Valentine Low hat mit "Courtiers" eines der meistdiskutierten royalen Bücher des Herbstes vorgelegt. Der "Times"-Redakteur schreibt aus der Warte der Palastangestellten über das Leben am Hof und die royalen Vorgesetzten. Dabei enthüllt er Details, die sonst hinter dicken Mauern verborgen bleiben. Mit dem stern spricht Low über die wahre Macht im Königshaus, das teilweise bedenkliche Benehmen der Windsors und den Austritt von Prinz Harry und Herzogin Meghan.
Mr. Low, Sie haben einen früheren Privatsekretär mit den Worten zitiert: "Das höchste Prinzip eines Palastmitarbeiters ist es, alles zu wissen, aber seinem Vorgesetzten nicht unbedingt alles zu sagen". Meinen Sie, dass diese Einstellung von der Royal Family geschätzt wird und hält nicht der die Macht in Händen, der im Besitz aller Informationen ist?
Das hängt davon ab. Es gibt sicherlich Situationen, in denen die Vorgesetzten böse wären, hätte man ihnen nicht alles gesagt. Aber es gibt auch einige, die erleichtert wären, würde man sie nicht mit Dingen belasten, die sie nicht wissen müssen oder wollen. Das hängt von den Umständen ab. Bitte entschuldigen Sie die langweilige Antwort. (lacht)
Nun haben Sie in England einen neuen König: Charles III. Wie schätzen Sie seine Haltung in dieser Sache ein?
Charles verbringt viel Zeit damit, verzweifelt alles herauszubekommen. Aber auch er wäre vermutlich froh, nicht überfrachtet zu werden.
Sie lassen in Ihrem Buch einen Insider zu Wort kommen, der die Strategie von Charles‘ früherem stellvertretenden Privatsekretär Mark Bolland einordnet mit den Worten: "Eine Art, jemanden groß zu machen, ist es, den anderen kleinzumachen." In den 90ern sprach man ja von regelrechten Kriegen zwischen ihnen, weil jeder seinen Boss in der Öffentlichkeit gut dastehen lassen wollte. Wie würden Sie dieses Verhältnis heute beschreiben?
Es ist ein Auf und Ab. Manchmal läuft es gut und manchmal schlecht. Es wird wohl niemals perfekt, denn es existiert eine natürliche Anspannung. Es gibt unterschiedliche Mitglieder der Königsfamilie mit unterschiedlichen Agenden. Ich muss betonen, dass das Verhältnis der zwei Haushalte – des Königs und des Prinzen von Wales – in den Wochen nach dem Tod von Queen Elizabeth II. ziemlich gut war. Beide haben viel daran gearbeitet, die Stabilität der Thronfolge zu vermitteln. Es gab dieses Bild von König Charles und Königin Camilla mit dem Prinzen und der Prinzessin von Wales, William und Kate. Es entstand am Tag vor dem Staatsbegräbnis von Queen Elizabeth II. und es war ein sehr starkes Foto. Die Botschaft war: Dies ist der König und das ist sein Nachfolger. Momentan läuft es glatt zwischen den Haushalten. Aber man weiß nie, was die Zukunft bringt.
Es gab bisher nie eine Frau in der Position der Privatsekretärin der Monarchin bzw. des Monarchen oder des Prinzen von Wales, der wichtigsten Stelle im ganzen Haushalt. Ist das System frauenfeindlich?
Ich glaube nicht, dass das System frauenfeindlich ist. Es ist recht unglücklich, dass die Stelle nie mit einer Frau besetzt wurde. Es gab Frauen, die im Buckingham Palast gearbeitet haben, die ziemlich empört waren von der "Maskulinität", dass die Top-Jobs von Männern besetzt werden. Queen Elizabeth II. war daran gewöhnt, von Männern umgeben zu sein, männliche Berater zu haben. Bei Charles ist es etwas überraschender. Es gab Frauen, die für ihn gearbeitet haben und die er bewundert hat. Es verwundert, dass er nicht das Bedürfnis gesehen hat, eine Frau in eine hohe Position zu bringen. Unglaublich überraschend ist, dass William keine Frau in die Spitzenposition befördert hat. Er hat in vielen Dingen eine viel modernere Haltung. Er ist sich vieler Dinge bewusst und hat versucht, seinen Haushalt in sozialen Belangen zu verändern. Es sollten dort zum Beispiel nicht nur Personen aus den üblichen, privilegierten Kreisen arbeiten. Das macht es noch überraschender, dass er keine Frau im Top-Job hat. Kates höhere Beraterinnen sind alles Frauen.
Woran liegt es? Es muss doch auch für William eine Dame geben, die die Arbeit machen könnte.
Ja, die gibt es sicherlich. Warum er sie noch nicht gefunden hat, weiß ich nicht. Wissen Sie, ich glaube nicht, dass William sexistisch ist. Wenn man eine Institution aufrütteln und verändern will, muss man sich viel Mühe geben. Vielleicht haben sie das noch nicht getan.
Mr Low, Sie berichten in Ihrem Buch auch von Ausrastern von Charles und Andrew. Wissen Sie, ob sich Mitarbeiter je offiziell bei der Personalabteilung über sie beschwert haben?
Ich weiß nicht, ob jemals eine Beschwerde über Prinz Andrew bei der Personalabteilung eingereicht wurde. Vielleicht waren die Mitarbeiter einfach an seine entsetzliche Unhöflichkeit gewöhnt. Ich weiß, dass sie untereinander darüber gesprochen haben. Jemand, der einmal übel von Andrew beschimpft wurde, sagte später, dass er deshalb zum ersten Mal im Büro geweint hat.
Ich stelle diese Frage, weil Sie Situationen beschreiben, in denen Charles oder Andrew ihre Mitarbeiter angeschrien, E-Mails Tag und Nacht mit Forderungen geschickt haben sollen und trotzdem gab es nur offizielle Beschwerden über das Verhalten der Frau in der Königsfamilie – Herzogin Meghan.
Okay, faire Frage. Wir müssen es trennen. Andrew hat Leute angeschrien, die nicht täglich mit ihm zu tun hatten. Sie haben nicht direkt für ihn gearbeitet. Es war eine kleinere Unannehmlichkeit. Bei Menschen, die jeden Tag für ihn gearbeitet haben, war er zivilisiert und freundlich. Charles hat Temperament. Das flammt ab und zu auf, aber beruhigt sich auch schnell wieder. Er macht sich außerdem viel Gedanken um sein Team. Als die Mutter eines Mitarbeiters erkrankt war, schickte er Blumen. Er ist kein Monster. Dennoch rief er Tag und Nacht an. Das war anstrengend, aber solche Chefs gibt es häufig. Was Meghan angeht – es gab genug Leute, die meinten, Harry sei ein Tyrann, es war nicht nur sie. Der entscheidende Unterschied war der psychologische Effekt, den ihr Verhalten auf die Mitarbeiter hatte. Es gab eine Person, die meinte, sie sei "komplett vernichtet". Es gab eine andere, mit der ich zweieinhalb Jahre nach den Vorfällen sprach und die immer noch in Tränen ausbrach. Die Beschwerden gab es nicht, weil Meghan eine Frau ist, sondern wegen der Auswirkungen, die sie auf die Mitarbeiter hatte.
Was ich nicht verstehe: Wenn ich meine Chefin nicht mag und mich ungerecht behandelt fühle, dann kündige ich und lasse es nicht erst so weit kommen.
Sie sind gegangen. Jason Knauf, ehemaliger Privatsekretär von Meghan und Harry, schrieb in seiner E-Mail an die Personalabteilung, dass die Herzogin mehrere Mitarbeiter vertrieben habe. Die, die gingen, bemerkten, dass Meghan sehr böse wurde, wenn sie glaubte, die Menschen gingen ihretwegen. Sie mussten also so tun, als gingen sie aus anderen Gründen. Als Artikel darüber erschienen, dass Mitarbeiter ihre Jobs kündigen und die Herzogin eine schwierige Arbeitgeberin sei, mochte Meghan das überhaupt nicht.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, den Begriff "Megxit" zu verwenden? Denn wir sind uns sicher einig, dass nicht sie allein den Austritt aus dem Königshaus entschieden hat.
Das war sie nicht allein, aber sie war das Symbol dafür. Es ist eine Abkürzung und ich würde nicht zu viel hineinlesen. Harry hat gesagt, der Begriff sei sexistisch, aber das finde ich dumm. Es ist ein verkürzendes, journalistisches Label, damit die Leute wissen, worüber man spricht. Es ist in keiner Weise erniedrigend. Auch wenn die Entscheidung, das Königshaus zu verlassen, von ihm befeuert wurde – hätte er sie nicht getroffen, wäre er nicht gegangen. Jemand, der Harry gut kennt, hat mir gesagt: Wir wussten, dass er unglücklich ist. Aber wir wussten nicht, was wir tun sollten. Und dann kam Meghan. Sie hat ihm den Weg raus gezeigt. Auf diese Weise hat sie ihm den größten Dienst erwiesen. Das fand ich einen interessanten Gedanken.
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Mit den Erlebnissen von Meghan, Prinzessin Diana und Sarah Ferguson im Hinterkopf – warum ist es so schwer für eigenständige Frauen, in der Institution zu überleben? Oder ist es für jeden schwierig, der von außen dazukommt?
Es ist für jeden schwer, denn es ist ein anderes Leben. Man muss viele Kompromisse schließen. Wenn Sie sich die Frauen ansehen, die Sie aufgezählt haben – sie sind sehr unterschiedlich. Bei Diana sind sich viele einig, dass die Royal Family nicht so auf sie aufgepasst hat, wie sie es hätte tun sollen. Aber das fundamentale Problem war, dass die Ehe mit Charles unklug war. Sie hatten nicht genug gemeinsam, waren zwei sehr unterschiedliche Menschen. Sarah Ferguson war einfach dumm. Eine dämliche Frau! Ich glaube nicht, dass ihre Dummheit der Fehler der Royal Family war. Meghan haben wiederum viele willkommen geheißen. Man sagte: Lass uns nicht gefangen sein durch das, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir finden eine Rolle für dich. Es hat nicht geklappt, aber es gab ernsthafte Bemühungen.
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