Mr. Jones, es heißt, die Beatles hätten beim Besuch im Palast der britischen Queen auf der Toilette einen Joint geraucht. Sie wurden ebenfalls jüngst zum Ritter geschlagen - haben auch Sie eine verruchte Story parat?
Nein, nicht wirklich. Ich muss zugeben, dass ich sehr nervös gewesen bin. Zum Ritter geschlagen zu werden ist eine ziemlich große Sache für mich. Und die Prozedur ist dieselbe wie vor hunderten von Jahren. Man kniet nieder, die Queen legt dieses riesige Schwert auf meine Schultern. Links, rechts, links. Ein großer Moment.
Und die Einladung kommt einfach so per Post?
Ja, tatsächlich. Zweimal im Jahr gibt es eine Honor's List mit verschiedenen Ehrungen. Du wirst eingeladen und sollst Feedback geben, ob du annimmst. Und natürlich habe ich angenommen!
Nachdem nun das letzte Album den autobiografischen Titel "Mr. Jones" trug, hat man den Eindruck, dass es erst jetzt auf "24 Hours" wirklich authentisch wird. Hatten Sie das Gefühl, den Leuten den wahren Tom Jones zeigen zu müssen?
Ich wollte auf jeden Fall etwas anderes machen, das stand für mich fest. Das letzte Album mit Wyclef Jean kam aus der HipHop-Ecke, da ging es mehr um Beats als um Storys. Als ich dann bei meinem neuen Label S-Curve unterschrieb, spielten sie mir neues Material vor, aber es war nichts wirklich Aufregendes dabei. Außer "The Hitter", ein Song von Bruce Springsteen, der jetzt auch auf dem Album gelandet ist. Aber alles andere? Ich mochte nichts davon. Der Gedanke war dann, dass ich meine Ideen zu Sounds und Themen für die Platte selbst entwickeln sollte.
Hier kommt U2-Sänger Bono ins Spiel - wie war das genau an jenem Abend in einem Club in Dublin?
Bono und ich saßen zusammen, und er meinte, er würde gern einen Song für mich schreiben. Keinen U2-Song, sondern einen echten Tom-Jones-Song. Also erzählte ich ihm aus meinem Leben, und er schrieb einen Song ("Sugar Daddy", Anm. d. Red.). Das gefiel mir so gut, dass ich dachte: 'Hey, das könnte auch mit anderen Künstlern funktionieren.'
Hat Bono da nur einen Knopf gedrückt oder einen ganz neuen Aspekt aufgetan?
Mir ist das damals gar nicht so bewusst gewesen. Heute, im Rückblick auf diesen Abend, kann ich sagen, dass es die Initialzündung für das neue Album gewesen ist.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem britischen Duo Future Cut, den Produzenten des neuen Albums?
Mir gefiel ihre Zusammenarbeit mit Lily Allen. Als sie mich dann in Los Angeles besuchten, sagten sie, sie wollen ein typisches Tom-Jones-Album machen. Das war genau das, was ich wollte. Die Bläser auf der ersten Single "If He Should Ever Leave You" zum Beispiel sind aus einem alten Song von mir. Als Future Cut mir von der Idee erzählten, das zu sampeln, wusste ich: Die Jungs sind auf dem richtigen Weg.
Haben Sie mit Bono auch im Studio an dem Track "Sugar Daddy" gearbeitet?
Ja, aber er war nicht vor Ort. Er ist halt viel unterwegs, wie wir alle wissen. So kam es, dass wir übers Telefon an dem Song gearbeitet haben. Er hat mir ständig Nachrichten auf meiner Mailbox hinterlassen. Hey, ich mag diese Stelle, und ich mag jenen Part. Bono ist ein großartiger Typ, ein echter Charakter.
Was ist das Besondere am Springsteen-Song "The Hitter"?
Ich mag die Geschichte dieses Boxers. Ich liebe einfach Songs, die eine Story erzählen. Und Springsteen macht es so direkt in seinem Text, dass du das Bild förmlich sehen kannst.
Gibt es für Sie den einen Song, von dem sie sagen: Das ist es - genau das wollte ich auf der neuen Platte erreichen?
Das ist schwer. Es sind so viele verschiedene Klangfarben vorhanden. Wenn es um die Balladen geht, dann mag ich "Seasons" wirklich sehr gern. Ich war gerade in Vegas und habe ein paar neue Songs ins Programm eingestreut. Als ich "Seasons" gesungen habe, war es fast andächtig still im Publikum. Du hättest eine Stecknadel fallen hören können.
Mit der next Generation of Soul, also Sängerinnen wie Amy Winehouse oder Duffy in den Charts, könnte der Zeitpunkt für ein so klassisches Soul-Album wie "24 Hours" kaum besser gewählt sein. Eine bewusste Entscheidung?
Die Idee ist nicht wirklich neu. Über die Jahre hab ich immer wieder dran gedacht, ein Album zu machen, das den Geist der Sixties atmet, aber irgendwie kam es nicht dazu. Als ich dann schließlich das Amy-Winehouse-Album hörte, dachte ich: Das ist es. Es ist machbar. Wenn ich vorher darüber mit Leuten vom Label sprach, hieß es immer: Nein, dieser Sound funktioniert nicht mehr. Plötzlich war "Back to Black" auf dem Markt und die Plattenfirmen sagten, sie brauchen mehr davon. Typisch. Also dachte ich, die Zeit ist jetzt reif. Bei der ganzen Diskussion um die Authentizität dieses Revivals muss man aber auch ganz klar sagen: Die Struktur der Stücke mag dieselbe sein wie früher, aber der Sound ist definitiv neu. Die Beats sind fetter, es ist alles viel mehr into the face. Die Streicher und die Bläser mögen ja noch klingen wie damals, aber wenn dann die Drums einsetzen - das wäre in den Sixties so nicht möglich gewesen.
Was sehen junge Künstler heutzutage in diesem Sound?
Es ist einfach real, es ist echt und hat die Jahre bestens überstanden. Hör Dir Sam & Dave an, Wilson Pickett, Otis Redding – das sind Klassiker, die nichts von ihrer Magie verloren haben. Ich denke, die Stärke liegt darin, dass Musik und Arrangement zur gleichen Zeit entstanden sind. Das macht diese Musik so unmittelbar und direkt. Genau das gefällt den Leuten heute immer noch.
Wer von den jungen Soul-Künstlern gefällt Ihnen besonders?
Oh, ich schätze Amy Winehouse wirklich sehr. Ich hoffe, sie fängt sich wieder. Wenn ich mit ihr im Pub säße, so wie Bono mit mir damals, ich würde ihr sagen: Mädel, mach mal halblang. Die Kerze brennt nicht allzu lang an beiden Enden und Du hast einfach zuviel Talent, um so vor die Hunde zu gehen.
Wie sieht es mit ihrer eigenen Karriere aus - hätten Sie gedacht, eines Tages auf mehr als vier Dekaden zurückzublicken?
Das war mir damals, als es Anfang der 60er Jahre begann, ganz bestimmt nicht so bewusst. Ich war mir jedoch sicher, dass ich niemals aus der Mode kommen würde. Ich mag so viele verschiedene Styles, da würde immer etwas für mich dabei sein. Ich habe diesen großen Schritt Ende der 50er Jahre miterlebt, als der Rock'n'Roll den Swing ablöste. Das war eine Riesensache damals, aber schon zu jenem Zeitpunkt dachte ich: Was immer da kommen mag - an Styles und Moden - ich komme damit klar. Schon als Kind habe ich amerikanische Popmusik gehört. Frankie Lane und Guy Mitchell zum Beispiel. Ich habe die Platten gehört, habe mitgesungen und schon damals meinten meine Kumpels: Du kannst es. Du wirst eines Tages ein Star. Sie hatten recht.
Die ersten Aufnahmen machten Sie 1963 ausgerechnet mit dem leicht durchgeknallten Soundtüftler Joe Meek, der seiner Zeit ein gutes Stück voraus war. Das muss ein ziemlich prägendes Erlebnis gewesen sein!
Er war tatsächlich ziemlich crazy. Ich erinnere mich, dass er mir ein ums andere Mal sagte, ich möge doch bitte nicht so dicht am Mikro stehen. Wenn ich mit der Stimme hochgehe, wird es zu laut für die Aufnahme. Irgendwie vergaß ich das immer wieder, bis er plötzlich aus dem Regieraum zu mir stürmt und mit einer Pistole vor meinem Gesicht hantiert. "Ich sage: Weg vom Mikro!" Das war schon schräg. Es stellte sich heraus, dass es eine Startschuss-Pistole war. Aber ich kann ich Dir sagen, Joe Meek hatte sein ganz eigenes Ding am Laufen. Er war seiner Zeit definitiv voraus, noch weiter als zum Beispiel Phil Spector, der erst einige Zeit später auf der Bildfläche erschien. Eine der Innovationen, die auf Meek zurückgehen, ist die Aufnahmetechnik, alle Instrumente einzeln abzunehmen. Heute eine Selbstverständlichkeit, damals war das etwas völlig Neues.
Der Titel des neuen Albums ist "24 Hours". Wenn Sie genau einen Tag dieser langen, andauernden Karriere noch einmal erleben könnten - wo würde die Zeitreise hingehen?
Oh, das ist eine schwere Frage. Ich denke, bis zum heutigen Tag ist mein erster Hit genau der Moment, den ich niemals vergessen werde. Du probierst soviel aus und du wartest darauf, dass es klappt, dass einer dieser Songs ein Erfolg wird. Als dann "It’s not unusual" veröffentlicht wurde, ging es so unfassbar schnell. Ich konnte das kaum realisieren. Ich trat dann in unzähligen britischen TV-Shows auf und schon ging es in die USA, das war 1965. Ich erinnere mich an einen Abend in New York. Ich lag in meinem Hotelzimmer, es war warm und ich hatte die Fenster geöffnet. Von unten hörte ich die Taxis hupen, dieser typische New Yorker Straßensound eben und ich dachte: "Mann, ich bin in New York und trete heute in der Ed-Sullivan-Show auf. Eben war ich noch in einem winzigen Studio und Meek fuchtelte mit seiner Pistole vor mir herum. Jetzt bin ich hier im Big Apple und erlebe meinen Durchbruch." Der erste Hit verändert dein Leben für immer. Diese 24 Stunden würde ich gern noch einmal erleben.