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Kritik zur Apple-Serie "Servant" Horror entfaltet sich am besten in kleinen Dosen

Servant — Official Trailer
"Servant" ist eine der Serien, mit denen Apple Zuschauer für seinen eigenen Streamingdienste begeistern will. Dahinter steckt der Macher von "The Sixth Sense". Es ist ein Ritt durch die Albträume einer Familie. Eine spoilerfreie Kritik.

Sein Name steht wie kaum ein anderer für spannende Thriller mit überraschenden Wendungen: M. Night Shyamalan. Mit Filmen wie "The Sixth Sense" und der Serie "Wayward Pines" erlangte der US-amerikanische Regisseur weltweiten Kultstatus. Zugleich war er mehrfach in seiner Karriere für die Goldene Himbeere, quasi den Anti-Oscar, nominiert. Hit oder Flop - das filmische Schaffen von Shyamalan scheint von Extremen durchzogen.

Umso gespannter waren daher viele Serien-Fans und -Kritiker auf die Psychothriller-Serie "Servant", die Apple sich exklusiv für seinen neuen Streamingdienst Apple TV+ sicherte. Shyamalan ist als Executive Producer für die gesamte Serie verantwortlich, bei zwei Episoden hat er zusätzlich Regie geführt. Idee und Drehbuch stammen vom britischen Fernsehjournalisten und Autor Tony Basgallop (bekannt durch die Mini-Serie "Inside Men").

Diese Woche wurde die zehnte und damit letzte Episode der ersten "Servant"-Staffel veröffentlicht. Wer die Serie noch nicht gesehen hat, kann sie nun also am Stück durchbingen.

Vom Regen in die Dunkelheit

Die Serie beginnt, wie man es von einem Psychothriller erwartet: nachts im strömenden Regen. Eine junge Frau steigt aus einem Taxi und geht zur Türschwelle eines imposanten Stadthauses, das sich in einer ruhigen Seitenstraße Philadelphias befindet. Sie klingelt und wird freundlich von einem Ehepaar hereingeben. Sie betritt das Haus - von diesem Zeitpunkt an ist das Leben aller Beteiligten nicht mehr, wie es einmal war.

"Servant" erzählt die Geschichte von Dorothy (Lauren Ambrose) und Sean Turner (Toby Kebbell), einem Ehepaar aus der wohlhabenden Upperclass. Beide sind gebildet und erfolgreich - sie eine bekannte TV-Reporterin, er ein gefeierter Koch, der im Home Office arbeitet. Die junge Frau, die aus dem Taxi steigt und in das Leben der Turners tritt, ist Leanne (Nell Tiger Free). Sie wurde als Nanny angeheuert, um sich um den neugeborenen Sohn Jericho zu kümmern.

Doch schnell spürt man, das mit dieser perfekt wirkenden Familie irgendetwas nicht stimmt. Ein Unbehagen liegt ab dem Moment in der Luft, in dem Leanne durch die Tür schreitet. Umso größer dann der Schock, als der Vater das Baby an den Beinen voran aus dem Bettchen reißt und dessen Kopf gegen das Gitter knallen lässt. Und Sean dabei nicht einmal mit der Wimper zuckt.

Denn das Baby - dies sei an dieser Stelle bereits verraten, schließlich wird es bereits im Trailer ersichtlich - ist nur eine lebensecht wirkende Puppe.

Servant — Official Trailer

Es passiert nicht viel - und das ist gut so

Nur: Warum holt man ein Kindermädchen für eine Puppe? Und warum behandelt Leanne die Puppe wie einen echten Menschen? Was ist in dieser Familie vorgefallen? Diese Fragen spannen sich über die zehn Episoden, die jeweils rund eine halbe Stunde dauern. Das allein ist wunderbar, schließlich werden die Mediatheken mit 60-Minütern förmlich überschwemmt, sodass ein kurzes Format eine willkommene Abwechslung ist.

30 Minuten Sendezeit bedeuten auch: Es passiert nicht viel, und das ist zweifellos ein Vorteil, denn Horror entfaltet sich am besten in kleinen Dosen. Zum Cast zählen nur eine Handvoll Figuren, und beinahe die gesamte Handlung findet in dem Haus statt. Es gibt den überbordenden Weinkeller, in dem sich Sean regelmäßig mit Dorothys Bruder (famos gespielt von Rupert Grint) verschwört. Das Eltern-Schlafzimmer, in dem man keine Wärme mehr spürt. Das Wohnzimmer, in dem eigentlich nur der Fernseher läuft. Alle Räume sind spärlich ausgeleuchtet. Es ist der Minimalismus, der "Servant" zu einem atmosphärisch dichten Kammerspiel macht.

Dreh- und Angelpunkt der Serie ist die Küche: Nur hier scheint der abgebrüht wirkende Sean aufzublühen, wenn er beinahe sinnlich einen Aal auf ein Brett spannt und ihm anschließend die Haut abzieht. Für seine Foto-Shootings reißt er Tieren die Gebeine aus oder seziert sie mit scharfen Klingen. Die Kamera hält die ganze Zeit drauf, und das Ergebnis ist so ästhetisch, dass man sich eher in einer Episode von "Chef's Table" wähnt als in einer abgründigen Thriller-Serie.

Überhaupt, die Kamera: Immer wieder wird mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer gebrochen, indem die Charaktere frontal und direkt in die Kamera sprechen. Dadurch entsteht eine unangenehme Intimität - so nah möchte man nun doch nicht an diese Menschen herantreten, die zweifellos etwas zu verbergen haben.

Schüchtern und mit durchdringendem Blick huscht Kindermädchen Leanne durch die schummrigen Gänge der Stadtvilla
Schüchtern und mit durchdringendem Blick huscht Kindermädchen Leanne durch die schummrigen Gänge der Stadtvilla
© Apple / PR

In Nahaufnahmen werden auch all die Apple-Gerätschaften gezeigt, mit denen die Turners mit der Außenwelt kommunizieren. Dass alle Protagonisten ein iPhone aktueller Bauart besitzen, darüber kann man noch hinwegsehen, das ist in den USA durchaus nicht ungewöhnlich. Doch Apple hätte nicht noch ständig das iPad Pro oder den HomePod, der auffällig unauffällig neben dem Fernseher thront, ins Bild rücken müssen. Dass die Serie von Apple stammt, sieht man schließlich bei jeder Episode im Vorspann.

Fazit: Das gruseligste Kindermädchen seit Langem

"Servant" zeigt, warum Serien für manche Stoffe besser geeignet sind als Filme. In 90 bis 120 Minuten wirken Twists mitunter aufgesetzt und die Handlungsweisen von Figuren unglaubwürdig. Fünf Stunden dagegen sind genug Zeit, um Charaktere zu entwickeln und ihre Beweggründe zu erläutern.

Die Serie beginnt mysteriös, wird im Laufe der zehn Episoden aber immer emotionaler, je mehr man das Grauen versteht. Vor allem die schauspielerische Leistung von Nell Tiger Free begeistert. Die Jung-Darstellerin, die viele als Myrcella Baratheon aus "Game of Thrones" kennen dürften, sorgt als stilles Kindermädchen für aufgestellte Nackenhaar. Devot huscht sie durch die Gänge, schüchtern streicht sie sich die Haare zurück - und doch ahnt man, dass mehr in dem Kindermädchen steckt, als es den Anschein hat. Oder ist sie das Opfer in der Geschichte? Was real ist und was nicht, lässt sich bis zum Schluss nicht beantworten.

Eine zweite Staffel ist bereits bestätigt. Wann sie kommt, ist noch unklar, vor 2021 dürfte sie aber nicht zu sehen sein. Ob die Handlung über eine weitere volle Staffel trägt, wird sich zeigen. In Interviews hat Shyamalan gesagt, dass es etwa fünf bis sechs Staffeln dauern wird, die Geschichte von "Servant" zu erzählen. Das scheint, mit Verlaub, übertrieben.

Servant ist exklusiv auf dem Streamingdienst Apple TV+ verfügbar.

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