Carice van Houten Die andere Frau neben Tom Cruise

Carice van Houten hat es geschafft: Die holländische Schauspielerin dreht mit Hollywoods A-Liga - von Cruise bis DiCaprio. Aber die Finanzkrise mache ihr Sorgen, sagt die Freundin von Schauspiel-Kollege Sebastian Koch. stern.de traf einen pragmatisch-nüchternen Filmstar.

Trotz aller Kritik an dem Mann: Natürlich ist eine Frau, die gleich das erste Mal Tom Cruise trifft, aufgeregt. Vor allem wenn sie weiß, dass sie ihn später auch noch küssen muss. Und was macht diese Frau? Sie sitzt in einem Berliner Hotel und blättert leicht verwirrt in einem Bildband über Kriegsflugzeuge. "Und Kriegsflugzeuge sind nun wirklich nicht mein Ding", sagt Carice van Houten. "Aber ich dachte, ich tue so, als würde ich lesen, dann kommt er rein, ich gucke hoch, lege das Buch weg und wirke total entspannt." Natürlich kam es anders.

Carice van Houten lacht, und ihre perfekt geschwungenen, kirschrot geschminkten Lippen nehmen das ganze Gesicht mit: "Ich bin knallrot geworden, vom Dekolletee bis zu den Haarwurzeln. Und es sah nicht charmant aus, sondern krank!" Sie habe Cruise gesagt, er solle ein paar Minuten warten, dann ginge das schon wieder weg, erzählt die 33-Jährige und unterstreicht die Geschichte mit schmalhändigen Gesten. Aber ihn habe das gar nicht gestört, er habe ihr die Aufregung innerhalb von Minuten ausgeredet. "Am Ende konnte ich dann sagen: 'Los Fettsack, lass uns tanzen'." Mit "am Ende" meint van Houten die Dreharbeiten zu "Operation Walküre", Tom Cruises umstrittener Film über den Hitlerattentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Darin spielt die niederländische Schauspielerin seine Frau.

Leonardo DiCaprio, Tom Cruise und Jude Law

Die Rolle der Gattin spielt Carice van Houten derzeit häufiger. Seit ihrem internationalen Durchbruch mit "Schwarzbuch" von "Basic Instinct"-Regisseur Paul Verhoeven vor drei Jahren stand die schöne wie energische Holländerin nun schon drei Mal mit Ring vor Hollywood-Kameras: In Ridley Scotts "Der Mann, der niemals lebte" spielte sie die Frau von Leonardo DiCaprio, "Operation Walküre" schickte sie in die Arme von Cruise, und als nächstes gibt sie die Angetraute von Jude Law in dem Organhandel-Thriller "Repossession Mambo".

Carice van Houten

-Geboren 1976 in Leiderdorp, Niederlande, als Tochter des Radiomoderators und Schriftstellers Theodore van Houten
-Ausbildung an der Kleinkunst Academie Amsterdam -Engagements am Theater, seit 1997 erste Fernsehrollen
-Nationaler Karrieredurchbruch 1999 mit "Suzy Q", 2001 "Amnesia" und 2002 der europäische Erfolg "Die geheimnisvolle Minusch", 2005 "Knetter" und "Lepel", 2006 "Schwarzbuch", 2008 "Der Mann, der niemals lebte", 2008 "Operation Walküre", 2009 "Repossession Mambo"

Für van Houten kein Grund, die Bodenhaftung zu verlieren: Sie glaube nicht, dass das jetzt der große Durchbruch sei. "Die Finanzkrise macht mir ein bisschen Sorgen. Hollywood ist nicht bekannt dafür, Risiken einzugehen. Und mit der Krise wird die Risikobereitschaft nicht steigen. Für Schauspielerinnen, die relativ unbekannt sind, wird es also noch schwieriger als es eh schon war."

Finanzkrise? Risikobereitschaft? Irgendwie passen Carice van Houtens Worte nicht so ganz zum Erscheinungsbild der Leinwandgrazie. Der fragile Körper steckt in einem schwarzen Nappalederkleid, die kleinen Füße in monströs hohen Absätzen, das zarte Gesicht mit den großen Augen, den formvollendet geschwungenen Augenbrauen und Wangenknochen sieht aus wie gemalt. Wohl eher zum Spaß trägt sie manchmal eine dickrandige Brille. Doch gerade wenn man sich auf die verletzliche Schönheit festgelegt hat, wie auch Scarlett Johansson und Gwyneth Paltrow sie so gut beherrschen, macht van Houten den Mund auf - weniger blond als Cameron Diaz, auf kleinerer Flamme als Penélope Cruz und nicht so prätentiös wie Natalie Portman.

"Ich muss mir so viele Nazi-Witze anhören"

Egal welches Thema, da ist kaum Vorsicht, keine Berechnung, selten Posing, keine Unsicherheit, die zwischen van Houten und der Welt steht. Sie gibt einem das Gefühl, tatsächlich eins zu eins der Person Carice van Houten gegenüber zu sitzen. Irgendwie authentisch, ehrlich, falls man das von einem Filmstar überhaupt sagen kann. Sie hat ihren eigenen Kopf, sagt ihre Meinung, unumwunden. Vielleicht nicht immer zu Ende gedacht wie bei der Wohltätigkeits-PR-Maschine Angelina Jolie, aber immer offen und klar. Das Deutschland-Bild? "Ich habe einen deutschen Freund (Sebastian Koch, Anm.d.Red.). Und ich muss mir so viele Nazi-Witze anhören, bevor eine normale Unterhaltung möglich ist. Ich mache manchmal auch mit, er macht sie, jeder macht sie! Aber langsam ist es mal gut."

Stauffenberg und die Nazis? "Es ist wichtig zu zeigen, dass in einer Gruppe von Menschen nicht einfach alle böse sind. Niemand wird böse geboren. Daran glaube ich nicht. Man muss das Individuum sehen. Und man sollte sich auch diesen Film ohne diese ganzen Vorurteile angucken. Denn das Wichtigste ist, dass diese Geschichte erzählt wird."

Und schließlich kriegen auch ihre Landsleute die Carice-van-Houten-Wahrheit zu hören: "Die denken nur: Unser Mädchen geht nach Hollywood! Sie ist in einem Film mit Tom Cruise. Eine von uns. Ich hatte das Gefühl, ich fliege zum Mond, oder ich gehe zum European Song Contest. Und ich muss gewinnen! Aber was mache ich, wenn ich nicht gewinne? Du kannst ja schlecht sagen, der Mond kann sehr einsam sein, manchmal ist es da ziemlich dunkel."

Van Houten ist von Hollywood nicht ausschließlich begeistert. Klar fänden es viele sexy - "Ich auch, deswegen bin ich ja hingegangen" - aber, "in meiner Heimat weiß ich, wem ich trauen kann, welcher Produzent Unsinn erzählt, wer die Wahrheit sagt. Hollywood ist für mich immer noch ein Irrgarten. Ich habe keine Ahnung", sagt die Schauspielerin sehr trocken und fügt pragmatisch hinzu: "Das kann auch ganz gut sein, weil du keine Vorgeschichte hast. Alle haben nur 'Schwarzbuch' gesehen. So kann ich noch mal von vorne anfangen." Allerdings sei es schon frustrierend, eine Rolle an jemandem mit einem bekannteren Namen zu verlieren. "In Holland kann ich's mir aussuchen. Sobald ich einen Schritt über die Grenze mache, ist es vorbei."

Am liebsten Stummfilme

Sie spielt mit ihrem Goldarmband, aber offenbar nicht aus Nervosität. Sie redet und redet, nüchtern und charmant zugleich, lächelt unschuldig, doch scheint sich dessen, was sie da tut, sehr bewusst. Und wenn sie mal flüsternd, mal lachend Szenen vom Set beschreibt, dann fällt immer wieder die Ernsthaftigkeit auf, die hinter jedem Lacher steckt.

Carice van Houten stand bereits als Schülerin auf der Bühne. Als Kind begeisterte sie sich für Stummfilme wie Abel Gances "Napoléon": "Also wenn es nach mir ginge, könnten wir zurück zum Stummfilm. Ich mag Szenen, in denen ich nicht sprechen muss, sondern einfach da bin und die Sprache meiner Augen und meines Körpers benutze." Dem Theaterstudium folgten schnell Filmangebote, doch hat van Houten immer beides gemacht. Bis jetzt. Nun will sie sich aufs Kino konzentrieren. Erstmal: "Ich bin nicht mehr 22. Wenn, dann ist jetzt meine Zeit, Filme zu drehen."

Wäre sie denn jetzt entspannter, wenn Tom Cruise in den Raum käme? Offenbar schon: "Wir konnten wie Bruder und Schwester miteinander plaudern, Spaß haben. Das brauchte man auch auf diesem Set mit den ganzen Nazikostümen. Bei diesem düsteren Thema verlierst du sonst deine ganze Energie. Deshalb haben wir manchmal auch ganz laut Bob Marley gehört." Sagt es und muss weiter. Fest sind ihre Schritte auf den Absätzen, die eigentlich eher zum Sitzen gedacht sind.

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