Maria Furtwängler "Man muss von seinem hohen Ross absteigen, immer auf der richtigen Seite zu stehen"

Maria Furtwängler im "Tatort"
Maria Furtwängler im "Tatort"
© NDR/Frizzi Kurkhaus / ARD
Der neue "Tatort" dreht sich um eine aggressive rechten Gruppierung. Im stern-Interview ermuntert Maria Furtwängler dazu, sich auch einmal auf andere Denkwelten einzulassen - zieht aber eine klare Grenze.

Frau Furtwängler, die "Tatort"-Folge "National feminin" zeigt, wie ungehemmt sich rechtsradikales Gedankengut mittlerweile in Deutschland verbreitet, etwa wenn Verschwörungstheorien über einen Bevölkerungsaustausch weitergetragen werden oder von der angeblichen Bedrohung deutscher Frauen durch den arabischen Mann die Rede ist. An welchen Stellen erleben Sie so etwas im Alltag?

Ich glaube, das hängt extrem davon ab, in welcher Echokammer man sich befindet. Man tut gut daran, auch mal in andere Bubbles reinzuhören. Donald Trump ist ein gutes Beispiel: Wenn man in deutschen Medien über den US-Präsidenten liest, denkt man doch manchmal, der ist doch total irre und daher spätestens übermorgen weg. Das denkt man aber seit seiner Wahl. Doch man tut ganz gut daran, auch mal bei Fox News oder in anderen Foren reinzuschauen, um zu verstehen, wie stabil seine Machtbasis ist und unser Wunschdenken die US-amerikanische Wählerschaft nicht abbildet.

Da werden zum Teil ganz andere Debatten geführt.

Ja, bei seinen Anhängern gibt es ganz stark ein Gefühl von Widerstand und Anderssein. Man müsse Wahrheiten gegen den durchgespülten, elitären Mainstream aussprechen, heißt es da. Wir tun gut daran, andere Sichtweisen zu verstehen, mindestens aufzunehmen. Man muss von seinem hohen Ross absteigen, immer auf der aufgeklärten, richtigen Seite zu stehen, und sich auch einmal auf andere Denkwelten einlassen.

Das versucht "National feminin". Die "Tatort"-Folge stellt auch andere Positionen dar, etwa in Form einer rechtskonservativen Verfassungsrichterin, die Abtreibungsgegnerin ist und den uns bekannten Feminismus ablehnt.

Sie konfrontiert Kommissarin Lindholm und deren Selbstbild als Frau und Mutter, mit ihrem vielleicht nicht ganz so gelungenen Leben als Alleinstehende – und trifft damit natürlich einen wunden Punkt bei ihr. Die Folge nimmt aber auch den rechten Feminismus auseinander. Auf den ersten Blick können wir die Argumente verstehen: Natürlich wollen wir, dass sich Frauen sicher fühlen. Wir kämpfen alle gegen Gewalt gegen Frauen. Doch das kippt dann schnell ins Rassistische, wenn es heißt der Fremde, der Migrant sei das Problem. Da stimmt dann schon allein einfach die Faktenlage nicht mehr.  

Sollte man mit Rechten reden?

Wenn man die Gelegenheit hat, ist es immer hilfreich, sich der Diskussion zu stellen. Die Gefahr ist doch eher, dass man irgendwann zumacht. Dann verliert man einander. Das sind die geschlossenen Echokammern, von denen ich sprach. Es lohnt sich immer zu verstehen, wie sich andere fühlen und welche Ängste sie umtreiben. Aber das setzt voraus, dass auch die andere Seite dialogbereit ist. Und begreift, dass etwa Rassismus keine Meinung ist. 

Mit Jenny Schily hat die Tochter eines der wichtigsten Politiker der rot-grünen Regierungsjahre mitgewirkt. War das ein Thema bei den Dreharbeiten?

Ich bin über drei Ecken mit den Schilys verwandt. Das habe ich Jenny Schily erzählt – sie wusste das gar nicht. Natürlich war die politische Entwicklung ihres Vaters auch ein Thema. 

Inwieweit können Sie auf die Drehbücher im "Tatort" Einfluss nehmen, speziell was die Ausgestaltung Ihrer Figur angeht?

Es gibt einen sehr offenen Austausch, wenn ich Anregungen habe. Ich fühle mich da durchaus gehört. Ich freue mich vor allem, weil es sich bei diesem "Tatort" um einen Film handelt, wo alle tragenden Rollen von Frauen bekleidet werden. Frauen verschiedener Gesinnung, mit ambivalenten Rollen, die auch im Laufe der Geschichte eine Entwicklung durchlaufen – es ist ein tolles Drehbuch. Wenn ich noch Anmerkungen habe, dann gibt es Treffen mit Autoren, mit der Redaktion, da wird dann auch darauf eingegangen. Nicht auf alles – aber auf manches. 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Pandemie vorbei ist und sich das Leben wieder normalisiert?

Sie haben ja Nerven, das zu fragen! Ich wüsste vor allem gerne, wann das soweit ist. Was momentan alle belastet, ist diese totale Ungewissheit, wie lange es noch dauert. Und mir ist klar, wie existenziell bedrohlich die Lage für viele Menschen ist. Mich beschäftigen auch weniger drastische Dinge: Wann können wir wieder Drehen? Und wann können wir wieder reisen? Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn ich dieses Jahr noch einmal ans Meer käme. 

"Tatort: National feminin" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD

PRODUKTE & TIPPS