In "Fiete Gastro" fokussieren sich Fernsehkoch Tim Mälzer und Autor Sebastian E. Merget normalerweise auf das Themengebiet Essen, Kochen, Kulinarik und Gastronomie. In der neuen Folge des Podcasts wagt sich das Duo jetzt jedoch an ein aktuelles, deutlich ernsteres und vor allem sensibles Thema.
"Schweigen und Tim Mälzer, das passt überhaupt nicht zusammen!"
Nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel vor mehr als sechs Wochen nehmen antisemitische Vorfälle in Deutschland zu. Für den Sternekoch ein ernstzunehmendes Problem. "Jeder, der einigermaßen mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend läuft, kann sich einer gewissen Entwicklung in den vergangenen Tagen nicht verschließen, die ich ganz plakativ umschreiben möchte, mit einem sehr präsenten Antisemitismus und dazu eine überraschend leise Reaktion darauf", beginnt er die Sonderfolge, in der er zwei seiner engen jüdischen Freunde – Samy und Haya Molcho – willkommen heißt. Auch Steffen Hallaschka ist als Moderator Teil der Runde. Mälzer sei sprachlos, erzählt er weiter, habe gleichzeitig aber auch Angst, nichts zu sagen. "Lautes Schweigen" nenne man das, erklärt er. "Schweigen und Tim Mälzer, das passt überhaupt nicht zusammen!", bemerkt Podcast-Host Merget.
Hilflosigkeit, Angst, Unwissenheit – das alles seien Themen, die den Fernsehkoch derzeit beschäftigen. "Ich habe Angst davor, jetzt zu leise zu sein. Ich habe Angst davor, in zehn Jahren ein Schweigen zu bereuen, ich habe Angst davor, in zehn Jahren auf dem Sofa zu sitzen, 'ach hätte ich bloß mal'", versucht er seine Gefühlslage zu beschreiben. Gleichzeitig aber fühle er sich wie ein Scheidungskind – habe israelische wie muslimische Freunde und wisse nicht, wie er sich in der aktuellen Situation richtig verhalte.
Also habe er seine Freundin Haya Molcho angerufen, die selbst in Tel Aviv zur Welt kam und Familie in Israel hat. Er habe mit ihr in den Austausch gehen wollen, beschreibt er. "Tim hat mich angerufen, das fand ich so mutig. Und der Tim hat mich einen Satz gefragt: 'Haya, was kann ich machen?' Und ich hab gesagt 'Tim, alleine, dass du mich schon anrufst, und mit mir darüber redest, da hast du schon sehr viel gemacht", erzählt Molcho. Eine simple Nachfrage nach dem Befinden helfe derzeit mehr als alles andere, betont die Gastronomin.
Antisemitismus: Über Angst, Verantwortung und Unwissenheit
Sie selbst empfinde in den letzten Wochen vor allem Angst, wie sie sie in ihrem Leben noch nie empfunden hat. "Ich habe Angst um meine Kinder und mein Enkelkind. Ich habe Angst, wenn ich jetzt auftrete, bei irgendeiner großen Messe, dass vielleicht irgendein Verrückter kommt. Ich habe Angst! Und das habe ich nicht gekannt", erzählt sie. Dabei sei sie – genau wie ihr Ehemann – eigentlich sehr behütet und vor allem multikulturell aufgewachsen. Der Star-Pantomime blickt zurück: "Ich bin aufgewachsen mit den Arabern als Nachbarn, wir haben zusammen gespielt, wir haben Volkstänze gemacht, wir die israelischen, sie die arabischen – das war selbstverständlich!" Vorurteile und antisemitische Handlungen gegenüber Juden generell habe er in seinem Leben aber dennoch immer wieder erfahren – von allen Seiten und allen Kulturen.
Die Situation jetzt habe die Problematik wieder sichtbar gemacht. Den Ursprung der Klischees und Anfeindungen sieht Hallaschka hingegen in der anhaltenden Tatsache, "dass wir – und da nehme ich mich und Tim mit ein – gar keinen Kontakt mit Juden haben." Er sagt: "Ich hab einen einzigen Juden in meinem Freundeskreis, und mit dem rede ich gar nicht übers Judentum, sondern mit dem geh ich feiern!" Fakt sei gleichermaßen aber, dass das Sicherheitsgefühl dieser mittlerweile deutlich erschüttert sei und immer weiter abnehme, auch, weil der Hass auf den Straßen immer lauter werde, beschreibt er. Das sieht auch Mälzer so. Gerade deswegen sei es wichtig, die Werte einer freien Demokratie wieder aktiv zu verteidigen. "Vielleicht diskutiere ich gerade nicht über Antisemitismus, sondern über den Schutz der Freiheit", so Mälzer.
Ein großes Problem sieht er in diesem Zuge auch – wie Hallaschka – in der mangelnden Begegnung der Kulturen und der fehlenden Aufklärung. "Was man kennt, kann man nicht hassen", so der Moderator. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen wie jüdischen Geschichte müsse man Verantwortung übernehmen, um Orte der Begegnung und Aufklärung zu schaffen. Molcho pflichtet bei: "Es gibt einen Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung." Letztere habe jeder Mensch, nicht nur Deutschland. "Aber für Schuldgefühle gibt es heute keinen Grund mehr – nicht in der dritten Generation".
Ein Beispiel für Begegnungen und ein Miteinander sei die Kulinarik. Die levantinische Küche stelle ein verbindendes Element zwischen der israelischen und palästinensischen Kultur dar und sei über die Jahre aus der Geschichte heraus gewachsen, erklärt Molcho. Und genauso müsse es mit anderen Bereichen auch geschehen: Kein Seite an Seite oder gar ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.