Sylvester Groth im "Polizeiruf 110" Endlich ein schwuler Kommissar

Die vorletzte Bastion in der Gesellschaft ist gefallen. Mit dem von Sylvester Groth gespielten Jochen Drexler hat sich erstmals ein männlicher Ermittler im Sonntagskrimi als schwul geoutet. Für Groth ist es jedoch die Abschiedsvorstellung.

Als Homosexueller kann man in Deutschland inzwischen fast alles werden: Bürgermeister, Manager, Lehrer, Musiker sowieso. Und sogar einen schwulen Außenminister hatten wir schon. Zwei Bereiche blieben von der neuen Realität bislang ausgespart: Der Sonntagabend-Krimi und der Fußball. Zwar gibt es mit der Luzerner Ermittlerin Liz Ritschard (Delia Mayer) bereits eine Kommissarin, die im "Tatort" lesbischen Sex haben darf. Für Männer ist gleichgeschlechtliche Liebe bislang dagegen Tabu gewesen.

 Nun ist immerhin der "Polizeiruf 110" in der Gegenwart angekommen. Der Magdeburger Kommissar Jochen Drexler (Sylvester Groth) hält seine Homosexualität zwar vor seinen Kollegen verborgen, doch in der aktuellen Folge "Wendemanöver" darf der Zuschauer an seinem Liebesleben teilhaben: Drexler will seinen Ex-Kollegen Ferdinand Frey (Cornelius Obonya) in einer Mordsache verhören, landet mit ihm jedoch im Bett und verbringt dort die Nacht.

Eigentlich kein großes Ding: Das Privat- und Liebesleben der Ermittler ist ein fester Bestandteil im "Tatort" und "Polizeiruf". Heterosexuelle Kommissare dürfen hier sich seit jeher ausleben. 

"Ich bin froh, dass es vorbei ist"

Dass es bis 2015 gedauert hat, ehe auch ein homosexueller Kommissar zu seinem Recht kam, ist erstaunlich. Denn die Krimireihen brüsten sich gerne damit, immer am Puls der Zeit zu sein und gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen.

Und natürlich gab es über die Jahre immer wieder homosexuelle Protagonisten. Nur der Ermittler selbst durfte nie schwul sein - sieht man einmal von Tobias Reisser (Patrick Abozen) ab, dem neuen Assistenten des Kölner "Tatort"-Duos Ballauf und Schenk. Doch auch der durfte bislang nicht zur Tat schreiten.

Umso erfreulicher, dass mit dem Magdeburger Jochen Drexler endlich die Bastion Sonntagskrimi gefallen ist. Wohltuend auch, wie unaufgeregt Regisseur Eoin Moore die Liebesgeschichte erzählt: nicht als Tabubruch, sondern als etwas vollkommen Natürliches.

Für Schauspieler Sylvester Groth war dies allerdings sein vorletzter Einsatz als "Polizeiruf"-Kommissar. Er wird kommende Woche noch im zweiten Fall der Doppelfolge auftreten, danach ist Schluss. "Die Figur ist jetzt geprägt durch diese schwule Geschichte und ich bin ganz froh, dass es vorbei ist", begründet Groth den Ausstieg. "Sonst wird immer aufs Neue gefragt: Kommt da noch was?"

che

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