"At Folsom Prison" Vor 55 Jahren spielte Johnny Cash im Folsom Prison eines der legendärsten Konzerte überhaupt

Johnny Cash
Johnny Cash bei einem Auftritt 1969. Mit seinem Konzert im Folsom Prison in Kalifornien setzte er sich selbst ein Denkmal
© Ronald Grant / Imago Images
Der Stern von Johnny Cash schien schon unterzugehen, als er für ein Live-Album im berüchtigten Folsom Prison auftrat. Konzert und Platte wurden zur Legende – und machten Cash zum Weltstar.

Alles begann wie gewohnt, als Johnny Cash am 13. Januar 1968 auf die Bühne kam. Wie immer stellt sich der Sänger mit den Worten "Hello, I'm Johnny Cash" vor, bevor er den ersten Song beginnt. Das ist aber auch so ziemlich das einzige, was Cashs Auftritt an diesem Tag mit seinen anderen Konzerten gemeinsam hat.

Ungewöhnlich ist zunächst einmal die Zeit: Die Uhr zeigt 9.40 Uhr am Morgen, als Cash das Konzert eröffnet. Und dann natürlich der Ort: Johnny Cash spielt in einem Gefängnis – und nicht irgendeinem, sondern dem Folsom State Prison in Kalifornien, nach dem er Jahre zuvor auch einen seinen bekanntesten Hits benannt hatte. Das Publikum besteht aus 2000 Gefängnisinsassen, allesamt Schwerverbrecher. Es ist ein Konzert, dass es in dieser Form zuvor noch nie gegeben hatte. Und dass deshalb auch viele Herausforderungen mit sich bringt.

Seine Karriere schien schon am Ende – mit 35

Cash befindet sich zu jener Zeit längst auf dem absteigenden Ast: Zwar ist er erst 35 Jahre alt, doch seine Drogenabhängigkeit macht ihm schwer zu schaffen, das Interesse des Publikums an seiner Musik hat stark nachgelassen. Der Country-Star benötigt einen Erfolg, um das Ruder herumzureißen. Und kommt deshalb auf eine Idee zurück, die er schon lange mit sich herumtrug: ein Knast-Konzert im großen Stil.

Verbrechen und Verbrecher hatten Cash schon lange fasziniert, nur allzu oft hatte er sie in seinen Liedern besungen. Und auch in kleineren Gefängnissen war er schon einige Male aufgetreten. Doch ein Konzert im berüchtigten Folsom Prison – das war eine ganz andere Hausnummer.

Erstens, weil das Gefängnis in der Nähe von Sacramento für Schwerverbrecher und harte Haftbedingungen bekannt ist, mehr als 90 Insassen wurden dort hingerichtet. Zweitens, weil Cash selbst eine besondere Beziehung zu diesem Gefängnis hatte. Zwar war er selbst nie ein Insasse, doch ließ er sich davon zu seinem Hit "Folsom Prison Blues" – mit der berühmten Zeile "I shot a man in Reno just to watch him die" – inspirieren, der ihn mit Anfang 20 zum Star in den USA machte.

Ganz gelegen kam Cash zudem, das bei seinem Label Columbia gerade personelle Änderungen stattgefunden hatten: Mit Bob Johnston übernahm jemand die Country-Abteilung, der unkonventionellen Ideen offen gegenüberstand. Von dem Vorschlag, ein Live-Album im Knast aufzunehmen und dann auf den Markt zu bringen, war Johnston im Gegensatz zu seinen Vorgängern sofort begeistert und nahm die Planung in die Hände.

Johnny Cash im Gefängnis – den Häftlingen ganz nah

Am Vormittag des 13. Januar 1968 ist es dann so weit: Johnny Cash betritt die Bühne aus zusammengenagelten Brettern, vor den gespannten Augen der mucksmäuschenstill wartenden Häftlinge. Ihnen war eingeschärft worden, dass sie erst jubeln durften, wenn sich der Sänger mit seinen berühmten Begrüßungsworten selbst vorgestellt hatte. "Die Stimmung war angespannt", erinnert sich Cash-Biograf Robert Hilburn, der das Konzert als Reporter miterlebte. Wärter mit Maschinengewehren stehen bereit, jederzeit einzugreifen.

Etwas mehr als eine Stunde lang spielt Cash – und es fühlte sich an, als könnte er einer sein, der genauso gut auch auf der anderen Seite stehen könnte. Natürlich bildete "Folsom Prison Blues" den Anfang, der Song, der genau die Situation der Zuhörer aufgriff: "I ain't seen the sunshine since I don't know when / I'm stuck in Folsom prison, and time keeps draggin' on." Aber auch Lieder wie "Busted" oder "I got stripes" nahmen das Gefängnisleben auf.

Cash scheint den Auftritt zu genießen, scherzte mit den Insassen ("Das hier wird alles aufgenommen für ein Album, also sagt nicht 'Scheiße' oder so, okay?"), ebenso wie seine Freundin June Carter, die er als Verstärkung mitgebracht hatte. Und den schweren Jungs scheint die Ablenkung vom Gefängnisalltag genauso gut zu tun. Mit "Greystone Chapel" performte Cash am Ende sogar noch einen Song, den ein Gefängnisinsasse geschrieben hatte.

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"At Folsom Prison" machte ihn zum Weltstar

Genau genommen spielt der "Man in Black" sogar zwei Konzerte an jenem Tag – eines am Vormittag, eines mittags. Offenbar war man sich bei dem Label nicht ganz sicher gewesen, ob Cash mit einem Versuch genügend veröffentlichungsfähiges Material produzieren würde. Im Nachhinein erwies sich die Sorge jedoch als unbegründet. Konzert und Platte waren ein voller Erfolg, dem es auch keinen Abbruch tat, dass Cash seinen größten Hit "Ring of Fire" gar nicht spielte.

"At Folsom Prison" verkauft sich insgesamt mehr als sechs Millionen Mal, es gilt als eines der bedeutendsten Alben überhaupt. Für Johnny Cash, den viele schon abgeschrieben hatten, ist es der Beginn der erfolgreichsten Zeit seiner Karriere.

Quellen: "Spiegel" / "Washington Post" / "Johnny Cash At Folsom Prison: The Making Of A Masterpiece" von Michael Streissguth

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