Serien und Streaming Netflix: Wie der Tinder-Schwindler seine Dates um hunderttausende Euro betrog

  • von Gerrit-Freya Klebe
Cecilie Fjellhøy ist eines der Opfer des "Tinder-Schwindlers"
Cecilie Fjellhøy ist eines der Opfer des "Tinder-Schwindlers"
© Netflix
Cecilie Fjellhøy und andere Opfer erzählen in einer neuen Netflix-Dokumentation, wie sie von einem Mann erst verführt und dann ausgenutzt wurden.

Swipe nach links, Swipe nach rechts, Match. Es ist etwas, das ständig auf Tinder passiert. Doch bei diesem Match gibt es kein happy end, keine glückliche Beziehung. Am Ende verliert Cecilie Fjellhøy eine sechsstellige Summe Geld, sie nimmt Kredite bei neun Banken auf. Und sie überlegt, ob sie sich das Leben nehmen soll. Ihre wahre Geschichte zeigt nun die neue Netflix-Dokumentation „Der Tinder-Schwindler“ unter der Regie von Felicity Morris. Wobei Schwindler vielleicht noch etwas harmlos ausgedrückt ist. Was Cecilie Fjellhøy und den anderen Protagonistinnen passiert ist, lässt sich viel mehr mit Betrug, Erpressung und psychischem Terror beschreiben.

In der Anfangssequenz heißt es: „Ich glaube, jeder würde gern jemanden in Bars oder im Supermarkt kennenlernen. Aber heutzutage lernt man Menschen am besten über Datingapps kennen. Auf Tinder findet man alles.“ Und alles scheint es tatsächlich sehr treffend zu beschreiben.

Cecilie Fjellhøy ist eines der Opfer des "Tinder-Schwindlers"
Cecilie Fjellhøy ist eines der Opfer des "Tinder-Schwindlers"
© Netflix

Cecilie Fjellhøy lebt in London und stößt auf Tinder auf das Profil von Simon Leviev. Er will mit diesem Nachnamen suggerieren, mit Lev Leviev verwandt zu sein, dem Milliardär und Diamantenhändler. Erst viel später erfährt Cecilie Fjellhøy, dass sein wirklicher Name Shimon Yehuda Hayut lautet und er ein Hochstapler ist. Ihr gefiel, wie er sich kleidete, sie mag Männner in Anzügen. Auf Instagram hatte er viele Bilder gepostet und tausende Follower. Geschäftstreffen, Partys, Strände. Sein Leben unterschied sich deutlich von ihrem. Sie wollte ihn kennenzulernen. Heute sagt sie: „Ein Swipe kann dein Leben für immer verändern.“

Suche nach der Liebe

Cecilie Fjellhøy suchte nach der Liebe, als Kind liebte sie Disneys „Die Schöne und das Biest“ und konnte alle Songs mitsingen. „Man hofft, es wird so magisch wie in deiner Fantasie“, sagt sie und wirkt dabei ein bisschen naiv.

Als sie sich das erste Mal treffen, findet sie Hayut sofort toll. Dunkle Haare, dunkle Augen, drei-Tage-Bart. Er sagte, er arbeite in der Diamantenbranche bei LLD Diamonds. Eine von vielen Lügen, die er ihr noch erzählen wird.

Zum Ende des Dates sagte er, er müsse geschäftlich weg. Ob sie ihn nicht begleiten wolle. So flog sie das erste Mal mit ihm in seinem Privatjet. Es gab Kaviar, Cecilie Fjellhøy war beeindruckt. Und verliebte sich. 

Ein Flugzeug steht auf dem Rollfeld
Beim ersten Date lud er seine Opfer meist zu einem Flug in seinem Privatjet ein. 
© Netflix

Es ist eine dieser Szenen, bei denen man als Zuschauerin rufen will: Bitte, tu das nicht. Auch könnte es noch auf andere Arten gefährlich werden, beim ersten Date direkt in einen Privatjet ohne guten Handyempfang zu steigen. Aber Cecilie Fjellhøy scheint wie in einem Rausch zu sein, sie filmt auch im Jet mit ihrem Handy. Da auch diese Aufnahmen in der Dokumentation zu sehen sind, wirkt sie authentisch.

Eine Hand hebt das Handy vom Tisch auf
Immer online: Der Tinder-Schwindler sendete seinen Opfern täglich Nachrichten. 
© Netflix

Von nun an schreibt er ihr täglich. Später findet sie heraus, dass er die gleichen Nachrichten und kurzen Videos mit Kuss am Ende an alle seine Opfer schickt. Nur mit verschiedenen Namen. Er gab an, beruflich viel unterwegs zu sein. Dabei traf er sich nur mit anderen Frauen. Mit den meisten flog er gleich zu Beginn in seinem Privatjet und beeindruckte sie mit Kaviar.

Immer die gleiche Masche

So auch mit Pernilla Sjöholm. Auch sie gibt an, gleich eine spezielle Verbindung zu ihm gefühlt zu haben. Auch Ayleen Charlotte geht es so. Es sind alles junge Frauen um die 30, gutaussehend, mit guten Jobs. Man fragt sich, warum sie auf ihn hereingefallen sind. Aber vermutlich ist es der Wunsch nach Sicherheit, nach einer Beziehung und ein Vertrauensvorschuss. Nicht jede geht gleich vom schlimmsten aus. Dabei hat Cecilie Fjellhøy auch Momente, in denen sie zweifelt. Als Hayut neue Fotos bei Tinder hochgeladen hat etwa.

Seine Designer-Uhr stellte sich als Fälschung heraus
Seine Designer-Uhr stellte sich als Fälschung heraus
© Netflix

Hayuts Betrug funktioniert immer auf dieselbe Weise: Erst beeindruckt er die Frauen mit seinem Reichtum, dann erzählt er, dass er verfolgt wird. Schickt Bilder von Grabgestecken, die ihm gesendet werden, oder erzählt von angeblichen Einbrüchen. Mitten in der Nacht schickt er dann Bilder, wie sein Bodyguard verletzt wurde und fotografiert Blutflecken auf seinem Designer-Shirt. Jemand wollte ihn angeblich umbringen, das Diamantengeschäft sei sehr gefährlich.

Jede der Protagonistinnen reagiert schockiert und fragt, wie sie helfen kann. Und genau das nutzt er aus. Er lügt und sagt, er kann seine Kreditkarte nicht mehr benutzen. Sein Sicherheitsteam habe ihm gesagt, seine Verfolger könnten anhand der Abrechnungen verfolgen, wo er sich gerade aufhält. Er fragte die Frauen, ob er ihre Kreditkarte eine Weile benutzen dürfte.

Er missbrauchte das Vertrauen

Cecilie Fjellhøy sagt, sie war seine Freundin und sie vertraute ihm. Er zahlte und sie bekam die Belege. Dann wollte er sie treffen und Bargeld haben. Bargeld sei nicht verfolgbar. Sie nahm erst einen Kredit für ihn auf, am Ende waren es neun. Er flog mit ihrem Bargeld nach Stockholm. Zu Pernilla Sjöholm und zahlte ihr gemeinsames Essen mit Bargeld.

Seine Masche klingt wie eine dieser E-Mails, die man gelegentlich im Spam-Ordner findet. „Ich bin ein reicher Prinz, komme aber gerade nicht an mein Vermögen. Wenn du mir Geld leihst, bekommst du das Vielfache zurück.“

Auch den Opfern schickt er hinterher Checks mit einer höheren Summe. Doch die sind alle nicht gedeckt. Pernilla Sjöholm bekommt eine Uhr von ihm, die angeblich sehr wertvoll ist. Im Fachgeschäft erfährt sie, dass es eine Fälschung ist. Wie sich die drei Frauen schließlich zusammentun, um den Betrüger an Interpol zu überführen und was mit seinen Designerklamotten passiert, ist wirklich sehenswert.

Die zweistündige Netflix-Dokumentation lässt einen nachdenklich zurück. Wie viel sind wir bereit, für eine vermeintliche Liebe zu geben? Was muss passieren, damit man die rosarote Brille abnimmt? Spätestens, wenn das Date nach Geld fragt, sollte man hellhörig werden. Das ist wohl das, was man mitnehmen soll aus der Doku.

Hayut lebt heute in seiner Heimat Israel, auf Instagram zeigt er seine neue Designerkleidung und teure Autos. Auch wurde er wieder auf Tinder gesehen. Cecilie Fjellhøy hingegen wird noch lange ihre Kredite abbezahlen müssen.

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