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"Menschen Bilder Emotionen" "Einen Shitstorm sollten wir hinkriegen" – so schlugen sich Gottschalk und Guttenberg im RTL-Jahresrückblick

Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg
Prakti und Pensionär: Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas Gottschalk moderierten den RTL-Jahresrückblick
© Andreas Rentz / Getty Images
Ein Fall für TGKT: Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg moderieren den RTL-Rückblick. Der Prakti und der Pensionär – das passende Duo für ein Katastrophenjahr.

"Hat Spaß gemacht", sagt Karl-Theodor zu Guttenberg am Ende der Sendung, so gegen 23.32 Uhr, nach bald 200 Minuten "Menschen, Bildern, Emotionen". Die Iranerin Sanaz Safaie hat in diesen mehr als drei Stunden davon erzählt, wie sie vergewaltigt wurde, vor vier Jahren nach Deutschland kam und heute mitansehen muss, wie westliche Politiker zwischen Atomabkommen und Energiekrise lavieren.

Vitali Klitschko wurde live aus Kiew zugeschaltet und berichtete davon, wie die Lage vor Ort ist, ohne Heizung, ohne Strom, den harschen Winter im Anzug. Die Journalisten Paul Ronzheimer und Kavita Shahrma erinnerten an ihre lebensgefährlichen Einsätze im Kriegsgebiet. Olga Okara aus Mariupol erzählte unter Tränen davon, wie sie ihren toten Vater in einem Video entdeckte, ihre sterbende Mutter in einem TV-Beitrag über ein Krankenhaus in einem Bett liegen sah.

"Hat Spaß gemacht". Nun denn.

Fast 365 Tage 2022 sind vorbei, selten war in den Jahren zuvor der Rückblick wohl so prallgefüllt mit Tragik, Tod und Tränen. Umso mehr hätte man einen wie Günter Jauch gebraucht. Nicht auszudenken, wie oft der Mann auf der heimischen Fernsehcouch hin- und hergerutscht sein mag, die Hände über dem Kopf zusammenschlug, den ratlosen Blick gen Zimmerdecke gerichtet, ungefähr so, wie in diesen Momenten, wenn der WWM-Kandidat auch den x-ten Hinweis bei der 500-Euro-Frage geflissentlich ignoriert.

Hier und da einen Telefonjoker für Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg

So etwas wie einen Telefonjoker hätten TG und KT auch da und dort benötigt, dabei fing es noch einigermaßen solide an. Ein Verdienst vor allem von Wotan Wilke Möhring und Antonia Riët, die ihren gemeinsamen Film "Weil wir Champions sind" noch einmal vorstellten. Möhring, ein sachlich-emotionaler PR-Mann für die gute Sache, Riët, eine supersympathische, junge Frau, von der man gern ein bisschen mehr gehört hätte.

Weniger hätte man gern von Gottschalk im Talk mit der kleinen Amelia gehört, deren Lied aus dem Film "Frozen", von ihr in einem Kiewer Luftschutzbunker gesungen, im Frühjahr viral ging. "Wolltest du berühmt werden, als du im Bunker gesungen hast?", wollte TG allen Ernstes von ihr wissen, ob sie es für den Fame getan habe. Der langen Leitung der kleinen Amelia nach hatte wohl jemand in der Synchro-Dolmetsch-Abteilung ein Einsehen und den Ton abgeschaltet. Auch Gottschalks Versuche, sich bei der Achtjährigen "einzuschleimen", gingen ‚lost in Translation‘. Herzergreifend schließlich die Freude des Mädchens, die kurz nach ihrem Bunker-Aufenthalt mit ihrer Oma und ihrem Bruder Misha nach Polen fliehen konnte, angesichts der von Gottschalk überreichten Geschenke – ein wirklich emotionaler Moment.

Ein Talk wie aus der Zwischenwelt schließlich jener von Karl-Theodor zu Guttenberg mit Finanzminister Christian Lindner, der qua Selbstbezichtigung "Milliarden Mal über den eigenen Schatten gesprungen ist, um keine Schulden zu machen". Die Antworten des "Menschen Lindners", und nicht des Politikers, so hatte es KT sich gewünscht. Eine der Fragen, auf deren Antwort das Volk angesichts von kalten Heizungen und Gefrierbrand vorm Fernseher sicher am ungeduldigsten wartet: Wird man sich im nächsten Jahr noch Ferraris leisten können?

An Lindners Hochzeitsort, auf Sylt, wird man die Frage wohl ähnlich beantworten, wie in Dortmund, wo Chico im September zum 10-fachen Millionär wurde, und sich erst einmal einen gönnte, einen Ferrari nämlich, allein schon, um es all den Neidern zu zeigen. Er hätte es nach einem Leben voller Fehltritte seinen Kritikern zeigen wollen, dass er doch zu etwas nutze ist und was er drauf habe, so gestand er es Gottschalk, mit dem er gemeinsam auf der Motorhaube eben jenes Gefährts fläzte. Keine der Millionen hätte dagegen seine Traumfrau, die noch Minuten zuvor im Spot angekündigte Sarah Connor, in die Sendung gebracht. Frau Connor tat das, was man so tut, wenn einem kurz vor dem großen Tag aufgeht, dass das vielleicht doch alles ein bisschen viel wird: sich einen gelben Schein besorgen. Grippe! Gute Besserung von hier aus.

Gottschalk sah es beim Live-Telefonat mit der Sängerin durch die eigene Empathiebrille: "Es war ein Scheiß-Jahr, aber es gibt auch gute Nachrichten: Sarah Connor hat abgesagt", so habe er es dem Team mitgeteilt. Auch da nochmal: Gute Besserung!

Im letzten Drittel schließlich, nach mutmachenden Geschichten von Paula Rüpcke, die Tobias Hilsmann mit seiner Knochenmarkspende gerettet hatte, und Flugbegleiter Alex Böhmer, der sich nach einer Knochenkrebs-Erkrankung mit viel Mumm ins Leben zurückkämpfte, noch einmal Politik mit Sahra Wagenknecht, die von den Klimaklebern verlangte, die "Gesellschaft nicht in Geiselhaft zu nehmen mit ihren Methoden". Fast schon rührend, wie angesichts der "Bilder des Jahres", in denen sich diesmal Hurrikane und Waldbrände, Hitzeschlachten und Tornados abwechselten, immer noch über die Protest-Methodik gemöppert, statt Inhaltliches angepackt wird.

Fußballersprüche aus dem Pleistozän

Fußball fand auch statt, da wurden die Vize-Europameisterinnen Alexandra Popp und Lena Oberdorf erst ausführlich über die männlichen Kicker-Kollegen befragt, um sich anschließend von KT Fußballersprüche aus dem Pleistozän anzuhören. Und dann wehte auch noch "Wetten, dass…?"-Wind durchs Studio, als Westernhagen "Zeitgeist", seine Comeback-Single aus diesem Jahr, zum Besten gab. "Bescheißen wird als clever angesehen", so hatte der ewige Marius es in seinem kurzen Monolog zum Zustand der Nation ausgedrückt. Angesichts der Tatsache, dass er diese Worte in einer Sendung äußert, die ausgerechnet von Karl-Theodor zu Guttenberg moderiert wird, möchte man selbigen denn beinah doch noch zitieren: Das, lieber Marius, hat Spaß gemacht.

"Einen Shitstorm sollten wir hinkriegen", so hatten es die beiden Moderatoren, der eine Status Rookie, der andere mental im Vorruhestand, zu Beginn der Sendung gesagt. Angesichts von Stichwortkarten-Gewedel und deplatziertem Grinsen, langer Leitung und Wortabschneiderei dürfte es wohl nur zu einem warmen Lüftchen reichen. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr …

kng

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