für Sie, die Sie diesen Text eine Woche später lesen, aber womöglich bereits fröstelige Realität.
Robert Habeck, der stets so klingt, als müsse er unangenehme Wahrheiten hochwürgen wie eine Katze ein Haarknäuel, will die Bürger auf die gemeinsame Kraftanstrengung Energiesparen einschwören. Was direkt die Kubickis der Nation triggert, die prompt die Duschkabine zum gläsernen Protestzylinder umdeuten. Einfach mal bei 42 Grad eine Stunde lang einschäumen, das ist Freiheit! Duschbürger.
Eisbaden als Protest gegen Putin: "Eisloch gegen Arschloch"
Das in den Corona-Hochzeiten sehr beliebte Ritual zur Männlichkeitsselbstvergewisserung, das Eisbaden, können wir in diesem Winter elegant umdeuten zum solidarischen Akt des energiesparenden Putin-Protests: "Eisloch gegen Arschloch". Wobei das entkleidete Baden im Eiswasser durchaus eine putineske Note hat.
Apropos "Corona": Als unlängst Karl Lauterbach, Hendrik Streeck oder der "Kult-Pfleger" Ricardo Lange in den Talkshows hockten, um über eine Krankheit namens Sars-CoV-2 zu reden, fühlte ich mich als kriegsgeplagter Bürger fast angenehm an die gute, alte Zeit erinnert, als noch dieses Corona unseren Alltag bestimmte.
So beschissen eine Infektion ist – es war dennoch irgendwie so schön berechenbar zu wissen, dass man mit Masken, Impfungen und Abstand Kurven abflachen konnte, anstatt darauf zu hoffen, dass der irre Zar doch bitte nicht den Atomknopf drücken möge.
Ein Appell wie "Stay at Home" wirkte animierender, als in der Bude noch muckelige 23 Grad waren. Da ist es natürlich sinnvoll, sich jetzt anzustecken, um mit der letzten Wärme in die Kuschel-Isolation zu gehen. Gefühlt kriegt es gerade jeder, und deshalb stelle ich mir schon die Frage, warum wir so sorgenvoll auf die gefürchtete Herbstwelle blicken. Denn ähnlich den Temperaturen ist die Inzidenz Ende Juni bereits ungewöhnlich hoch gewesen. Gepostete Testkartuschen mit zwei Strichen sind das, was im Sommer sonst die blanken Füße mit Bier am Ufer waren.
Alles deutet auf einen richtig fiesen, kalten Winter hin, aber wir sind so herrlich ungerührt, weil: Irgendwie ist es doch immer gut gegangen.
Wer weiß: Vielleicht werden wir im sensationell freudlosen Dezember ganz dankbar sein, mit der WM noch einen richtigen Euphorisierungstreiber als Ass im Ärmel zu haben.
Da dürfen wir uns bei unseren neuen Freunden aus Katar ruhig mal bedanken.