Die "Berliner Runde" war am Sonntagabend 40 Minuten alt, da platzte Joachim Herrmann der Kragen: "Die Hälfte der Sendezeit beschäftigt sich wieder nur mit der AfD", empörte sich der CSU-Politiker. Es werde in der nächsten Wochen zu diskutieren sein, in welchem Ausmaß die öffentlich-rechtlichen Sender dazu beigetragen hätten, "nicht die AfD kleinzumachen, sondern großzumachen".
Darin steckt natürlich zunächst mal ein großes Stück Arroganz eines etablierten Parteipolitikers. Denn natürlich haben ARD und ZDF nicht die Aufgabe, die AfD oder irgendeine andere Partei "kleinzumachen". Eine objektive Berichterstattung, die der Größe und Bedeutung der Partei gerecht wird - darin hätte die eigentliche Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen bestanden.
Kaum eine Talkshow ohne AfD-Politiker
Doch dem sind die Sender nicht nachgekommen. Stattdessen haben sie mit ihrer Gewichtung ein verzerrtes Bild von der politischen Größenordnung vermittelt. Ein außenstehender Beobachter muss den Eindruck bekommen haben, die AfD stelle die größte Partei - denn in den vergangenen Wochen kam kaum eine Talkshow ohne AfD-Politiker aus. Dabei war sie bislang nicht einmal im Bundestag vertreten.
Nun ist es legitim, eine Partei häufig zu Wort kommen zu lassen, der die Umfragen den Einzug ins Parlament vorhersagen. Doch hätten ARD und ZDF versuchen können, die Breite der Partei abzubilden. Stattdessen waren fast ausschließlich die beiden Spitzenkandidaten zu sehen. Was vor allem in einem Fall problematisch ist: So bekam Alexander Gauland immer wieder eine Bühne geboten - selbst als er sich mit rassistischen Aussagen von jedem gesellschaftlich erträglichen Diskurs verabschiedet hatte. Er wolle Aydan Özoguz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, "in Anatolien entsorgen".
Eine Verrohung der Sitten - die für Gauland ohne Konsequenzen blieb. Im Gegenteil: In der kommenden Woche bekam er bei "Hart aber fair" das Podium geboten - und durfte seine fiese Aussage sogar noch patzig verteidigen: "Ich muss mich bei Frau Özoguz nicht entschuldigen."
So ist ein Donald Trump auch groß geworden
So macht man eine Partei tatsächlich groß - da hat Joachim Herrmann völlig recht. Denn man belohnt Menschen für ihre Tabubrüche - anstatt diese zu sanktionieren. So ist ein Donald Trump auch groß geworden.
Die Dominanz der AfD war letztlich so stark, dass die körperliche Anwesenheit ihrer Politiker gar nicht mehr nötig war, um die Partei zu stärken. Im "TV-Duell" zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Martin Schulz ging es die Hälfte der Zeit um Flüchtlingspolitk - dem wichtigsten Wahlkampf-Thema der AfD. Für Zukunftsthemen wie Bildung oder Digitalisierung blieb da keine Zeit mehr. So verleiht man einer kleinen Partei überproportionale Aufmerksamkeit.
Natürlich tragen auch andere Medien - Print wie online - eine Mitschuld. Allzu oft haben sie den von der Rechtspartei inszenierten Eklats ausgiebig Raum gegeben - von Alice Weidels Talkshow-Flucht bis zu Gaulands Wunsch, "stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Das ist ausdrücklich als Selbstkritik zu verstehen: Auch stern.de hat der Versuchung nicht immer widerstehen können, derartigen Entgleisungen und Tabubrüchen überproportionale Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das hat der AfD zweifellos genutzt.
Die Medien, alle zusammen, tun gut daran, einen Vorschlag von FDP-Chef Christian Lindner zu beherzigen: "Ich empfehle, bitte nicht jede provokante Äußerung der AfD so ernst nehmen, sondern einfach mal überhören." Seiner Erfahrung nach sei die Partei an Debatten gar nicht interessiert: "Da sind die am Buffet, wenn die anderen über Sachfragen sprechen."
