Man könnte es auch schlicht und einfach eine "Verkaufssendung" nennen, dieses Format. Praktischerweise promotet "Sing meinen Song" ja immer gleich zwei, nun: Stars auf einmal - und das auch noch sehr kostengünstig, effizient und strategisch geschickt. Man muss nur einfach mal ein paar MusikerInnen mal nach Südafrika fliegen, wo sie einen Abend auf dem Sofa sitzen, zusammen einen trinken und reihum für die anderen singen, während nebenbei halt die Kamera von Vox läuft. Manche der Leute hier turnen eh die ganze Zeit durch Casting-Shows, Xavier Naidoo etwa oder Nena oder Boss Hoss, hier aber können sie sich mal das ganze Coaching-Gedöns für die dergestalt selbst herangezüchtete Konkurrenz sparen. Hier darf es endlich mal wieder um ihre ganz eigenen Karrieren gehen! Und der Sender spart auch gleich noch die unkalkulierbare Aufregung all der Unerfahrenen, bei denen man doch nie genau weiß, wie solide sie am Ende sind, im Fernsehen.
Vier Staffeln ist dieses "Tauschkonzert" nun schon alt. 2014 bekam die Show den Deutschen Fernsehpreis, 2015 den Bambi, 2016 wurde sie für den Grimme-Preis nominiert und 2018 mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet.
Gerade ist die fünfte Staffel gestartet. Da wird es doch mal Zeit für ein Best of, das frei von jeder Dramaturgie ist, einen schnellen Zusammenschnitt aus all dem, was der Sender von "Sing meinen Song" eben ohnehin auf Halde liegen hat. Zeit für "Die emotionalen Highlights" also. Da darf dann auch mal ein Roger Cicero wieder auferstehen, mit Gregor Meyles "So soll es sein“, auch wenn er schon seit 2016 tot ist.
"Sing meinen Song": zwischen "total geplättet" und sehr erwartbar
Wir wollen nicht unfair sein: Manchmal entsteht aus so einem Kollegen-Cover wirklich etwas völlig neues, das auf ganz andere Weise großartig ist. Bei BAPs "Kristallnaach" war das so, dabei ist das Lied schon von 1982. Samy Deluxe hat den Kölschrock 2016 ins Hochdeutsche übersetzt und leicht angerappt vorgetragen, "gepreacht“, wie er das nannte. Am Ende erntete er dafür, ja: verdiente Standing Ovations aus der Runde: Xavier Naidoo hatte "Gänsehaut" und Nena war ergriffen, als sich Herr Deluxe und Herr Niedecken am Ende umarmten. "Wenn ich mir vorstelle, dass er das bei seinen Konzerten spielt und das wirklich so ein Ding wird, das vielleicht noch mal irgendwo etwas ausrichten kann, macht mich das unglaublich stolz“, sagt der BAP-Sänger. Und dass er "komplett geplättet" sei. Niedecken revanchierte sich dann mit einer eingekölschten Fassung von "Was wir alleine nicht schaffen" von – ausgerechnet! – Xavier Naidoo. Und während andere den Soul- und Jammerpop-Sänger ob seiner gelegentlichen Nähe zu Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern kritisieren und ihm Aufruf zu Gewalt und Selbstjustiz vorwerfen, lobt Niedecken ihn hier nochmal als "unglaublichen Menschenfreund“.
Manchmal enden die Versuche, aus einem Hit etwas jedenfalls genau so Gutes zu machen aber auch eher in Belanglosigkeit, so wie bei dem Kelly Family-Klassiker "An Angel" in der Version von Silbermond. Manchmal, so wie bei Sarah Connor, erinnert man sich am Ende vor allem an ihr Hippie-Outfit und daran, dass sie das Lied leider nicht fehlerfrei vortragen konnte, in diesem Fall "Keiner ist wie Du" von Gregor Meyle.
Und manchmal ist das Ergebnis einfach etwas sehr erwartbar, so wie bei Annett Louisan, die sich selbst zurecht eine "Balladensau" nennt und sich von Boss Hoss dann eben auch das balladeske "Close" ausgesucht hat.
Nebenbei zu Bayern gegen Real rüberschalten
32 Songs geht das so, einer aus der neuen Staffel ist auch schon dabei, und so füllt Vox dann auch gleich den ganzen Abend damit, von der Primetime bis zur Mitternacht. Nebenbei kann man gut mal zum Spiel der Bayern gegen Real Madrid rüberschalten, Chips essen, bügeln oder seine Umsatzsteuervoranmeldung erledigen. Und trotzdem verpasst man nicht die Information, dass Andreas Gabaliers "Auf uns" die Warteschleifenmusik von Xavier Naidoos Mutter ist.
Dabei sind die Geschichten hinter den Songs im Grunde das Interessanteste an diesen musikalisch meist eher soliden als wirklich aufregenden und innovativen Interpretationen. Lena Meyer-Landrut erzählt von einer früh verstorbenen Freundin, der sie "Meine Heimat" gewidmet hat. Seven verlor mit 20 Jahren seinen besten Freund durch einen Freitod und widmete ihm später "City of Gold“. Und Hartmut Engler, der Pur-Sänger, erinnert sich an seine Jugend, als Daniel Wirtz sein "Wenn sie diesen Tango hört" vorträgt; er hat es ausgesucht, weil es bei ihm zu Hause "auf den Sack gab" und er deshalb viel lieber bei Oma und Opa war. Engler ist "überwältigt“, Tränen rollen. Und Wirtz ist es "viel wert“, das Lied hier singen zu dürfen. Und jeder, der ihn hört, will sofort seine Oma anrufen, glaubt er. Und auch dafür ist nebenbei noch genug Zeit!