Perlen der Kreml-Propaganda Ein fast perfekter Mordplan – oder wenn der FSB sein Meisterwerk abliefert

Propaganda ist sein Metier: Wladimir Solowjow ist das vor Hass triefende Sprachrohr des Kreml
Propaganda ist sein Metier: Wladimir Solowjow ist das vor Hass triefende Sprachrohr des Kreml. Seit Jahren ist er einer der liebsten Scharfmacher von Wladimir Putin.
© picture alliance/dpa/TASS | Sergei Karpukhin
Der Kreml verbreitet Tag für Tag Propaganda. In der neuen Kolumne stellen wir Ihnen die makabersten, skurrilsten oder perfidesten Perlen aus der Werkstatt der Propagandisten vor. Dieses Mal: der Anschlag auf Wladimir Solowjow. 

Sie sind vermummt, schwer gerüstet, die Waffen im Anschlag: An einem Tag im April machen sich sieben Männer des FSB auf, eine neonazistische Terrorzelle mitten in Moskau auszuheben. Es gilt einen Mordanschlag auf eines der bekanntesten Gesichter des russischen Staatsfernsehens zu vereiteln. Eins, zwei, drei, vier, fünf – einer der Geheimdienstler hämmert mit der Faust gegen eine Wohnungstür. Dahinter verschanzen sich die Attentäter. Es vergeht der Bruchteil einer Sekunde und schon schwingt die Tür auf. Die Worte "Mach auf" hallen durch das dunkle Treppenhaus. Und schon stürmt der FSB-Trupp die Zentrale der Verschwörer. 

Männer werden auf den Boden geworfen und geknebelt; die gescheiterten Attentäter mit verdeckten Gesichtern abgeführt. Eine Pistole, Molotowcocktails in Plastik-Flaschen und ein Seifenstück mit dem Wappen der Ukraine werden als stumme Zeugen der Mordpläne vorgeführt. Auf dem Bett breitet der FSB das belastende Material aus: T-Shirts mit Hakenkreuzen, rechte Literatur, eine grüne Perücke und Sims-3-Spiele.

Moment. Sims-Spiele? Perücke? Molotowcocktails in Plastikflaschen? 

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Das Startpaket von Nazi-Terroristen 

Ja, dies sind die Beweise des FSB, die der Inlandsgeheimdienst Russlands der Öffentlichkeit präsentiert. Über die Staatsmedien werden die Aufnahmen verbreitet. Stolz gibt man bekannt: "Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation hat eine Gruppe von Mitgliedern der in Russland verbotenen Neonazi-Terrororganisation National Socialism/White Power festgenommen. Die russischen Staatsbürger haben auf Anweisung des Sicherheitsdienstes der Ukraine den Mord an einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens (...) geplant." Die Rede ist dem Propagandisten Wladimir Solowjow, dem vor Hass triefenden Sprachrohr des Kremls. 

Die Ausbeute des FSB: Improvisierter Sprengsatz, acht Molotowcocktails, sechs PM-Pistolen, ein abgesägtes Jagdgewehr, eine RGD-5-Granate, mehr als tausend Patronen verschiedener Kaliber, Betäubungsmittel, gefälschte ukrainische Pässe, ein Minilabor zum Meth-Kochen, nationalistische Literatur und ein Foto Adolf Hitlers. 

Die festgenommenen Männer geben auf Anhieb zu, einen Anschlag auf Solowjow geplant zu haben. Sein Auto sollte in die Luft gejagt werden. Mit einem Häftlingsanzug bekleidet, gesteht einer der Verschwörer, gleich den Mord an einem halben Dutzend weiterer Kreml-Propagandisten geplant zu haben. Von einem Terroristen, der so freimütig Geständnisse ablegt, können andere Geheimdienste dieser Welt nur träumen. Dem FSB fällt aber nicht nur ein äußerst gesprächiger Attentäter in die Hände, sondern auch einer, der bereits passend gekleidet ist. Eigentlich tragen nur diejenigen, die bereits von einem Gericht schuldig gesprochen worden sind, Haftkleidung. Aber da hat einer wohl vorgesorgt.

Meisterwerk der Propaganda 

Für solchen Feinheiten hat man beim FSB jedoch kein Auge. Und so entsteht ein neues Meisterwerk des Dilettantismus. Nazis aus dem Bilderbuch als angehende Attentäter: für mehr reicht die Fantasie der russischen Geheimdienstler nicht. Präsentiert wird ein Beweisfilm, der selbst die unsinnigste Netflix-Produktion um Längen schlägt. 

Und so ist in Russland ein neuer Wettbewerb entbrannt: Finde die meisten Fehler!

Patzer Nummer 1

Das grauenhafte Drehbuch offenbart sich schon beim ersten Klopfen. Buchstäblich. Die vorbildlichen Nazi-Terroristen müssen auf das Sturmkommando sehnsüchtig gewartet haben. Der FSB-Mann schafft es kaum seine donnernde Faust von der Tür wegzureißen, da machen die Möchtegern-Attentäter auch schon auf. Selbst für die Eingeweihten zu schnell. 

Patzer Nummer 2

Die Wohnungstür steht längst auf, erst dann erklingen die Rufe "Mach auf!". Muss wohl so im Drehbuch gestanden haben. Und der Text war gelernt. 

Patzer Nummer 3

Wer einen rechtsradikalen Anschlag plant, der braucht natürlich ein Foto von Hitler, Hakenkreuz-Shirts und verbotene Literatur in der Verschwörer-Höhle. Wie sollte der FSB sonst erkennen, was man im Schilde führt? 

Patzer Nummer 4

Ein Molotowcocktail in einer Plastikflasche wird kein Auto in die Luft jagen – auch nicht das von Solowjow. Das hat dem FSB offenbar niemand verraten. Molotowcocktails funktionieren nur in Glasflaschen, da sie beim Aufprall zerbrechen. 

Patzer Nummer 5

Wozu brauchen Attentäter mit russischer Staatsbürgerschaft, die im Auftrag der Ukraine handeln, gefälschte ukrainische Pässe und ein Seifenstück mit dem Wappen der Ukraine? Aus demselben Grund, warum Nazis ein Hitler-Foto brauchen. Und eine grüne langhaarige Perücke zur unauffälligen Tarnung. 

Patzer Nummer 6

Eine schlüssige Legende ist das A und O einer Operation. Der FSB verzichtet schlicht auf eine und lässt einen der gefangenen Attentäter erzählen, er sei bereits im Januar bei Treffen dabei gewesen, bei denen Angriffe auf Autos mit der "Symbolik zur Unterstützung der Sonderoperation" erörtert wurden. Nicht nur dass die sogenannte Sonderoperation erst am 24. Februar ihren Anfang genommen hat. Der Mann, der ein ultranationalistischer Terrorist im Auftrag der ukrainischen Regierung sein will, bedient sich des vom Kreml diktierten Vokabulars. Die Order, das Wort Krieg aus dem Wortschatz zu streichen, kriegen die FSB-Leute nicht aus ihren Köpfen raus. 

Patzer Nummer 7

Sims-Videospiele gehören neben Swastika und Hakenkreuzen neuerdings wohl zum Starterkit von Nazi-Terroristen. Drei Exemplare mischt der FSB unter die vielsagenden Beweismittel unter. An dieser Stelle läutet im Kopf nur eine einzige Frage: Wieso? 

Die wohl schlichte Lösung: Es sollten vielleicht Sim-Karten unter die Beweismittel gemischt werden. Doch die Anweisungen wurden missverstanden und so landeten stattdessen harmlose Videospiele auf dem Haufen der Beweise. Dem FSB kann das schon mal passieren.

Zumindest diese Peinlichkeit scheint den russischen Behörden einzuleuchten. In den offiziellen Videos wurden die Sims-Spiele inzwischen unkenntlich gemacht – zusammen mit den Hakenkreuzen.

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