"Tatort"-Kritik Willkommen in der Schweiz

"Tatort" Schutzlos
Razzia im Drogenmilieu: Kommissarin Liz Ritschards (Delia Mayer, li.) und ein Kollege von der Drogenfahndung Franz Hofstetter (Andreas Krämer, re.)
© ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Die "Tatort"-Saison ist vorbei und ein Schweizer Krimi bildet den Abschluss: In Luzern geht es wieder langatmig zu - dabei war das Thema brandheiß.

Bringen wir das Unvermeidliche gleich jetzt hinter uns: Die Synchronisation des Schweizer "Tatorts" nervt! Es ist eine Beschwerde, die so alt ist wie der Krimi selbst. Aber dass man die Schweizer Nachbarn nicht einfach untertitelt, damit endlich eine Bindung zu den Figuren entstehen kann, bleibt ein Ärgernis. Umso mehr, wenn dadurch viel von einem Film kaputt gemacht wird, der sich eigentlich einem wichtigen, hochaktuellem Thema widmet. Der Witz: In "Schutzlos" kommen sowieso viele Untertitel vor. Denn die Macher haben sich für langwierige Verhörsequenzen mit Übersetzer entschieden. Spannung kommt so nicht auf, da hilft selbst der hippe Soundtrack von The Notwist nichts. 

Dafür bekommt der Zuschauer ein realistischeres, wenig idyllisches Bild der Schweiz gezeigt. In Luzern ermitteln die Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), dieses Mal im Drogenmilieu. Konkret konzentriert sich der Krimi auf die in Verruf geratene Baselstraße, ein bekannter Umschlagplatz für Dealer. Ein junger Mann wird tot aufgefunden, er kam vor zwei Jahren als minderjähriger Flüchtling aus Nigeria in die Schweiz. In bedrückenden Bildern bekommt der Zuschauer gezeigt, wie würdelos sein Willkommen in Europa aussah: Eine kalte, keine Privatsphäre wahrende medizinische Untersuchung, ein steriles Aktenfoto. "Please don't smile" bekam der junge Ebi (Charles Mnene) gesagt. Bloß nicht lächeln auf dem Bild für die Behörden. Jetzt ist Ebi tot.

Krasse Sätze, krasse Flüchtlingspolitik

"In Handschellen, wenn sie Glück haben, im Sarg, wenn sie Pech haben - so verlassen Flüchtlinge eben die Schweiz." Krasse Sätze wie dieser zeigen immer wieder, wie wenig Interesse und Mitgefühl die Behörden für das Schicksal der Asylbewerber haben. Und wie hart es wirklich aussieht, wenn das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung gegen angebliche Masseneinwanderung praktisch umgesetzt wird. Auch Flückiger und Ritschard müssen ihre Ermittlungen in den eigenen Reihen verteidigen. Ebi sei ja schon quasi abgeschoben gewesen, also nicht existent, urteilt der Polizeichef knallhart. Dadurch gelingt es dem Schweizer Krimi, den Zuschauer für das Schicksal der Flüchtlinge zu sensibilisieren.

Leider funktioniert der Einfall mit den schlimmen Migräneanfällen von Flückiger wiederum so gar nicht. Beinahe erschreckend, wie unzusammenhängend seine Pseudo-Halluzinationen zwischen die Ermittlungen platziert werden. Und trotzdem: Der Tod der jungen Jola (Marie-Helene Boyd), die für ihre Familie in Afrika alles riskierte, berührt zum Schluss doch. Auch, weil Ritschards Verzweiflung und Ohnmacht die des Zuschauers spiegelt. Dank der starken Schlusssequenz finden die Luzerner ein halbwegs versöhnliches Ende für die "Tatort"-Saison. Nach der Sommerpause soll es am 6. September weitergehen.

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