Diese Plasberg-Sendung hatte etwas vom ollen Witz über den tobenden Wüterich, dem man vorschlägt, sich zu entspannen, und er brüllt mit hochrotem Kopf zurück: "ICH BIN ENTSPANNT!" Das Thema Chancengleichheit der Geschlechter fördert auch im frischen März 2015 ungefähr so viel eingefleischte Ideologie zutage wie sonst vielleicht das Thema Israel. Schon eine halbe Stunde vor Sendungsbeginn quoll das "Hart aber Fair"-Online-Gästebuch über mit 400 mal 1000 Zeichen Hass. Und natürlich wurde die angekündigte Diskussion wieder nur ein Schlagabtausch ohne jeden Wissensgewinn. Dank der Gästeauswahl wäre "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?" schon in Einzelteilen ein Selbstläufer gewesen: der bedächtige Grünen-Politiker Anton Hofreiter vs FDP-Macho Wolfgang Kubicki. Anne "Aufschrei" Wizorek vs Birgit "Mach' doch die Bluse zu" Kelle. Oder auch eine halbe Anne Wizorek gegen zwei Sophia "Ich zeig' mich gern im Playboy" Thomallas.
Die Gästeaufteilung war nämlich ein bisschen billig: Zwei Menschen (Wizorek und Hofreiter), die Interesse an Gedanken und Worten haben, die auch mal "Da muss ich Ihnen zustimmen" über die Lippen bringen, und drei Krachmacher, die das wiederholen, was sie immer sagen. Kelle hat sich dafür nicht mal neue Sätze zurechtgelegt, Kubicki schien zuweilen seiner eigenen Sprüche müde, und Thomalla fand sich am besten, wenn sie saftig "Schwachsinn" in Richtung Wizorek rufen konnte. Zuerst dachte man, die modelnde Schauspielerin sei als Kubicki-Groupie da ("Er ist ja ganz der Mann, auf den ich stehe"), aber dann wurde deutlich, dass sie so moderne Thesen zu vertreten hatte wie: "Wer als Frau immer wettert, hat noch nie ein Kompliment bekommen". Und sie wurde übrigens noch nie von einem Mann auf ihr Aussehen reduziert.
"Luxusdebatten"
Die restliche Fallhöhe hat die Sendungsleitung eigenhändig mit zynischen Einspielern abgesägt. Hier war wirklich niemand am eigentlichen Thema, sondern nur an möglichst abstrusen Beispielen interessiert: Unisexklos in Behörden, das Verbot, mit röhrenden Hirschen für einen Wildpark zu werben, Ampelfrauchen, die Änderung von Studentenwerk in Studierendenwerk in NRW. Und was das alles kostet! Ihr Einsatz Birgit Kelle: "Das sind Luxusdebatten".
Natürlich sorgten tiefer gehende Erklärungen über die Zusammenhänge von Sprache und Denken in dieser Runde nur für verächtliche Lacher. Sie hätten sich noch nie von der Sprache diskriminiert gefühlt, versicherten sich Thomalla und Kelle gegenseitig. Das ließ Wizorek und Hofreiter kurz sprachlos. Das einzige, was man den Beiden vorwerfen kann, ist, sich bei diesem Thema überhaupt in solch eine Sendung zu setzen. Andererseits sollte man das Feld auf gar keinen Fall den Kelles und Thomallas überlassen. Was für ein Dilemma!
"Frauen brauchen keine Vorbilder"
Frauen brauchen gar keine Vorbilder, sagt Kelle. Merkel habe es schließlich auch ohne zur Kanzlerin geschafft. Und in der Wirtschaft sind übrigens nur 4,4 Prozent Frauen in Vorständen zu finden, "weil sie nicht die richtige Ausbildung gemacht haben", sagt Kubicki. Plötzlich ist auch die Pay-Gap kein Problem mehr. In der Welt von Kubicki, Thomalla und Kelle sollten alle Frauen leben.
Aber auch die ist bedroht: Sie mache sich Sorgen um die Zukunft ihrer zwei Jungs, sagt Kelle gegen Ende. Denn es werde sich nur noch um die Mädchen gekümmert. Dabei könnten Jungs so schnell abrutschen. Gewalt, Drogen und schiefe Bahn. "Eben auch deshalb gibt es Gender Studies", sagt Hofreiter. Aber Kelle hört ihn nicht.
Der kurze Blick in die Zuschauerreaktionen ist das Abbild des Ego-Gepöbels im Studio. Dann geht es auch schon um die Beine der FDP-Politikerin Katja Suding, und als nächstes um Frauen, die keine Komplimente mehr verstehen. "Wie wollen wir die Welt regieren, wenn wir es abends an der Bar nicht allein schaffen?", fragt Kelle. Aber jetzt hat wirklich niemand mehr Lust zu antworten.