Der Moderatorencheck Fußballexperten: Kompetent bis nervig

Von Michael Rossié
Während der Fußball-WM hält sich wohl fast jeder Mann für einen Fußballexperten, der alles besser machte, wenn man ihn ließe. Die Fernsehsender vertrauen lieber ausgewiesenen Fachleuten - mit sehr unterschiedlichen Qualitäten.

Das mit Abstand am meisten benutzte Wort aller Sprecher ist "natürlich" in jeglicher Kombination. Und zwar nicht im Sinne von "ungezwungen", sondern im Sinne von "Das ist doch klar!" oder "So ist es eben!" Da die Zuschauer ja dieselben Bilder sehen wie die Experten, nicht verwunderlich. Bei Fehlern schimpfen alle ("Das müssen DIE in den Griff kriegen!"), bei guten Leistungen der deutschen Mannschaft "haben WIR schön gepresst". Auch Schwierigkeiten mit den Bewoh-nern der Teilnehmerländer kommen bei allen vor. Im ZDF sind es z.B. "die Togoer" und in der ARD übt Günter Netzer: "Die Ecua... daner!"

Urs Meier und Jürgen Klopp, die im ZDF mit Johannes B. Kerner in einer Arena von Fans auf dem Potsdamer Platz als Experten zur Verfügung stehen, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Klopp besticht durch Fachwissen

Klopp, unrasiert und einen Kopf größer als Meier kommentiert glasklar und fundiert trotz hoher Sprechgeschwindigkeit und nach oben gezogenen Satzenden. Von ihm kann man wirklich eine Menge über Fußball lernen. Seine Lieblingswörter sind "die Jungs" und "Fakt ist...", aber seine Sprache ist direkt und ehr-lich. Da sind "unsere Freunde" mal "flott unterwegs" und haben "Feuer im Arsch ohne Ende", auch wenn sie nicht "die Sterne vom Himmel gespielt haben". Dazu viele Fachausdrücke wie "Schnittstellenbälle" und der "No-Look-Pass" zum Beispiel.

Meier ist langsamer mit deutlichem Schweizer Einschlag ("Den richtigen Entscheid zu finden..."), aber auch bei ihm macht es Spaß zuzuhören, weil er von der Materie etwas versteht. Er legt sich ungern fest ("Wenn man's pfeift, dann pfeift man's"), formuliert ab und zu ein wenig umständlich ("Ob er ihm helfen hätte können...") und beginnt viele Sätze mit "Ich denke...", aber die zwei ergänzen sich bestens.

Lustloser Netzer

Wie gut die beiden sind, erkennt man besonders am direkten Vergleich mit der ARD. Günter Netzer wird hier als Experte von Gerhard Delling bei Laune gehalten, was nur eingeschränkt funktioniert. Langsam, mit vielen "äh" und in einer sterilen Studioatmosphäre gewinnt man irgendwie den Eindruck, dass Netzer keine Lust hat und Delling nicht verstehen kann, wen man ihm da an die Seite gesetzt hat.

Immer wieder blödeln die beiden, als hielten sie sich für die legitimen Nachfahren von Don Camillo und Peppone, ohne auch nur andeutungsweise deren Humor zu besitzen. Und die beiden Italiener mochten sich, trotz aller Unterschiede. Am lautesten lacht Delling bei den unfreiwilligen Pointen von Netzer ("Wer das gemacht hat, der genießt mein lebenslange... mein lebenlanges... meinen lebenslangen Respekt.") Netzer nutzt dann wieder jede Gelegenheit für den Gegenschlag. Als Delling ihn kurz vor Spielbeginn nach Overath fragt, kontert Netzer: "Das ist schön, dass Sie das sagen, dass das eine blöde Frage war. Sehr sympathisch." Das ist nicht unterhaltsam, sondern nervig.

Aufgeblähte Sprechweise

Die Sprechweise von Netzer ist sehr aufgebläht ("positiver Imagetransfer" oder "da wird Defensivarbeit verrichtet"), nichtssagend ("Kurzpässe gehen in einem schnelleren Maß voran als Langpässe.") oder einfach unverständlich ("So wünsch ich mir den Ballack schon, dass ich sage, das ist etwas, das sein muss.") Dialoge wie der folgende sind Perlen der Fußballberichterstattung. Delling: "Was ist das Wunderbare an seiner Schusstechnik?" Netzer: "Er hat es rechtzeitig gelernt, den Fuß richtig zu halten." Dazu kommt dann noch eine Prise Polemik. Die Szene, in der ein Engländer einem anderen in die Haare greift, kommentiert Herr Netzer: "Das ist gelebtes englisches Leben!" Aha.

Bei den Kommentaren zu Ausschnitten zum Spiel fällt besonders auf, das Günter Netzer ausführlich beschreibt, was wir alle sehen. ("Da kommt Mertesacker, da kommt keiner.") Und auch das wird noch aufgebläht ("Er hat sehenden Auges die Ecke ausgesucht") und trotz aller ausgefeilter Slowmotion Technik nicht verstanden ("Der Ball geht auf kuriose Weise irgendwie ins Tor!"). Alle Netzer-Zitate stammen übrigens vom selben Tag.

Lob für RTL

Bei RTL wird es dann wieder deutlich interessanter. Während im ZDF alles eine Geschichte ist ("Verletzungsgeschichte" oder "Trainergeschichte"), spricht man bei RTL dauernd von Aktionen. Rudi Völler unterstützt als Experte Günther Jauch. Er sagt zwar alles mindestens zweimal ("wie ich eben gesagt habe", "wir haben es ja schon gesagt") und ist lange nicht so eloquent wie die Kollegen vom ZDF, aber auch Völler ist echt, gut informiert und eine wirkliche Hilfe bei der Vor- und Nachbereitung. Nicht einmal der Dialekt stört ("die Chpieler und die ausländichen Mitmenchen"). Und wer lange genug RTL sieht, der kriegt dann auch noch regelmäßig das offenherzige Dekolleté von Eva Padberg zu sehen. Zwei weitere Argumente für RTL. Leider hat der Fan keine Wahl, welchen Sender er sieht, sonst wäre die Entscheidung wirklich einfach.

Michael Rossié

PRODUKTE & TIPPS