Eine Band zu haben ist herrlich. Zum Interview erscheint Herr Howlin' Pelle Almqvist, 25. Seine Augen funkeln. Wehe, du langweilst mich, sagt sein Blick, du sprichst immerhin mit dem Sänger der besten Rock'n'Roll-Band der Welt. Mindestens. Howlin' Pelle trägt schwarze Hose und schwarzes Hemd, weiße Schuhe und einen blütenweißen Kunstlederblouson.
Neben ihm sitzen, in exakt der gleichen Verkleidung, die Herren Nicholaus Arson (Gitarre), Chris Dangerous (Schlagzeug), Dr. Matt Destruction (Bass) und Vigilante Carlstroem (Gitarre). Als The Hives sind die fünf aus der mittelschwedischen Kleinstadt Fagersta spätestens seit ihrem zweiten Album "Veni Vidi Vicious" eine Legende. Vor allem live. Da hopst Howlin' Pelle über die Bühne und kreischt seine Songs, als sei jeder sein letzter. Die übrigen Herren der Band spielen dazu einen so exzellenten Punk-Rock, dass es jedem gestandenen Ramones-Fan peinlich sein muss. Die besten Punk-Rocker der Welt kommen ausgerechnet aus Abba-Land?
"Ganz eindeutig, wir sind die Größten", sagt Howlin' Pelle todernst. "Manche Leute denken, wir seien ein Witz. Klingen wir vielleicht wie ein Witz?" Nein, das sicher nicht. Einmal meinten bei einem Auftritt ein paar Punks im Publikum, die Hives seien nicht die beste Band der Welt. Nicht mal ansatzweise. "Da mussten wir uns ein bisschen mit ihnen prügeln", sagt Pelle, "und wir waren ganz passable Kämpfer. Wir kennen uns halt schon lange."
Seit 1993. Ihr erstes Album "Barely Legal" war 1997 eher die Karikatur einer Punk-Band. Fünf Jungs mit Talent, aber ohne Timing. Was mehr als zehn Jahre Konzerterfahrung anrichten können, zeigt die neue Platte "Tyrannosaurus Hives". Die Band schüttelt in 30 Minuten zwölf Songs aus dem Ärmel. Höllisch schneller Bass-, Gitarren- und Schlagzeugkrach, der nach dem dritten Song schon wieder etwas einförmig klingt. Drei Akkorde reichen für einen Song locker aus. "Das ist ja die Kunst", sagt Pelle, "wenn ein Stück nur aus zwei oder drei Elementen besteht, muss jedes Element perfekt sein. Und du musst beim Spielen der Songs perfekt aussehen. Alles andere wäre unhöflich."
Angeblich verdanken die Hives so viel Stil und Rücksichtnahme ihrem sechsten Bandmitglied, einem gewissen Randy Fitzsimmons. Obwohl der offiziell alle Songs der Band schreibt, hat ihn nie ein Mensch zu Gesicht bekommen. Die gängige Meinung, Mr Fitzsimmons sei eine Erfindung der Band, möchte Howlin' Pelle Almqvist nicht kommentieren. Dafür beschwert er sich bitter über den ganzen Mist in den Musik-Charts. "Gute Musik gibt es überall, aber man muss sehr gründlich danach suchen." Er tut es selbst im Konzertsaal. "Ich mag klassische Musik", sagt Pelle, "es gibt nichts, was lauter ist als ein Sinfonieorchester." Meint er das ernst? "Diese Dinger haben mehr Schwerhörige auf dem Gewissen als The Who."
Vorsichtshalber hatten die Hives vor einigen Jahren schon verkündet, sich nach dem dritten Album aufzulösen, weil dann aus jeder guten Band die Luft raus sei. Der Zeitpunkt wäre erreicht: Die Hives haben schicke Autos und Eigentumswohnungen. Was Punks eben so mögen.
Eine Band zu haben ist schrecklich. Carl Barât sitzt wie ein bleiches Häufchen Elend auf dem Sofa. Sein Blick geht ins Leere. Vor langer Zeit muss das, was er da trägt, mal ein T-Shirt gewesen sein. Jetzt ist es ein Fetzen, der einen seltsamen Geruch verströmt. Das ist keine Punk-Attitüde, diesem Menschen geht es offenbar richtig schlecht. Carl, wie geht es weiter? Wie stellst du dir die Zukunft vor? "Pffft", nuschelt Carl Barât, "ich überblicke höchstens die nächsten zehn Minuten meines Lebens. Hoffentlich ist der ganze Mist bald zu Ende." Er meint nicht nur das Interview, er meint vor allem das, was gerade das Leben seiner Band zerstört: die Drogensucht seines besten Freundes Pete Doherty.
Den hatte er Ende der 90er Jahre in der Hausbesetzerszene im Osten Londons kennen gelernt. Mit ihm schrieb Barât 2002 das ausgezeichnete Debütalbum der Libertines "Up The Bracket" - eine furiose Mischung aus Kneipen-Rock, Punk und Poesie, produziert vom legendären Clash-Gitarristen Mick Jones. Wenn am 30. August der Nachfolger erscheint - schlicht "The Libertines" betitelt -, ist nicht einmal sicher, ob es die Band noch gibt. "Petes Sucht macht alles kaputt", sagt Carl Barât - fast so, als hätte er den Kampf schon aufgegeben.
Sie hatten sich Libertines genannt, Freigeister, aber Pete Doherty benimmt sich nur noch wie ein trotziges Kind. Seine Abhängigkeit von Heroin und Crack hatte die Aufnahmen zum zweiten Album zu einem gefährlichen Abenteuer gemacht: Mehr als einmal prügelten sich Carl und Pete im Studio, und Pete drohte seinem Freund, ihn umzubringen. In klaren Momenten versicherten sich beide immer wieder ihrer gegenseitigen Wertschätzung - bis zum nächsten Wutanfall. Im Juli 2003 brach Doherty in die Wohnung seines Freundes ein und stahl ihm Computer, Instrumente und CD-Player. Resultat: Gefängnis.
Therapien brach der 25-Jährige immer wieder ab. Zuletzt flüchtete Doherty nach nur einem Tag aus einem thailändischen Kloster, in dem er clean werden wollte, nach Bangkok. Als er nach England zurückkehrte, nahm die Polizei ihn wegen unerlaubten Waffenbesitzes fest. Daraufhin schmiss Carl Barât seinen Freund aus der Band - ein allerletztes Warnsignal. "Ich liebe Pete", sagt Barât, "er ist ein Teil der Libertines und ein Teil meines Lebens. Ich will, dass er in die Band zurückkehrt, aber nur ohne Drogen." Sein Freund scheint nicht zu kapieren, was auf dem Spiel steht. Weinerlich schilderte er einem Journalisten des "New Musical Express", er werde sterben, wenn er nicht mehr mit der Band auftreten dürfe. Carl sei unfair und respektlos. Der aber ist vor allem müde. "Oft wache ich nachts schweißgebadet auf und denke: Ich kann nicht mehr. Scheiße! Pete begreift nicht, dass ihn die Drogen töten. Ich liebe und hasse ihn."
Zumindest für Plattenkäufer hat die Geschichte ein Happy End: All diese Gefühle von Wut, Ohnmacht und Zärtlichkeit kann man auf "The Libertines" hören. Das Album strotzt vor Kraft und guten Ideen. Aber die Band hätte sich einen passenderen Albumtitel aussuchen können: "Songs Of Love And Hate", als Leihgabe von Leonard Cohen, zum Beispiel.