"Was zur Hölle hat das alles noch mit Satire zu tun?", fragt sich Jan Böhmermann zum Schluss seiner aktuellen Sendung. Vor dem TV-Bildschirm dürfe man sich die gleiche Frage stellen. Denn was in der aktuellen Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" und in der der Vorwoche thematisiert wird, ist weder lustig noch besonders unterhaltend. Ging es Ende September noch um die teilweise volksverhetzenden Whatsapp-Chats von hessischen Polizist:innen, beschäftigt sich Böhmermann jetzt mit dem NSU 2.0.
"ZDF Magazin Royale": Jan Böhmermann und die rechten Abgründe der Polizei
Rückblick: Im August 2018 erhielt die Frankfurter Anwältin Seda Basar Yildiz einen Drohbrief vom NSU 2.0., in dem ihre Privatadresse erwähnt und ihr angekündigt wird, man würde ihre Tochter ermorden. Es folgten über Monate weitere Drohbriefe, auch Böhmermann selbst erhielt einen. "Na ja, er hat es auch verdient, hätte er mal mehr Witze über die Grünen gemacht", scherzt er selbst süffisant.
Und er zeigt auf, dass die Spuren des ersten Drohbriefs, den an Yildiz, ins Polizeirevier in Frankfurt am Main führen. Gemeinsam mit "FragDenStaat" ist Böhmermann der Sache auf den Grund gegangen. Denn irgendwie musste der Schreibende des Drohbriefs an die private Adresse der Anwältin kommen. Dafür nutzte man einen Computer im Polizeirevier und darauf den Account von Miriam D., eine der Polizistinnen aus den Whatsapp-Chats, die Böhmermann gerade erst beleuchtet hatte. Aber so einfach ist die Sache dann doch nicht. Denn neben dem Computer befand sich ein Zettel mit dem Passwort von Miriam D. – nicht nur sie konnte sich also Zugang verschaffen. "Cyber-Sicherheit, gerade bei der Polizei sehr wichtig", macht Böhmermann sich lustig.
Ein weitere Polizist, der Teil der rechtsextremen Chats war, rückt neben Miriam D. in den Fokus: Johannes S., der selbst Fotos von sich gespeichert hat, auf denen er den Hitlergruß zeigt und der laut Böhmermann in seiner Browser-Suche "Yildiz Frankfurt" stehen hatte. Nicht die einzige Suchanfrage zu der Anwältin. Doch weder Miriam D. noch Johannes S. wurden am Ende zur Rechenschaft gezogen, erklärt Böhmermann. Stattdessen wurde vor Gericht Alexander M. verantwortlich für die Drohbriefe gemacht, ein arbeitsloser IT-Experte. Auch für das erste Drohfax, das 2018 an Yildiz geschickt wurde. Die Richterin habe über diese Entscheidung "Kopfzerbrechen" gehabt, zitiert Böhmermann.
Drohbriefe der NSU 2.0
Der Satiriker erinnert in seiner Sendung auch daran, dass der Frankfurter Polizei vorgeworfen wurde, Beweise manipuliert zu haben. "Am Tag, als das erste Revier durchsucht wurde, ging plötzlich der Polizeicomputer kaputt", so der ZDF-Moderator. Auch das Alibi von Johannes S. könnte nicht stimmen, da Einsatzzeiten offenbar verändert wurden. Damals wurde das LKA eingeschaltet. "Das LKA! Da schlägt mein Polizistensohnherz zum ersten Mal seit zwei Sendungen höher. Endlich Good Cops. Wirklich gute und unabhängige Ermittler, die ungehindert arbeiten können", sagt Böhmermann. Dass diese Freude nur von kurzer Dauer ist, zeigt er selbst auf. Denn der damals beauftragte Sonderermittler war der bisherige Direktor der Kriminaldirektion im Polizeipräsidium Frankfurt. "Es ist eine Entmachtung des LKA", schrieb 2020 die "FAZ". Der Direktor im Einsatz kam zu dem Schluss, dass der Verdacht an Mitgliedern der Polizei nicht bestätigt werden konnte. "Ich habe unverändert ein sehr tiefes Vertrauen zu meinen Kollegen und Kolleginnen", so der Sonderermittler. "Joa, dann wird das wohl so sein, Ende, Aus, Micky Maus", kommentiert Böhmermann.
Wie der mutmaßliche Einzeltäter Alexander M. an die Daten der Polizei kommen konnte, dafür gibt es keine Beweise. Man gehe davon aus, dass er sich als Polizist ausgab, heißt es in einem im "ZDF Magazin Royale" eingeblendeten "Spiegel"-Artikel.
Nach mehrfachem Nachhaken bei der Staatsanwaltschaft haben Böhmermann und sein Satire-Team herausgefunden, dass dennoch gegen Johannes S. ermittelt wird – auch wegen des Drohbriefes von 2018. Und das, obwohl Alexander M. auch dafür verurteilt wurde. "Unser spannender Fall bleibt für heute leider ungelöst", berichtet Böhmermann. "Wir wissen, der NSU 2.0 hat im Ersten Revier der Polizei Frankfurt angefangen. Als dort irgendjemand die geheimen Daten der Frankfurter Rechtsanwältin abgerufen hat, als Beamt:innen Schicht geschoben haben, die im rechtsextremen 'Itiotentreff'-Chat aktiv waren", sagt er eindringlich. Das Gleiche sei in anderen Polizeirevieren in der Republik geschehen. "Bis heute werden Morddrohungen verschickt, die mit NSU 2.0 unterschrieben sind, während der angebliche Einzeltäter Alexander M. weiter in Untersuchungshaft sitzt."
Am Ende bleiben für Böhmermann viele unbeantwortete Fragen. Eine – nicht ganz unwichtige davon – "was zur Hölle hat das alles noch mit Satire zu tun?".
Quelle: "ZDF Magazin Royale"
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