Mitten in der Pandemie tanzte auf einmal die ganze Welt zu diesem Lied. "Jerusalema", ein Song des südafrikanischen DJs Master KG und der Sängerin Nomcebo Zikode, war innerhalb kurzer Zeit zu einer Art Soundtrack der Hoffnung während der weltweiten Corona-Krise geworden. In den sozialen Medien – vor allem auf Instagram und TikTok – entwickelte sich die "Jerusalema-Challenge" schnell zum Mega-Trend: Krankenschwestern, Polizisten und Feuerwehrleute, aber auch Mitarbeiter großer Konzerne rund um den Globus tanzten zu dem Song, filmten sich dabei und stellten die Clips online.
Auf diese kleinen Momente voller Spaß und Unbeschwertheit folgt jetzt Ernüchterung. Der Konzern Warner Music, dem die Rechte an "Jerusalema" gehören, fordert Lizenzgebühren für die Verwendung des Songs. "Wir lieben die Tatsache, dass die Fans hinter 'Jerusalema' stehen. Aber wenn Organisationen in Deutschland den Song nutzen, um sich selbst zu promoten, sollten sie sich unserer Meinung nach eine Synchronisationslizenz sichern", teilte der Konzern mit. Privatpersonen kommen zwar gratis aus der Nummer raus, Unternehmen, Organisationen oder Institutionen müssen jedoch zahlen. Gerade in dieser schwierigen Zeit sei es wichtig, dass Musiker für ihre Kunst bezahlt würden, so Warner Music.
"Jerusalema Dance Challenge" war auch bei Pflegekräften beliebt
Dagegen lässt sich schwerlich etwas einwenden. Auch in einer Pandemie muss Geld verdient werden – und das war in der Musikbranche schon vor Corona an vielen Stellen schwierig genug. Viele Künstler bangen um ihre Existenz, seit sie aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht mehr auftreten können. Dass in dieser Situation noch einmal genauer hingeschaut wird, wo Musik kostenlos und am Urheber vorbei genutzt wird, ist nur konsequent.
Trotzdem bleibt mindestens ein kleiner Beigeschmack. Betroffen sind unter anderem Feuerwehren, Kliniken und Polizeistationen – also diejenigen, die während der Corona-Pandemie einen besonders wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Gesellschaft weiter funktioniert und das Gesundheitssystem stabil bleibt. Diese Berufsgruppen haben in den vergangenen Monaten immer wieder wertschätzende Worte zu hören bekommen, besonders die Pflegekräfte. Politiker bedankten sich, Menschen klatschten auf ihren Balkonen.

Warner Music profitiert vom "Jerusalema"-Hype
Doch wenn es darum ging, den Worten Taten folgen zu lassen, sah die Lage meist mau aus. Leider hat es nun bei Warner Music den gleichen Anschein. Statt sich in Solidarität mit jenen zu üben, die in der Pandemie eine besondere Last tragen, lässt man sie noch zusätzlich bluten. Die ersten Zahlungen wurden bereits geleistet. Dem Konzern-Konto mag das gut tun – auch wenn man nicht so recht glauben mag, dass davon wirklich das Wohl und Wehe eines solchen Wirtschaftsriesen abhängt. Dem Ruf von Warner schadet es allerdings eher.
Immerhin soll es je nach Art der Organisation abgestufte Lizenzmodelle geben. Aber die "Jerusalema Dance Challenge" hat in einer Zeit, die für alle extrem belastend ist, vielen Usern etwas Befreiung beschert – egal, von wem sie gepostet wurde. Ist es da nötig, mit dem erhobenen Zeigefinger und Forderungen nach Lizenzgebühren den Spielverderber zu geben? Auf der Suche nach zukunftsfähigen Bezahlmodellen für Musik in einer digitalen Gesellschaft wäre es womöglich sinnvoller gewesen, die großen Player Spotify und Youtube anzugehen. Eigentlich hätte alles so einfach sein können: Die Social-Media-Nutzer hätten ihren Spaß gehabt, Pflegekräfte und andere etwas Ablenkung in der Krise – und Warner Music sowie die Künstler haben mit Sicherheit auch davon profitiert, dass "Jerusalema" ein Welthit geworden ist. Ohne die Dance-Challenge hätte es der Song wohl niemals auf 339 Millionen Youtube-Klicks gebracht. So jedoch muss man leider festhalten: Solidarität in einer weltweiten Krise sieht anders aus.