Anzeige
Anzeige

Moderatorencheck Die Kultmoderatorin verpatzt die Pointe

Tita von Hardenberg bekommt ihr drittes Kind, und deswegen wurde "Polylux" gestern zum ersten Mal von der 24-Jährigen Katrin Bauerfeind moderiert, die als erster deutscher Internet-Star mit dem Internetfernsehen Ehrensenf bekannt wurde.
Von Michael Rossié

Harald Schmidt findet sie gut, und nach den vielen Zeitungsberichten könnte man glauben, dass im Moment für alle neuen Formate irgendwann mal Katrin Bauernfeind im Spiel war. Jetzt ist sie bei "Polylux". Ist das nun ein Aufstieg? Was die Zuschaueranzahl angeht sicher. Während im Internet circa 30.000 Menschen zusahen, so werden es bei "Polylux" weit über 500.000 gewesen sein. War es aber ein Gewinn für die Sendung?

Langweiliges Ablesen von Moderationstexten

Das war gestern die Überraschung. Wenn man nicht gewusst hätte, dass Frau Bauerfeind eine große Fangemeinde hatte, weil sie so gut ist, hätte man angenommen, dass da gerade eine attraktive neue Moderatorin angelernt wird, die sich in nichts von ihren vielen Kolleginnen deutscher Fernsehmagazine unterscheidet. Die Haare festgeföhnt, nett geschminkt, hübsch und freundlich steht sie im Studio.

Sie drapierte ihr Spielbein bei heraus geschobener Hüfte nicht so dekorativ wie Frau von Hardenberg, aber ansonsten war das ein langweiliges Ablesen von mehr oder weniger frechen Moderationstexten ("Früher musste man sich ins Knie schießen, um ausgemustert zu werden."). Eine wirkliche Innovation fand nicht statt.

Zur Person:

Michael Rossié arbeitet seit 20 Jahren als Sprechtrainer und Coach im Auftrag verschiedener Radio- und Fernsehsender. Er bildet Schauspieler für die Arbeit mit der Kamera aus, schult Moderatoren und Sprecher, coacht Prominente für Fernsehauftritte und berät Musikgruppen für die Moderationsanteile bei ihren Live-Auftritten.

Daneben ist er Autor der Bücher "Sprechertraining" (2000) und "Frei sprechen" (2004), beide in der Reihe "Journalistische Praxis" des List-Verlages erschienen, sowie des Buches "Schwierige Gespräche - live" (2005) im Haufe Verlag.

Hört her, das soll witzig sein!

Es mag ganz witzig sein, wenn Frau Bauerfeind erleichtert ist, dass Eva Herman nicht über die RAF sinniert hat, weil die ja in der Führungsebene eine Frauenquote von 50 Prozent hatten. Aber wenn sie das vorliest und dabei jedes Wort betont, geht dem Witz die Luft aus. Pointen sollten leicht und nebenbei daherkommen. Und genau das tun sie nicht. Im Gegenteil, die Botschaft heißt: Hört her, das soll witzig sein.

Sie nickt im Rhythmus der Sätze, die Augenbrauen tanzen und vor allem, wenn es wichtig wird ("Jede Minute" - "brandheiß" – "fragwürdig") kneift sie die Augen leicht zusammen. Als Steigerung wird noch gezwinkert. Dabei plätschern die Sätze auf einem Ton mit den immer gleichen kurzen Pausen dahin. Das kennen wir zum Überfluss, das machen fast alle anderen auch, und man hat als Zuschauer ein bisschen das Gefühl, unterfordert zu werden. Dabei stört ja nicht das Zwinkern oder der wichtige Tonfall. Es stört, dass es geübt und gelernt wurde und so gar nicht echt aussieht. Sogar die Pause mitten im Satz hat sie von den anderen abgeguckt. "Über das Chaos - bei der Bundeswehr!" Irgendwann verabschieden sich die Fans solcher Magazine im Büro mit "Ich geh jetzt - nach Hause!"

Dabei sind die Sätze manchmal sehr gequält. Wenn Sie verspricht, für Tita von Hardenberg nicht nur die Stellung, sondern auch die Daumen zu halten, dann weiß ich nicht, was "Daumen halten" bedeutet. Warum sollte man einer Schwangeren die Daumen halten? Wohin halte ich die? Oder meint sie "Daumen drücken". Aber dann wäre ja das Wortspiel dahin gewesen. Oder sie hätten die Stellung drücken müssen, und das geht nur mit der Schulbank.

Fürs erste Mal ganz in Ordnung

Von ihrem Autor bei Ehrensenf hat sie wohl noch nicht alles gelernt. Ihre Texte sind fürs Lesen geschrieben, aber nicht fürs Sprechen. Manchmal haben drei Sätze hintereinander genau die gleiche Länge und "klappern". Manchmal kommen sogar zwei Einschübe in einem einzigen Satz vor ("Dann weckt das - selbst bei mir - und das will was heißen – Mutterinstinkte"). Kommas werden gelesen und eine zweite Ebene gibt es nicht.

Vielleicht liegt es aber auch am Studio, vielleicht aber auch am Redakteur, der das genau so will.

In den letzten beiden Sätzen vor der Ankündigung der nächsten Sendung, als sie sich verabschiedet, da redet sie zum ersten Mal ganz so wie Menschen reden, die nicht beim Fernsehen arbeiten. "Jo, ham wer das auch geschafft. Also, ich fand's ganz gut fürs erste Mal" Dann folgt wieder eine gesungene Vorschau auf die nächste Sendung.

Sie hat zwar inzwischen schon für andere Sender moderiert, aber sie hat recht: Fürs erste Mal war es ganz in Ordnung. "Machen Sie es gut - oder besser!" ist ihr letzter Satz. Also ehrlich gesagt, ich bin für besser! Überprüfen Sie es nächsten Donnertag in der ARD, in der halben Stunde vor Mitternacht.

Mehr zum Thema

Newsticker