Er ließ vorher keinen Zweifel daran, dass er in Wien für Deutschland an den Start gehen möchte: "Ich freue mich, den Leuten meine Musik darzubieten, so wie ich das die letzten Jahre gemacht habe", sagte Andreas Kümmert über seine Beweggründe am deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teilzunehmen. "Ich habe dadurch die Möglichkeit, Songs die ich geschrieben habe, international zu zeigen", bekräftigte der Sänger seinen Willen zum Sieg und an der Finalteilnahme beim ESC in Österreich. Es kam bekanntlich anders.
Kümmerts ehemaliger Manager Joe Ehrhardt wunderte sich von Anfang an über die Teilnahme seines ehemaligen Schützlings an dem Wettbewerb. "Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich die Nachricht gehört habe, er wolle beim ESC antreten", sagte Ehrhardt dem stern. "Wenn man ihm dazu geraten hat, war das ein schlechter Rat", sagte der Stuttgarter Musik- und Kulturmanager. Er macht Kümmerts neuem Team Vorwürfe: "Man hat doch auch eine Fürsorgepflicht ihm gegenüber. Hätte er in Wien auf der Bühne stehen müssen, wäre das in einer Katastrophe geendet", mahnt der 49-Jährige.
"Er wollte nicht aus dem Tourbus steigen"
Was er damit meint, erklärt er mit folgendem Beispiel: "Auf seiner Deutschland-Tour musste das Konzert in Hamburg kurzfristig abgesagt werden. Andreas kam nicht aus dem Tourbus. Klar, dass viele Fans enttäuscht waren, aber die Belastung war offensichtlich zu groß. Der Termin wurde nachgeholt." Solche Situationen habe es während der Zusammenarbeit des Öfteren gegeben. Kümmert sei dem Druck der Öffentlichkeit nicht gewachsen. "Das macht ihn dann wirklich körperlich krank", erklärt Ehrhardt den Gemütszustand Kümmerts. "Beim ESC wäre es das gleiche gewesen", glaubt er und mutmaßt, dass Kümmert im Finale nicht auf die Bühne gegangen wäre. "Wenn Andreas nach Wien gefahren und dort nicht aufgetreten wäre, hätte das ihm und seiner Karriere sicher mehr geschadet."
Der Sänger aus Gemünden am Main gilt in der Branche als schwierig. Schon als er 2013 an "The Voice of Germany" teilnahm, soll er mehrfach daran gedacht haben, hinzuschmeißen. Es heißt, er leide unter starkem Lampenfieber und großen Selbstzweifeln. Einer zum Anfassen ist er trotz seiner Kapuzenpullis nicht. Interviews hasst er, Fotos mit Fans noch mehr. Ein Star will und kann Andreas Kümmert nicht sein.
ARD weist Verantwortung von sich
Es bleibt die Frage, was oder wer ihn trotz seiner Gemütsverfassung dazu bewogen hat, an einem Wettbewerb teilzunehmen, bei dem er vor zirka 15.000 Zuschauern in der Wiener Stadthalle und 180 Millionen Fernsehzusehern weltweit hätte singen müssen. ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber weist jede Verantwortung von sich. "Das hat ihm niemand gesagt, sondern es war seine Idee, dabei zu sein", sagte Schreiber auf der Pressekonferenz in Hannover. Er habe in den Vorgesprächen glaubhaft versichert, dass er an diesem Wettbewerb teilnehmen wolle. "Er ist kein einfacher Mensch und hat kein einfaches Leben - das spürt man", sagte Siggi Schuller von Kümmerts Plattenfirma Universal. Er habe wohl zu spät den Unterschied zwischen "wollen" und "können" verstanden.
Seit seiner Abreise aus Hannover ist Kümmert abgetaucht, bevorstehende Auftritte hat er abgesagt. Am Montag meldete er sich via Facebook zu Wort und bekräftigte, dass er auch weiterhin Musik machen möchte. "Ich drücke ihm die Daumen, dass das klappt", sagte Ehrhardt. "Einen so begnadeten Künstler nicht mehr auftreten zu sehen, täte mir weh. Aber besorgt bin ich trotzdem."
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