Die Queen auf allen Kanälen. Am Montag gab's in etlichen Fernsehsendern nur ein Programm: die Trauerfeier für und Beisetzung von Königin Elizabeth II., ein weltweites Medienereignis. Neben privaten Anbietern wie RTL und Sat.1 berichteten selbstverständlich auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten live aus London – auf gleich vier Kanälen. Das Erste, das ZDF, Tagesschau24 und Phoenix übertrugen die Feierlichkeiten stundenlang parallel, dazu gab es etliche Sondersendungen sowie die regulären Nachrichtenformate.
In den sozialen Netzwerken äußerten Nutzerinnen und Nutzer ihr Unverständnis über diese Entscheidung der Verantwortlichen – und zwar nicht nur Menschen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk generell kritisch gegenüberstehen.
Sogar Jan Böhmermann kritisierte ARD und ZDF
So schrieb etwa ZDF-Moderator Jan Böhmermann süffisant: "ARD und ZDF senden heute beide die Beerdigung der Königin, damit sich keiner beiden Sender von der Döpfner-Presse vorwerfen lassen kann, die Queen nicht genug geliebt zu haben."
Die letzte Ruhestätte der Queen: Bilder von der Zeremonie in Windsor

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte die Mehrfach-Übertragungen. "Dass ARD, ZDF und Phoenix live und parallel vom Begräbnis der Queen aus London senden und mit jeweils eigenem Personal in London sind, belegt anschaulich, dass es erhebliches Einsparpotenzial gibt", sagte der FDP-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er forderte daher einmal mehr die Deckelung des Rundfunkbeitrages als Anreiz für die Öffentlich-Rechtlichen, "sich zu verschlanken und sich auf ihren Kernauftrag zu konzentrieren".
Allerdings nimmt es Lindner bei seiner Kritik nicht allzu genau. Der Sender Phoenix hatte keine eigenen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nach London geschickt. Denn: Durch die Übertragung sei "kein personeller oder finanzieller Mehraufwand entstanden", erklärte ein Sprecher dem stern. Es sei die ARD-Berichterstattung aus London übernommen und von einem Experten im Bonner Studio eingeordnet worden. "Die Übertragung solcher Ereignisse von weltweitem Interesse gehören zum originären Programmauftrag von Phoenix."
Öffentlich-rechtlicher Auftrag – was ist das eigentlich?
Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio ist durch die 16 Landesparlamente im Medienstaatsvertrag festgelegt worden. In Paragraph 26 heißt es unter anderem:
"Der Auftrag (...) ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. (Sie) haben (...) einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen."
"Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten arbeiten zur Erfüllung ihres Auftrages zusammen (...)"
Der Aufwand, den die Anstalten für die Übertragung des Ereignisses betrieben, mutet dennoch groß an: Das ZDF teilte dem stern mit, dass neben dem ohnehin in London ansässigen Team "acht bis zehn" weitere redaktionelle Mitarbeitende an verschiedenen Orten zum Einsatz gekommen seien, außerdem weitere 20 bis 30 Personen aus Produktion und Technik sowie Kameraleute und Ortskräfte.
Dutzende Mitarbeitende zur Queen-Trauerfeier gereist
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR), der für die ARD die Federführung bei den Feierlichkeiten übernommen hat, nannte die Zahl von insgesamt 29 Personen, die für die Übertragung aus London und die vorhergehende Berichterstattung über die zehntägige Trauerphase "abwechselnd und zeitversetzt" im Einsatz gewesen seien, davon 19 aus dem dortigen ARD-Studio. Produziert worden seien die Sondersendungen in Hamburg. Der NDR wies darauf hin, dass er nicht nur die Fernsehberichterstattung von den Trauerfeierlichkeiten verantwortet habe, sondern auch jene der ARD-Radiosender.
Welche Kosten für NDR und ZDF durch die Übertragung der Queen-Trauerfeier entstanden, teilten beide Anstalten auf Anfrage nicht mit. Klar ist aber bei aller Kritik: Auch das reguläre Programm aus Nachrichten, Serien, Dokus oder Shows hätte Geld und Personal benötigt. Der NDR sprach daher angesichts des Umfangs der Berichterstattung über den Tod und die Beisetzung der Queen von einem "vergleichsweise niedrigen Personalaufwand".
Eigentlich haben die beiden Öffentlich-Rechtlichen schon vor Jahren vereinbart, Royal-Ereignisse im Wechsel zu übertragen, gerade mit Blick auf den sorgsamen Umgang mit dem Geld der Beitragszahlerinnen und -zahler. Warum gab es dann dieses Mal die Queen auf gleich vier Kanälen?
ARD und ZDF seien sich einig gewesen, "dass der Tod von Queen Elizabeth II. ein Ereignis von so überragender journalistischer und zeithistorischer Bedeutung ist, dass in diesem einen Sonderfall eine Parallelübertragung stattfinden kann und sollte", antwortete Bernhard Möllmann aus der ARD-Programmdirektion dem stern. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des ZDF: "Der Tod von Queen Elizabeth II. ist ein Ereignis von öffentlicher, auch historischer und politischer Bedeutung. Aus diesem Grund wird überall dort darüber berichtet, wo ARD und ZDF tagesaktuelle Informationen anbieten." Die Anstalten wollen nach ZDF-Angaben jetzt zur abwechselnden Berichterstattung zurückkehren.
Zumindest die Einschaltquoten zeigen, dass ein großes Interesse an den Feierlichkeiten bestand. Allein ARD und ZDF kamen mit ihren Liveübertragungen zusammen auf mehr als 50 Prozent Marktanteil und durchschnittlich mehr als 5,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Auch die abendlichen Sondersendungen waren sehr gefragt.
Die Aufregung über die Parallelübertragung kommt für ARD und ZDF zur Unzeit, sind die Anstalten doch unter anderem durch die Causa Patricia Schlesinger in Verdacht geraten, die Einnahmen aus dem Rundfunkgebühren zu verschwenden. Jeder Haushalt muss monatlich 18,36 Euro an den Rundfunkservice zahlen. ARD, ZDF und Deutschlandradio generieren damit rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr. Davon produzieren und unterhalten sie unter anderem rund 20 Fernsehsender und 80 Radioprogramme, etliche Podcasts und Internetangebote, Mediatheken sowie Bigbands, Chöre und Orchester.
Anmerkung der Redaktion: Der stern ist eine Marke von RTL Deutschland.
Quellen: Norddeutscher Rundfunk, ZDF, Jan Böhmermann bei Twitter, "Neue Osnabrücker Zeitung"