"I hurt myself today
To see if I still feel
I focus on the pain
The only thing that's real"
Selten war TV-Werbung wohl so ergreifend und auf den Punkt wie am Abend kurz nach dem Spiel der "Mannschaft" gegen Südkorea. Nein, ich meine nicht die surrealen Aufnahmen von einstmals bestens gelaunten Nationalspielern, die sich rasieren, an Softdrink-Eimern nippen oder Buletten auf Brötchen verzehren. Ich meine Johnny Cash, den alten Schmerzensmann, der sich in einem Spot für Mobiltelefone am Ende eines langen Wegs durch die Zeilen von "Hurt" kämpft. "Ich fokussiere mich auf den Schmerz, das einzige, was real ist" greint er da und im Video dazu sind seine Lider so schwer, dass man direkt mitweinen möchte.
Der Spot läuft ironischerweise kurz nach dem Abpfiff der 0:2-Niederlage und dem daraus resultierenden WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft. Deren Schmerzensmann wiederum - Übungsleiter Joachim Löw - sieht zum Kehraus bei Katrin Müller-Hohenstein selbst schon aus wie sein ganz persönlicher "Man in Black", auch ihm hängen die Augen tränenschwer, man weiß nicht, ob man Jogi Taschentücher reichen möchte oder sie doch lieber selbst benutzt.
Müller-Hohenstein mit sonorer Trauerarbeits-Tonlage
Oliver Bierhoff hatte es zuvor schon konstatiert: In der Kabine spricht jetzt keiner. Vor den Kameras gibt man sich mit derlei Kontemplation unmittelbar nach dem WM-Vorrunden-Aus, dem ersten einer deutschen Fußballnationalmannschaft überhaupt, natürlich nicht zufrieden, und eben deswegen wird auch Jogi anschließend in die Mangel genommen, muss auch nochmal das Lied von der Totenstille anstimmen und von den "Automatismen, die nicht funktioniert haben", was immer das heißen mag.
Müller-Hohenstein, Lady in Red mit sonorer Trauerarbeits-Tonlage, gibt sich denn auch gar nicht erst den irdischen Dingen hin, sondern fragt lieber gleich nach dem "Fluch, der über den Titelverteidigern liegt". Sollte Löw bereits mit Rücktrittsgedanken spielen, dürften ihn derlei Fragen sicher nicht zum Bleiben bewegen. I Hurt Myself Today …
Und während im ZDF-Studio um Ombudsmann Oliver Welke herum zwischen solider Fehleranalyse (Christoph Kramer) und dem mentalen Befinden der "sogenannten Weltmeister" (Oliver Kahn) laviert wird, macht Kommentator Béla Réthy an Tagen wie diesen sicher auch diverse Kreuze, es hinter sich gebracht zu haben, ohne dabei die Besinnung zu verlieren.
Rethy wollte mit Vintage-Kommentaren vor Rumpelfußball warnen
Schon in Hälfte eins klang der mit allen Mundwassern gewaschene Recke so kehlig überreizt, als hätte er zuvor bereits zwei, drei Elfmeterschießen der "Mannschaft" kommentiert, dabei wird es ja nun genau dazu, so schlau ist denn auch der ratternde Réthy nach "99 Minuten Folter", nicht mehr kommen. Dabei hatte er mit zunehmender Spieldauer dermaßen alle Register gezogen, als wollte er mit einer Art Vintage-Kommentar vor dunklen Rumpelfußball-Zeiten warnen.
Von "Reinschnippeln" war da die Rede, von "Fotofinish" und "Nerven bewahren", dazu die Forderung, zu "stürmen und gleichzeitig zu verteidigen", obwohl man doch zuweilen offen wie ein "Scheunentor" ist, da wurde nach der "Brechstange" gerufen und "Eisschrank-Coolness" gewürdigt - Bélas Duktus passte so gut zum drögen Gekicke, man hätte sich kaum gewundert, wenn jeden Moment Carsten Ramelow im Jackett von Uli Stielike aufgelaufen wäre. Als dann auch noch ein Holländer den Videobeweis checkte, dämmerte es so langsam auch dem Mann am Mikro: "Jetzt heißt es einpacken." Schon schade.
