Perlen der Kreml-Propaganda Putins Star-Propagandistin will Atombombe über Sibirien zünden – ein Skandal ungeahnten Ausmaßes

Margarita Simonjan ist eine Instanz der Kreml-Propaganda. Doch auch sie muss mal zurückgepfiffen werden. 
Margarita Simonjan ist eine Instanz der Kreml-Propaganda. Doch auch sie muss mal zurückgepfiffen werden. 
© Screenshot VKontakte Margarita Simonjan
In Ermangelung dankbarer Themen und Front-Erfolge holt die Kreml-Propaganda wieder einmal die Atomkeule hervor. RT-Chefin Margarita Simonjan schwang sie aber jetzt so sehr, dass der Kreml sie an ihren Platz verweisen musste. 

Rund ein Jahr ist es her, als Wladimir Putin in den goldverzierten Hallen des Kremls vier ukrainische Gebiete für die seinen erklärte. Die Regionen von Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk würden unwiederbringlich und für immer zu Russland gehören, verkündete damals der Mann, der bereits seit 23 Jahren über sein Reich herrscht. Doch ein Jahr später hat Moskau nur einen Bruchteil dieser Gebiete unter seiner Kontrolle. Und so entschied sich das russische Staatsfernsehen, die Feierlichkeiten vor den roten Mauern des Kremls anlässlich des offiziellen Annexions-Datums lieber unerwähnt zu lassen. Schließlich befand selbst Putin es für nicht notwendig, persönlich vor die wie üblich zusammengekarrte Menge zu treten. Er beließ es bei einer kurzen Videobotschaft.

Aber was sendet man stattdessen? Für die Kreml-Propaganda angesichts fehlender Erfolge in Putins Angriffskrieg auf die Ukraine zunehmend ein kniffliges Problem. In der vergangenen Woche wussten sich die Propagandisten nicht anders zu helfen, als unisono wieder einmal die Atomkeule herauszuholen.

Den Ton gab wie so oft kein anderer als "Mister radioaktive Asche" vor. Was den "degradierenden Westen" angehe, so habe es keinen Sinn an "seine graue Gehirnmasse zu appellieren, die nicht wirklich funktioniert", führte Dmitri Kisseljow in seiner Sendung "Nachrichten der Woche" aus. Russland bleibe nichts anderes übrig, als sich an das "Primitivste" zu wenden: die Angst vor dem Tod im "atomaren Tornado." 

Kreml-Propaganda holt wieder die Atomkeule hervor 

Seinen Spitznamen "Mister radioaktive Asche" trägt der Mann, der als Chef-Propagandist des Kremls gilt, seit jenem Abend im Jahr 2015, als er Amerika mit der kompletten Auslöschung drohte. Nun machte er seinem Ruf einmal wieder alle Ehre. In seiner Sendung ließ er den russischen Politologen Sergej Karaganow zu Wort kommen, der einen atomaren Erstschlag für ein legitimes Mittel hält, um "den Krieg gewinnen zu können". "Unser Gegner muss um die kompromisslose Bereitschaft unserer Regierung und unserer Gesellschaft zu diesem Schritt im Notfall wissen. Wir müssen jenen, die den Glauben an die Hölle verloren haben, ihn wiedergeben", erklärte Karaganow.

Und Kisseljow pflichtete ihm bei. "Technisch sind wir dazu absolut bereit." Dieselbe Ansicht vertrat auch Michail Kowaltschuk, seines Zeichens vor allem Bruder von Juri Kowaltschuk, dem "persönlichen Bankier Putins". Er forderte eine Wiederaufnahme der russischen Atomwaffentests. "Es würde ausreichen, einen Test auf Nowaja Semlja durchzuführen. (...) Wenigstens einmal. Und alles wäre in Ordnung", so der Physiker und Präsident des Nationalen Forschungszentrums "Kurchatow-Institut". Nowaja Semlja ist eine russische Doppelinsel, die im Nordpolarmeer liegt und zu Europa gezählt wird. 

Atombombe über Sibirien zünden? Für Simonjan die "menschlichste Option" 

Die Chefin des Kreml-Sprachrohrs RT, Margarita Simonjan, hatte ebenfalls eine Idee, wo man einen Atomtest durchführen könnte, um dem Westen Angst und Schrecken einzujagen. Ein "schlauer Mensch" habe ihr erzählt, dass gar nichts "Furchtbares" zu erwarten wäre, wenn "wir auf unserem eigenen Territorium, zum Beispiel irgendwo über Sibirien, in mehreren Hundert Metern Höhe eine Atombombe zünden", schwadronierte die RT-Chefin in ihrem Video-Blog.

Die Erde habe dann weder einen atomaren Winter noch eine todbringende Strahlung zu befürchten. Der Ausfall aller Rundfunksysteme und Elektronik sei das Einzige, was die Konsequenz eines solchen Atomtests wäre. Betroffen wären "alle Satelliten, diese Kamera, die mich gerade aufnimmt, dieses Telefon, das neben mir liegt. Wir kehren dann in das Jahr 1993 zurück. (...) Und ich sage euch: Wir haben doch wunderbar gelebt! Ich werde sogar froh sein! Zumindest werde ich meinen Kindern nicht mehr erklären müssen, warum alle anderen Gadgets haben und sie nicht! Die verbiete ich nämlich ihnen", lachte Simonjan.

Die Option eines Atomversuchs über dem eigenen Territorium sei noch das "Menschlichste", was möglich sei. "Ich sehe sonst keinen Ausgang, der nicht ungefähr so aussehen würde", schloss die Propagandistin ihre Ausführungen ab. 

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Keine Vorfreude in Sibirien 

Doch ihre Idee eines Atomexperiments über Sibirien entlockt nicht allen in Russland solch eine Freue wie Simonjan – vor allem nicht jenen in Sibirien.

Die Abgeordnete der Staatsduma Maria Prusakowa forderte eine Entschuldigung Simonjan. "Margarita, Ihre Aussage, dass Sie grundsätzlich die Möglichkeit in Betracht ziehen, eine thermonukleare Bombe über Sibirien zu zünden, damit Ihre Kinder sich in der Schule nicht benachteiligt fühlen, weil sie keine Gadgets haben, empfinden wir Sibirier als eine tiefe Beleidigung. (...) Sie müssen sich bei den Bewohnern ganz Sibiriens entschuldigen, insbesondere bei denen, die seit Jahrzehnten unter den Folgen der Tests auf dem Testgelände Semipalatinsk leiden", sagte die Abgeordnete Prusakova.

"Ich empfehle Ihnen dringend, die Themen bei denen Sie, wie Sie selbst sagen, eine dumme Frau sind, in der Küche besprechen und nicht im öffentlichen Raum", lautete der gutgemeinte Ratschlag der Kommunistin.  

Auch der Bürgermeister von Nowosibirsk, Anatoli Lokot, sah sich als ausgebildeter Physiker zu einem Kommentar gezwungen – denn seine Stadt liegt "irgendwo in Sibirien". "An thermonuklearen Explosionen in der Luft ist nichts Gutes. Die Folgen können nicht Hunderte, sondern sogar Tausende von Jahren zu spüren sein. Denn es entstehen instabile Elemente, deren Halbwertszeit bei Hunderten von Jahren liegt – bei manchen sogar bei tausend Jahren."

"Verstoß gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation"

Nikolai Korolew, Assistent des Moskauer Abgeordneten Ewgeni Stupin, wurde deutlicher: "Solche Aussagen stellen einen Verstoß gegen die Gesetzgebung der Russischen Föderation dar, ganz zu schweigen von der Barbarei und Absurdität dieser Statements. Ich habe mich an den Untersuchungsausschuss und das Innenministerium mit der Aufforderung gewandt, die Aussagen dieser Bürgerin zu analysieren und sie schließlich verwaltungs- oder strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen."

Auch unter den sonst zerstrittenen Z-Bloggern herrscht die einhellige Meinung: Simonjan ist zu weit gegangen. "Es zwingen sich Fragen bezüglich ihres Kompetenzniveaus auf. Wenn du aus Spaß der westlichen Presse die Schlagzeile 'Kreml-Propagandistin ruft zum Atomabwurf über Sibirien auf', dann weiß ich nicht mehr weiter ... Vielleicht ist es an der Zeit in den Urlaub zu gehen?", schrieb der Militär-Blogger Alexander Kartawych. 

Und der Publizist Anatoli Nesmijan stellt eine frappierende Tatsache fest: "Seit 1963 besteht ein Verbot (kein freiwilliges Moratorium, sondern ein Verbot, das ist erwähnenswert) für die Durchführung von Atomtests, auch in der Luft. Dieses Verbot ist im Moskauer Vertrag verankert, und selbst der heutige Kreml ist bislang nicht das Risiko eingegangen, es aufzukündigen. Entweder ist sich Simonjan dessen einfach nicht bewusst, oder sie provoziert absichtlich mit ihrem aberwitzigen Vorschlag."

Simonjan in ihrem Element: Leugnen und Lügen 

Doch Simonjan wäre nicht Simonjan, wenn ihr die Fähigkeit zur Einsicht nicht längst abhandengekommen wäre. Sie übt sich lieber in dem, was sie in Putins Reich zum Star der Kreml-Propaganda gemacht hat: Leugnen und Lügen. "Ich habe eine Klage gegen irgendeinen Assistenten irgendeines Stellvertreters eingereicht, der eine Klage gegen mich eingereicht hatte – wegen Verleumdung. Denn er zeigte mich nicht nur an, sondern schrieb auch, dass ich 'einen Atomschlag auf dem Territorium der Russischen Föderation vorgeschlagen' habe", schrieb Simonjan auf dem ehemaligen Twitter. 

Kämen die Worte nicht von Simonjan, könnte man einen schweren Fall von Gedächtnisverlust befürchten. 

So aber musste sich inzwischen sogar der Kreml einschalten und Simonjan auf ihren Platz verweisen: "Wir haben das Abkommen über den Verzicht auf Atomtests nicht aufgekündigt. Simonjan arbeitet nicht in offiziellen Behörden, daher spiegeln ihre Worte nicht die offizielle Position der Russischen Föderation wider", erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Das wird die Generalin der Kreml-Propaganda erst einmal schlucken müssen. 

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