"Vor ein paar Tagen war mein größtes Problem noch, dass sie das Messer zum 100. Mal falsch in den Besteckkorb gesteckt hat." Lars (Daniel Donskoy) macht sich große Sorgen und seine Frau. Denn Melanie (Lisa Bitter) verhält sich immer merkwürdiger, das gemeinsame Zusammenleben als Familie gestaltet sich als unmöglich. Das Problem: Sie ist Verschwörungstheoretikerin und Corona-Leugnerin.
Die Radikalisierung ist bei ihr schleichend verlaufen: Zunächst war sie lediglich besorgt, dass sich die Lunge ihres Sohnes nicht entwickelt, wenn er in der Schule Masken tragen muss. Als Janosch mehrere Tage krank zuhause bleibt, findet Lars heraus, dass seine Frau ihrem Sohn heimlich Abführmittel gibt.
Dabei bleibt es aber nicht: Sie schraubt alle Rauchmelder heraus - denn die lesen ja den Atem aus. Ihre Informationen bezieht Lisa aus einem obskuren Youtube-Channel namens "Veritas". Begierig saugt sie die dort verbreiteten Verschwörungstheorien auf wie die vom "Great Reset", derzufolge die Pandemie von "globalen Finanzeliten" geplant sei. "Mir hat das total die Augen geöffnet", schwärmt sie.
"Schlafschafe" fährt das ganze Repertoire der Corona-Leugner auf
Bei "Veritas" erfährt sie auch von dem schwarzen Satelliten, der angeblich die Erde bedroht, auf jeden Fall aber dabei ist, ihre Ehe zu zerstören. Denn tatsächlich bleibt das Geschwurbel nicht ohne Einfluss auf das Familienleben. Die ersten Freunde haben sich bereits von ihr abgewandt, und auch Ehemann Lars fällt es zunehmend schwerer, mit seiner Frau vernünftig zu reden. Die spielt das gängige Repertoire der "Querdenker" ab, etwa dass Impfungen das Erbmaterial verändern. Dagegen zu argumentieren hat keinen Sinn: Gegen Kritik und jegliche Form von Fakten ist die Frau längst immun.
Mit "Schlafschafe" packt das ZDF ein Thema an, das polarisiert und tatsächlich viele Familien spaltet: Wie soll man miteinander umgehen, wenn Familienmitglieder wissenschaftliche Fakten leugnen und sich ihr eigenes Weltbild aus Verschwörungstheorien zimmern?
Der Sechsteiler (Buch: Matthias Thönnissen und Zarah Schrade, Regie: Matthias Thönnissen) macht von Anfang an klar, dass seine Sympathien auf der Seite von Ehemann Lars sind, und zeigt dessen Versuche, seine Frau von ihrem Irrweg abzubringen.
Lisa Bitter und Daniel Donskoy überzeugen
Das ist alles ganz hübsch anzusehen, zumal mit Lisa Bitter und Daniel Donskoy überzeugende Schauspieler verpflichtet wurden. Doch am Ende bleibt der Zuschauer mit einem schalen Gefühl zurück. Denn hier erfährt man nichts Neues über den Themenkomplex Verschwörungstheorien und bekommt auch keine intelligenten Strategien im Umgang mit Corona-Leugnern aufgezeigt. Die Folgen bringen einen weder zum Lachen, noch packen sie einen emotional. Vielleicht ist das Thema einfach noch zu aktuell für eine Umsetzung als "Instant-Drama", wie das ZDF die Serie nennt.

Wieso derartige Unterfangen von vornherein zum Scheitern verdammt sind, das hat Richard David Precht kürzlich im TV deutlich prägnanter auf den Punkt gemacht: Er werde nicht mehr versuchen, Corona-Leugner zu überzeugen. Der Grund: "Die psychische Grundstruktur dieser Menschen besteht nicht darin, die Wahrheit herauszufinden, sondern Recht zu haben." Das Nichtrechthaben sei bei diesen Menschen ausgeschlossen. "Deswegen gibt es auch keine Diskussion, die einen tatsächlichen Fortschritt haben kann."
Das ist letztlich auch das Ergebnis nach sechs Folgen "Schlafschafe". Precht brauchte für diese Aussage lediglich 90 Sekunden.
ZDFneo zeigt alle sechs Folgen von "Schlafschafe" am Mittwoch, 12. Mai 2021, ab 0.45 Uhr, am Stück. Danach ist die Serie ein Jahr lang in der Mediathek abrufbar.