Der russische Präsident Wladimir Putin befahl am Donnerstagmorgen einen Angriff "auf die militärische Infrastruktur der Ukraine". "Ich habe beschlossen, eine spezielle Militäroperation durchzuführen", verkündete er. Als Begründung führte der Kreml-Chef eine abstruse propagandistische Lüge an, die er ganz im Sinne seiner Rede von vergangenem Montag weiterspann: "Ziel ist es, Menschen zu schützen, die seit acht Jahren Schikanen und Völkermord durch das Kiewer Regime ausgesetzt sind", log er in einer Ansprache in der Nacht zu Donnerstag.
"Und dafür werden wir die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine anstreben und diejenigen vor Gericht zu stellen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen Zivilisten begangen haben, darunter Bürger der Russischen Föderation", verkündete Putin ganz so als sei er Stalin selbst, der den Sturm der Rote Armee auf Nazi-Deutschland befiehlt.
Die Entnazifizierung wurde einst von der Anti-Hitler-Koalition auf der Jalta-Konferenz 1945 beschlossen. Auf der Potsdamer Konferenz wurde sie zu einem der vier Hauptziele der alliierten Besatzungspolitik erklärt. Und nun setzt sich Putin dieses Ziel im Krieg gegen die Ukraine. Im Krieg gegen ein Land, das einer der Hauptkriegsschauplätze des Zweiten Weltkrieges war.
Wladimir Putin schürt Angst vor Vergeltung
Die Bewohner der Krim warnte Putin jetzt vor Vergeltung von "ukrainische Nationalisten", die ihnen "ihre Wahl und Wiedervereinigung mit Russland nicht verzeihen würden." "Um ihre eigenen Ziele zu erreichen, unterstützen die führenden Nato-Staaten in allem extreme Nationalisten und Neonazis, die ihrerseits den Bewohnern der Krim und Sewastopol niemals ihre freie Wahl der Wiedervereinigung mit Russland verzeihen werden", fabulierte der Kreml-Chef.
Doch egal wie man es dreht und wendet, und selbst wenn in Kiew wirklich noch Hitler an der Macht wäre: Die Wahl hatten die Krim-Bewohner nie. Das Referendum von 2014 war falsifiziert, da sind sich alle westlichen Beobachter und unabhängige Menschenrechtsorganisationen sicher.
Während er sich selbst erlaubt, einen Krieg zu beginnen, warnt er andere davor den Krieg nach Russland zu tragen. "Niemand sollte daran zweifeln, dass ein direkter Angriff auf unser Land zu einer Niederlage und schlimmen Folgen für jeden potenziellen Angreifer führen wird", versprach er den Russen.
Kurz nach der Putin angekündigten "Militäroperation" in der Ukraine sind in der Hauptstadt Kiew sowie in weiteren ukrainischen Städten Explosionen zu hören gewesen.
Putin bedient sich mal bei Stalin mal bei Hitler
In seiner Kriegsrhetorik begibt sich Putin auf die Spuren von Stalin. Man könnte meinen, der Terrorherrscher habe sich aus seinem Grab erhoben, um erneut gegen Hitler ins Feld zu ziehen. Wenn es ihm passt bedient sich Putin aber auch an den Methoden und Rhetorik des deutschen Diktators. "Das, was Putin über die Ukraine fabuliert, gleicht tatsächlich fast eins zu eins dem, was Hitler 1938 in Bezug auf die Tschechoslowakei erzählte", erklärte der Historiker Nikita Petrow im Gespräch mit dem stern.
"Ein Staat, dessen Existenz in ihrer aktuellen Form den Frieden in Europa bedrohe. Eine Volksminderheit, die bedroht und diskriminiert wird und die gegen ihren Willen in diesen Staat eingepfercht wird. Ein Führer, der nicht mehr auf das Elend und die Armut dieser Minderheit blicken kann. Man braucht nur das Wort Sudetendeutsche aus der Rede Hitlers durch Ukrainer zu ersetzen und schon hat man die Rede Putins vor sich", erklärt der Historiker die Parallelen in der Rhetorik.
Diese Methode sei universell. "Letztendlich ist die Rhetorik von Invasoren und Rächern immer dieselbe. Sie spricht dem Land der Begierde das Recht auf Existenz ab. Auf diese Weise rechtfertigt der Angreifer seine aggressiven Handlungen", so der Stalin-Experte.