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"Hart aber fair"-Kritik Alles so schön giftig hier

Neuer Anlauf in der Gender-Debatte bei "Hart aber Fair", nachdem der erste Versuch so gründlich daneben gegangen war: Für (Ver-)Stimmung in der Männerversteher-Runde sorgte vor allem eine streitbare Frauenrechtlerin.
Von Mark Stöhr

Ein "Fernsehexperiment" sollte es werden. Drunter macht es einer wie Frank Plasberg ja nicht. Eine Sendung von März, die dem WDR um die Ohren flog, die dann auch noch für eine Zeit aus der WDR-Mediathek flog, was den Schlamassel für den Sender komplett machte, wurde wiederholt. Gleiches Thema, gleiche Besetzung. Mit einer Ausnahme: Sybille Mattfeldt-Kloth ergänzte die Runde. Allein ihr Name klingt schon wie zweimal nachladen. Eine Frau wie ein messerscharfer Geistesblitz. Man möchte einen Impfstoff nach ihr benennen: das Mattfeldt-Kloth-Serum. Es bewirkt, dass breitbeinigen Eierschauklern wie Wolfgang Kubicki schlagartig das joviale Grinsen aus dem Gesicht fällt.

Wäre Sybille Mattfeldt-Kloth bei der ersten Sendung im März dabei gewesen, hätte sich die Wiederholung erübrigt, so viel steht fest. Mattfeldt-Kloth hätte die fröhliche Stammtischrunde damals auf links gedreht. Doch stattdessen wurde gefeixt über Gender und Gleichberechtigung, über "diesen Alltagswahnsinn" (Plasberg) von weiblichen Ampelfiguren, Unisex-Toiletten und Sprachschöpfungen wie "Studierendenwerk" statt "Studentenwerk".

Mann und Memme

Kubicki wuschelte dem Grünen Anton Hofreiter verbal durch die blonde Mähne ("Sie sehen schon so gendermäßig aus"). Sophia Thomalla sah an sich hinunter und befand: "Ich habe zwei Brüste und ich zeige sie auch mal ganz gerne." Und die Mütterrechtlerin Birgit Kelle beklagte, dass es nur noch Mädchenförderung gäbe und Jungs deswegen drogenabhängig würden. Die sachlich vorgetragenen Argumente von Hofreiter und der Autorin Anne Wizorek, dass es bei Gender nicht um die Gleichheit der Geschlechter, sondern um gleiche Chancen geht, drangen nicht durch. Plasberg zeigte lieber ein Foto von Kubicki auf einer Yacht und erwähnte im nächsten Satz, dass Hofreiter in seiner Freizeit Pralinen backe. Mann und Memme., schon klar. Dafür gab’s auf die Fresse. Völlig zu Recht.

In der großen Rehabilitierungsshow musste erst einmal der WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn ran. Er gab sich zerknirscht. Das Löschen der Sendung aus der WDR-Mediathek sei ein Fehler gewesen. Als Zensur wollte er das aber keinesfalls verstanden wissen. Genau das sei es aber gewesen, kreischte Birgit Kelle gleich, die so eine Art Eva Herman für die noch nicht ganz Verrückten ist, und brachte - nur knapp over the top - George Orwell und die "Löschung des kollektiven Gedächtnisses" ins Spiel. Natürlich vermutete sie hinter der "Aktion Löschtaste" ("Die Zeit") den Frauenrat, für Verfechterinnen der Herdprämie wie sie der Vorhof zur Hölle. Schönenborn bestritt das. Im August hätte kaum noch jemand den Beitrag geguckt, daraufhin habe man sich entschlossen, ihn zu entfernen. Reine Redaktionsroutine.

Gleichheit mehr als weibliche Ampelfiguren

Großes Naja. Wahrscheinlicher ist, dass man beim WDR das Sommerloch nutzen wollte, um klammheimlich das senderintern hochumstrittene Stück darin verschwinden zu lassen, was ziemlich nach hinten losging. Aber egal. Kommen wir zu Sybille Mattfeldt-Kloth, der Juristin und stellvertretenden Vorsitzenden des Landesfrauenrats Niedersachsen.

Sie startete ihre Sendungskritik mit einer allgemeinen Analyse: "Wenn Gender auf Ampelmännchen und derlei marginale Dinge reduziert wird, lässt das den Schluss zu, dass die Hauptsache nicht im Blick behalten wird." Zum Beispiel, dass Männer und Frauen nicht gleich viel verdienen. Oder dass klassische Frauenberufe wie Erzieherin oder Krankenschwester nicht ausreichend wertgeschätzt und entlohnt werden.

Dann knöpfte sich Mattfeldt-Kloth mit ihrer schnarrenden Stimme Sophia Thomalla vor: Bei ihr habe man sich schon gefragt, wo der "Mehrwert für den Informationsgehalt" gelegen habe. Das hieß nichts anderes als: Was hatte die Alte in der Runde zu suchen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat? Thomalla war schwer bei der Ehre gepackt und legte sich so richtig ins Zeug, um zu beweisen, dass ihre Kernkompetenz nicht nur in Kosmetik liegt. Das klappte ganz gut. Zum Thema Frauenquote fiel ihr ein: "Wir haben eine Frau an der Spitze der Politik, deswegen bin ich der Meinung, dass wir keine Quote brauchen."

Weil Sybille Mattfeldt-Kloth so cool war, wurde Birgit Kelle immer schriller. Sie kam in eine regelrechte Pegida-Stimmung, sprach mehrmals abschätzig von "irgendwelchen Minderheiten" und schloss ihre Überlegungen mit der wirren These: "Je mehr Lehrstühle es gibt, umso mehr gekränkte Minderheiten produzieren wir." Soll sich seine transsexuelle Person, heißt das wohl, doch einfach entscheiden, ob sie Mann oder Frau ist, dann gehört sie automatisch zur Mehrheit und die Unisex-Toiletten-Debatte hat sich auch gleich miterledigt. Wie ignorant und intolerant kann man sein?

"Frauen diskriminieren sich selbst"

Zwischendurch erwachte auch Kubicki immer mal aus seinen Chauvi-Tagträumereien, wahrscheinlich geisterte ihm immer noch die Charmeoffensive von Thomalla aus der ersten Sendung im Kopf herum ("Er ist ja ganz der Mann, auf den ich stehe"). Der FDP-Mann findet: Frauen müssen nur gut genug sein, dann schaffen sie es auch nach oben. Wortwörtlich sagte er: "Frauen diskriminieren sich selbst." Offenbar diskreditiert er sich stattdessen lieber selbst.

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