Erst reuig, dann rasend Wie Fynn Kliemann sich als Opfer inszeniert und in Verschwörungstheorien abdriftet

Fynn Kliemann
Fynn Kliemann schimpft auf Instagram gegen "die Medien"
© Picture Alliance
Auf Instagram hat Fynn Kliemann zum Rundumschlag ausgeholt. Ziel seiner Tirade sind die "woke linke Szene" und "die Medien". Das ist in Teilen entlarvend. 

Es ist noch keine vier Wochen her, da schaute ein reumütiger Fynn Kliemann in die Kamera und bat in einem Instagram-Video um Entschuldigung. Er kündigte an, aufräumen zu wollen, nachdem Jan Böhmermann und seine Redaktion des "ZDF Magazin Royale" bestürzende Maskendeals aufgedeckt hatten.

Im Kern des TV-Beitrags wurde die Frage aufgeworfen, ob bei Geschäften der Textilfirma Global Tactics mit einem Großhändler im Jahr 2020 ganz bewusst das Produktionsland verschwiegen wurde – Masken kamen aus Asien statt aus Europa. Bei den Vorwürfen geht es auch um fehlerhafte Masken, die an Geflüchtete gespendet wurden.

Fynn Kliemann: Ausraster auf Instagram

Doch statt es bei seiner Entschuldigung zu belassen, sah sich Kliemann am Sonntagabend offenbar dazu gezwungen, das Thema erneut aufzugreifen. Statt reuig zeigt sich der Unternehmer rasend. Das Problem: Er inszeniert sich als Opfer einer größeren Macht und driftet sogar in an Verschwörungstheorien erinnernde Floskeln ab, die gefährlich sind.

Er habe Fehler gemacht, er habe sich entschuldigt, sagt er auf Instagram. "Aber hier werden Leute, die für sich und dich entschieden haben, sich selbst zu verwirklichen, für mich in Sippenhaft genommen und das ist falsch. Was hat das 'Kliemannsland' damit zu tun? Nichts. Und die Leute da erst recht nicht", sagt er in Anspielung auf den Abenteuerhof, den er selbst ins Leben gerufen und nach sich benannt hat. 

Auslöser war womöglich ein Video vom "Kliemannsland", in dem sich die Betreiber positionieren und erklären, wie sie in Zukunft arbeiten wollen. Doch bei der Verteidigung seines Hofes bleibt es nicht. Kliemann scheint sich als Opfer einer großen Medienverschwörung zu sehen. 

Es klingt nach Verschwörungstheorie

"Ziemlich viele Leute" hätten "ziemlich viel durcheinandergebracht", sagt er und spricht von "wildgewordenen Reportern". Außerdem schimpft er gegen eine "woke linke Szene", der nie etwas gut genug sei. Er sei einfach nur "anders", so Kliemann, und versuche, neue Dinge auszuprobieren. Dass er mal scheitere und Fehler mache, sei da doch normal. 

Es ist das alte "der kleine Mann gegen die Mächtigen"-Narrativ, an dem sich Kliemann in seiner Schimpftirade bedient. "Die Medien" gegen ihn. "Das ist doch der gleiche Bullshit wie auf dem Schulhof damals, dass irgendjemand dir vorschreiben will, wie man Spaß zu haben hat. Im 'Kliemannsland' wirst du so akzeptiert, wie du bist. Aber da gibt's diesen einen Teil in der woken linken Szene, der das einfach nicht akzeptieren kann", so der Vorwurf.

Als hätte irgendwer ein Problem damit, dass sich Menschen im "Kliemannsland" kreativ selbst verwirklichen. Der Influencer ist ein Tausendsassa. Dafür lieben ihn die Fans. Das Problem: Ist in einem Bereich der Wurm drin, schmeckt dann noch der Rest des Apfels? Dass Anhänger einen Bogen um das Kliemannsland machen dürften, bis der Skandal geklärt ist, sollte selbst ihn eigentlich nicht wundern. Schließlich steht er für dieses mit seinem Namen.

Das Absurde ist aber außerdem: Niemand möchte Fynn Kliemann vorschreiben, wie er Spaß haben soll. Sondern es geht um unsaubere Geschäfte, weshalb sich jetzt sogar die Staatsanwaltschaft Stade eingeschaltet hat. Es werde unter anderem wegen Betrugsverdachts gegen den Musiker und Geschäftsmann im Kontext des Böhmermann-Beitrags zu umstrittenen Geschäften mit Schutzmasken ermittelt, hieß es vor wenigen Tagen von Seiten der Behörde. Was die Ermittlungen ergeben werden, bleibt abzuwarten, doch zu negieren sind sie in keinem Fall. 

Fynn Kliemann dementiert Vorwürfe – stern-Recherchen widerlegen Rechtfertigung des Influencers
Fynn Kliemann dementiert Vorwürfe – stern-Recherchen widerlegen Rechtfertigung des Influencers
Fynn Kliemann dementiert Vorwürfe – stern-Recherchen widerlegen Rechtfertigung des Influencers

Gefährliche Rhetorik

Kliemann ist kein harmloser Andersdenkender, dem "die Medien" jetzt einen Strich durch die Rechnung machen wollen. Er ist erfolgreicher Unternehmer mit mehreren Firmen, verdient (viel) Geld mit seinen Projekten. Der DIY-Typ vom Bauernhof ist Kliemann schon lange nicht mehr. Und jetzt hat er – womöglich – Mist gebaut. Mist, der von einer journalistischen Redaktion aufgedeckt wurde und der jetzt weiter untersucht wird. Genau das ist ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft und Kliemann ist medienerfahren genug, das selbst zu wissen. 

Umso gefährlicher seine verschachtelte Kritik am Öffentlich-rechtlichen Rundfunk. "Ihr habt mich mit öffentlichen Geldern groß gemacht, dann hab ich nicht gespurt, und mit genau den gleichen Geldern soll ich jetzt zerstört werden", pöbelt er auf Instagram in Anspielung auf Böhmermanns ZDF-Sendung. Eine mindestens merkwürdige Opfer-Inszenierung, die stark nach Verschwörungstheorie klingt. 

Indem sich der 34-Jährige als harmloser Freiheitskämpfer inszeniert, der einfach nur "anders" ist und deshalb medial verfolgt werde, schwächt er seine eigene Entschuldigungsstrategie ab und macht zunichte, was er sich gerade erst wieder aufgebaut hatte. Seine Glaubwürdigkeit dürfte nach der Instagram-Tirade noch stärker in Mitleidenschaft gezogen worden sein, als sie es durch Böhmermanns Enthüllungen ohnehin schon war. 

Verwendete Quellen: DPA, Instagram

PRODUKTE & TIPPS