Die Kritiker: begeistert. Das Publikum: zum Teil verwirrt. Til Schweiger: gelangweilt. Die neue "Tatort"-Folge mit Ulrich Tukur hat die Fernsehnation wieder einmal gespalten und viel Gesprächsstoff produziert. Während viele Zuschauer die Handlung als wirr empfanden, freuten sich andere über die Vielzahl von filmgeschichtlichen Anspielungen, die der von dem Schriftsteller Clemens Meyer und Regisseur Thomas Stuber geschriebene Fall enthielt.
Das Spiel mit den Referenzen ging schon ganz am Anfang von "Angriff auf Wache 08" los. "Gooooood Morning, O-Town" begrüßt da der Radio-Moderator Ecki die Zuhörer des Offenbacher Lokalsenders. Vorbild für den von Clemens Meyer gespielten Sprecher ist Robin Williams in dem Film "Good Morning, Vietnam", der die in Ostasien kämpfenden Soldaten ganz ähnlich aufweckte.
Der "Tatort" und der Vietnam-Krieg
Auch musikalisch fahren der Offenbacher Ecki und der von Williams gespielte Adrian Cronauer ein ganz ähnliches Programm: Beide setzen vornehmlich auf die Pop-Hits der 60er Jahre, darunter Songs von dem Soul-Label Motown. Ecki spielt auch den Doors-Klassiker "The End" - und spielt damit auf einen ganz anderen Vietnam-Klassiker an, in dem der Song eine tragende Rolle spielt: Francis Ford Coppolas Drama "Apocalypse Now".
Eine Apokalypse der anderen Art erlebt auch Kommissar Murot im "Tatort". Wie in einem Zombie-Film kommen immer neue Krieger, die das Polizeimuseum überfallen, in dem er sich mit einem alten Freund und noch weiteren Versprengten verbarrikadiert hat. Woher sie kommen und was sie wollen: Das bleibt bis zum Schluss unklar. Ganz ähnlich wie in George A. Romeros "Zombie - Dawn of the Dead" von 1978, in dem sich vier Menschen in einem Einkaufszentrum verschanzen. Andere Elemente wie etwa die nahe gelegene Tankstelle weisen auf den Klassiker dieses Genres hin, "Die Nacht der lebenden Toten", ebenfalls von George A. Romero gedreht.
Parallelen zum Western
Doch das ganze Setting weist auch Parallelen zu einem viel älteren Filmgenre auf: dem Western. Ein paar Menschen, die sich in einem Gefängnis auf den Angriff von Ganoven vorbereiten - das ist das Thema von Howard Hawks' "Rio Bravo" aus dem Jahr 1959. Darin muss John Wayne als Sheriff mit einem letzten Aufgebot an für den Kampf untauglichen Getreuen einen Gefangenen bewachen. Ähnlich ist es auch Murot ergangen.
"Rio Bravo" war der bewusste Gegenentwurf zu dem Westernklassiker "12 Uhr mittags", im Original "High Noon". Darauf spielt Radiomoderator mit seiner Ankündigung der Sonnenfinsternis an: "Nicht um High Noon, nein, um genau 12 Uhr 26 Uhr wird sich über O-Town der Mond vor die Sonne schieben."
Auf "Rio Bravo" nahm auch John Carpenters Film "Assault - Anschlag bei Nacht" aus dem Jahr 1976 Bezug - das offensichtlichste Vorbild für diesen "Tatort". Darin schwört eine Jugendgang Rache: Zum einen für für eine blutige Polizeirazzia. Zum anderen für die Ermordung eines Mitglieds durch einen Vater, dessen Tochter von ihm getötet wurde. Dieses Motiv ist in dem ARD-Krimi umgekehrt: Hier wird der Vater von einem Gangmitglied erschossen, dafür tötet die Tochter den Mörder.
So heißt der nächste Tukur-"Tatort"
Es gibt noch zahlreiche weitere Anspielungen auf andere Filme, der Roboter "Fred" verweist auf "Nummer 5 lebt", in Dialogen wird "Indiana Jones" ins Spiel gebracht. Und für den von Thomas Schmauser gespielten Häftling stand der "Kannibale von Rotenburg" Pate.
Ganz schön viele Referenzen für 90 Minuten. Wer nun darauf hofft, die nächste Folge mit Ulrich Tukur könnte wieder etwas gradliniger werden und einfach nur einen Krimilfall erzählen, dürfte wohl enttäuscht werden: Der Film heißt "Die Ferien des Monsieur Murot" - und trägt schon im Titel die Anspielung auf Jacques Tatis Komödie "Die Ferien des Monsieur Hulot."