Prozess Heard gegen Depp Vom "Rückschlag für #metoo" bis zum "größten Spektakel Hollywoods" – so urteilt die internationale Presse

Der Verleumdungsprozess von Amber Heard und Johnny Depp hat in den vergangenen Wochen für viele Schlagzeilen gesorgt.  Doch das Urteil wird in der internationalen Presse unterschiedlich aufgefasst. Eine Presseschau. 

Die Geschworenen im Fairfax County haben ihr Urteil gefällt: Schauspielerin Amber Heard hat ihren Ex-Mann Johnny Depp verleumdet und mit einem Meinungsartikel in der "Washington Post" dessen Ruf geschadet. Sie sprachen die 36-Jährige schuldig. 8,35 Millionen Dollar Schadensersatz soll sie Depp bezahlen. Doch das Urteil wird in der internationalen Presse unterschiedlich aufgefasst: 

Deutschland:

"Berliner Zeitung": "Nach Depp-Heard-Prozess: Eine Frau muss nicht immer das Opfer des Mannes sein!"

"Dem Publikum bot der Prozess zunächst eine Armada an faszinierenden Charakteren, gar Glanzlichtern absurder Komik, inzwischen reihenweise zu Internet-Memes geronnen. So beispielsweise der verzettelte Anwalt Adam Nadelhaft, der Einspruch gegen seine eigene Frage erhob, oder der aufgedrehte Psychiater Dr. Spiegel, der in seiner Hybris sogar mit der Richterin zu diskutieren begann. Höhepunkt der seltsamen Vorstellungen war wohl die Zeugenaussage des Gebäudemanagers Alejandro Romero, Pfeife rauchend und aus dem fahrenden Auto heraus."

"Frankfurter Rundschau": "Prozess um Johnny Depp und Amber Heard – Die Öffentlichkeit hat längst geurteilt"

"So wurde auch Heards Bisexualität wiederholt gegen sie verwendet. Auch ihre vermeintliche Promiskuität und angebliche Untreue während der Ehe mit Depp werden ihr negativ ausgelegt. Dabei hat das alles nichts damit zu tun, ob es sich bei Heard um ein Opfer häuslicher und sexueller Gewalt handelt.

Der Prozess von Johnny Depp und Amber Heard ist aufgrund der überwältigenden Unterstützung für Depp für die Misogynen in der Gesellschaft eine Chance, im Angesicht der von ihnen so verhassten Debatten um Gewalt gegen Frauen und #MeToo, Frauen im großen Stil und vor großem Publikum als Lügnerinnen und die wahren Täterinnen zu brandmarken."

Österreich:

"ORF": "Depp vs. Heard: Prozess mit gefährlichen Folgen"

"Der Prozess ist wohl das größte Spektakel, das Hollywood abseits der Leinwand in den letzten Jahren 'produziert' hat. Der Prozess wurde im TV live übertragen und sorgte für gewaltige Einschaltquoten. Vor allem aber ist es ein Prozess, der in sozialen Netzwerken quasi ein zweites Mal und in ungleich härterer Form und ohne Regeln als Vorverurteilungswettkampf abläuft. Längst gehört es auch zur Strategie der Involvierten, die Meinungsbildung dort mit der Arbeit eigener Social-Media-Teams zu beeinflussen. Nicht zuletzt ist es aber für viele im Netz die ideale Gelegenheit für schnelle und viele Klicks. Viele sind Trittbrettfahrer des Prozesses, denn jedes Posting mit einem – oft abschätzigen bis gehässigen – Hashtag oder Verweis auf den Depp-Heard-Prozess erreicht unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit, verstärkt durch die auf Klicks und Verbreitung getrimmten Algorithmen der Plattformen.

Es ist somit selten einfach und billig, Aufmerksamkeit und Follower zu gewinnen und mit Heard-Depp-Memes – via Werbung – Geld zu verdienen. Das ist gleichermaßen für jene verlockend, die bereits eine größere Gefolgschaft im Netz haben, wie für jene, die nur wenige Follower haben."

USA:

"Los Angeles Times": "Wie Johnny Depp sich gegen Amber Heard durchsetzte und was das bedeutet"

"Der Sieg von Johnny Depp über seine Ex-Frau Amber Heard vor Gericht wird von Rechtsexperten nicht nur wegen der Wendungen des Gerichtsdramas, sondern auch wegen der weiterreichenden Auswirkungen des Urteils der Geschworenen auf die ganze Welt betrachtet. Mehrere Experten sahen in dem Urteil in den beiden Verleumdungsklagen - aus denen Depp als Sieger hervorging - einen Rückschritt für die #MeToo-Bewegung und meinten, es zeige das Misstrauen und die Abneigung gegenüber Heard. Einige befürchteten, dass es die Sache der Frauen, die sich über Missbrauch durch mächtige Männer beschweren, zurückwerfen könnte.

'Vom #metoo-Standpunkt aus gesehen ist das ... schlecht und gefährlich', sagte die Rechtsprofessorin Susan Seager. 'Ich denke einfach, dass das ein schlechtes Signal an Männer und Frauen oder wer auch immer der Täter ist, sendet, dass man sein Opfer einfach verklagen und ruinieren kann, indem man es für einen Verleumdungsfall vor Gericht bringt', sagte Seager. 'Es signalisiert, dass man gegen einen Ankläger erfolgreich sein kann, wenn man das Geld hat, einen Anwalt zu engagieren - oder sogar einen Verleumdungsanwalt auf Erfolgsbasis zu engagieren, der einen Anteil an deinem Gewinn erhält.'"

Großbritannien:

"Daily Mail": "Kein Weg zurück für Heard in Hollywood: Amber Heard steht vor dem Ruin ihrer Karriere UND dem Bankrott, da sie darum kämpft, Johnny Depp 8 Millionen Dollar zu zahlen, nachdem sie einen blutigen sechswöchigen Gerichtsstreit verloren hat, der sie 'zu schäbig für ein Hollywood-Studio' gemacht hat"

"Amber Heard steht vor dem beruflichen und finanziellen Ruin, nachdem sie einen bahnbrechenden Verleumdungsprozess gegen ihren Ex-Mann Johnny Depp verloren hat, der ihr eine Schadensersatzsumme von mehreren Millionen Dollar bescherte. 

Experten sind der Meinung, dass es für Heard in Hollywood 'keinen Weg zurück gibt' und fügten hinzu, dass die Schauspielerin, 36, nach dem dramatischen sechswöchigen Gerichtsverfahren 'zu schäbig für ein Hollywood-Studio' sei, was Fragen über ihre zukünftigen Einnahmen aufwerfe. Die Expertin für die Unterhaltungsindustrie, Kathryn Arnold, sagte ebenfalls aus, dass Heard ein mögliches Einkommen von bis zu 50 Millionen Dollar entgangen ist."

Schauspieler Johnny Depp
Schauspieler Johnny Depp
© Wochit (Bildquelle)
"Erstmal ein Mega-Pint eingießen" – Twitter-Nutzer reagieren auf Johnny Depps Sieg vor Gericht

"BBC": "Depp-Heard-Prozess: Warum Johnny Depp in Großbritannien verlor, aber in den USA gewann"

"Die Tatsache, dass die Geschworenen Amber Heard wegen eines Artikels, in dem sie behauptete, Opfer häuslicher Gewalt zu sein, der Verleumdung für schuldig befanden, bedeutet, dass sie ihrer Aussage keinen Glauben schenkten, sagte Mark Stephens, ein internationaler Medienanwalt, der 'BBC'. 'Amber Heard hat vor dem Gericht der öffentlichen Meinung und vor den Geschworenen umfassend verloren', sagte er."

"The Mirror": "Johnny Depp-Urteil: Überlebende häuslicher Gewalt befürchten, dass die Opfer durch das Urteil zum Schweigen gebracht werden"

"Nachdem Johnny Depp seinen Verleumdungsprozess gegen seine Ex-Frau Amber Heard gewonnen hat, machen sich viele Menschen Sorgen um die Zukunft von Überlebenden häuslicher Gewalt. Viele befürchten nun, dass das Urteil 'verdreht und falsch angewandt' wird, wenn sich andere Frauen in Zukunft zu Wort melden. Nach dem Urteilsspruch kam es zu einem Sturm in den sozialen Medien, bei dem diejenigen, die entweder für Johnny oder für Amber sind, ihre Unterstützung oder ihre Besorgnis über die Schlussfolgerungen der Jury online posteten. 'Es ist mir egal, wie man zu Johnny Depp oder Amber Heard steht - dies ist ein sehr schlechter Tag für Frauen, die Opfer sind', schrieb ein Nutzer."

Belgien:

"Le Soir": "Amber Heard und Johnny Depp wegen gegenseitiger Verleumdung verurteilt"

"Die Schauspielerin Amber Heard hat ihren Ex-Ehemann Johnny Depp verleumdet, indem sie sich selbst als Opfer häuslicher Gewalt beschrieb. Die Jury eines US-Gerichts kam am Mittwoch zu dem Schluss, nachdem die beiden Hollywoodstars in einem medienwirksamen Prozess einen tiefen Einblick in ihre Privatsphäre gewährt hatten. Die sieben Geschworenen bejahten somit die Frage, ob der Titel und zwei Passagen eines Gastbeitrags, der 2018 von Amber Heard veröffentlicht wurde, verleumderische Äußerungen über Johnny Depp enthielten."

Kanada:

"Le Devoir": "Amber Heard verleumdete Johnny Depp – und umgekehrt"

"Die Klatschpresse erfreute sich an diesem sechs Wochen langen, hypermedialen Prozess, der von Anfang bis Ende gefilmt wurde. Die beiden Protagonisten sind in erster Linie Schauspieler und haben sich mit Inszenierungen und schlagfertigen Sprüchen gegenseitig übertrumpft. Die von Heards Anwälten vorgelegten Beweismittel enthüllten intime und manchmal schmutzige Details aus dem Leben des stürmischen Paares. Bilder von Gewalt, schmutzige Anekdoten und Drogenkonsum durchzogen die Erzählungen der beiden Ex-Liebhaber. Diese Ablenkung vom eigentlichen Kern der Affäre - der Verleumdung - hin zu einem Popularitätswettbewerb kann von einigen als Verzerrung durch das Fadenkreuz der Justiz gesehen werden.

'Wir wissen, dass Denunzieren kompliziert, gefährlich und anstrengend ist. Wir wissen, dass die öffentliche Meinung dazu neigt, Machthaber zuerst und vor allem zu verteidigen. Und dass diese Machtmenschen die Mittel haben, sich zu verteidigen, und sie verteidigen sich unter anderem, indem sie das Opfer unglaubwürdig machen', bemerkte die feministische Essayistin Martine Delvaux in 'Le Devoir'."

gfk

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