Jette Joop Im Alleingang

Mit 30 war in den Fußstapfen ihres Vaters Wolfgang kein Platz für sie. Zehn Jahre später ist Jette Joop aus eigener Kraft zur wohl erfolgreichsten Design-Unternehmerin des Landes geworden - mit Ganzkörpereinsatz und einem starken Sinn fürs Populäre.

"Fassen Sie mal an." Jette Joop hält ein Stück Stoff ihres Kleides, in der Region zwischen Bauch und Brust, zwischen den Fingern. Sie nennt den vielsilbigen Namen eines italienischen Edellabels. "Reine Seide." Es ist Mittag im übervollen Berliner Restaurant Borchardt, Jette Joop hat an einem Ecktisch Platz genommen, so als sei sie Teil eines munteren Gesellschaftsstücks.

Ist das mädchenhafter Zeigestolz? Oder ihr geübtes Spiel auf der öffentlichen Bühne? Hier sitzt eine Designerin zum Anfassen, aber nicht irgendeine: Denn Henriette Joop, Chefin der Firma Jette GmbH und Tochter von Wolfgang Joop, gilt als eine der erfolgreichsten Design-Unternehmerinnen des Landes.

Jette ist erhältlich in Form von Schmuck, Duft, Damenund bald auch Herrenmode sowie in Form von Schuhen und Brillen - die 40-Jährige hat zwölf Lizenzen vergeben an Unternehmen, die Produkte in ihrem Namen herstellen. Macht für das Jahr 2007 einen Umsatz von ungefähr 140 Millionen Euro, für 2008 wird ein Wachstum von 20 Prozent erwartet. Wie kommen diese Zahlen zustande? Es kann nicht allein an den Klatschgeschichten liegen wie "Blitzhochzeit! Und jetzt ein Baby…" - so titelte im Februar die "Bunte", nachdem Joop die Heirat mit dem Fernsehproduzenten Christian Elsen bekannt gegeben hatte.

"Und verkaufen sollen sich meine Sachen auch"

Ein anderer Grund ihres Erfolges ist die Hochgeschwindigkeit ihres Lebens und Arbeitens. Auch ein Essen im Borchardt gehört dazu, selbst wenn es so scheint, als wolle sie einen Mittag lang innehalten, um ein paar Dinge klarzustellen über sich. Am Tag zuvor ist sie aus dem Urlaub zurückgekehrt: "Eine Woche am Stück - so lange hatte ich seit zehn Jahren nicht mehr frei", sagt sie. In wenigen Tagen muss das Zirkuspferd Jette zurück in die Manege. Sie will in Stuttgart und Ulm den Verkauf ihres neuen Duftwassers ankurbeln; Stationen in sechs weiteren Städten folgen. Jette Joop reist durch die Läden wie ein Politiker durch Wirtshaussäle. Ihre Anhänger drängeln sich, um ihr Autogramm zu ergattern, Frauen jeden Alters halten Jette- Produkte zum Signieren hin, wollen ihr Traumfängerketten schenken. "Wahlkampf am Kunden" nennt sie ihre Auftritte.

Für Jette-Produkte gilt das Gleiche wie für die Lieder von Dieter Bohlen und die Bücher von Susanne Fröhlich: Ihre Qualität wird nach Verkaufszahlen bemessen - um kreative Ausnahmeleistungen geht es nicht. "Montags erhalte ich die Hitliste von Christ: Wenn meine Schmuckstücke in Herzform die vorderen Plätze belegen, dann liefere ich weitere Herzstücke. Frauen wollen Herzen, so einfach ist das."

Dazu passt ein Satz ganz am Anfang ihrer Karriere, mit dem sie sich 1998 bei dem damaligen Chef der Juwelier-Kette Christ, Jörn Kreke, bewarb: "Und verkaufen sollen sich meine Sachen auch." Jette Joop war zu dem Zeitpunkt 30, hatte gerade eine Tochter zur Welt gebracht, und ihr Plan, eines Tages in die Firma ihres Vaters einzusteigen, hatte 1997 nach einem Managementwechsel bei Joop mit Streitereien und einem Hausverbot geendet. Dabei hatte sie sich akribisch auf diesen Schritt vorbereitet: mit einem Studium des Industriedesigns in Pasadena, Kalifornien, und mit Anstellungen etwa bei Ralph Lauren.

Ein Gesamtkunstwerk

Etwas musste geschehen nach der Ausbootung, und weil sie diesen "irre anstrengenden Wahnsinnsehrgeiz" (O-Ton Jette) in sich hatte, beschloss sie, sich selbst auf den Markt zu tragen. Von vielen Seiten wurde ihr geraten, es bleiben zu lassen, auch weil sie aus markenrechtlichen Gründen den Nachnamen Joop nicht für ihre Produkte verwenden darf - tut sie es doch, hagelt es Abmahnungen der Joop GmbH. "Ich habe es diesen Ratgebern nicht gegönnt, dass sie recht behalten." Da hat sie gelernt, den Knochen, den sie verspeisen möchte, nicht mehr loszulassen.

"Mir war klar: Ich muss meine Optik einsetzen. Ich wollte, dass die Leute hinschauen." Seitdem tritt sie als Gesamtkunstwerk auf: als Designerin, als Unternehmerin - und als Objekt des Boulevards. Sie weiß sehr wohl, wie man öffentlich geführte Beziehungen, etwa die nun vier Jahre zurückliegende mit dem Fürsten von Schaumburg-Lippe, geschäftsfördernd nutzt. Sie kennt ihre Klatschbilanz genauso gut wie ihre Umsatzbilanz: "Es war okay, in diversen Publikationen erwähnt zu werden." Eine Zeit lang trat sie auf als eine Art Klaus Wowereit der Designwelt: Sie warb auf dem roten Teppich für ihre Marke, so wie der Regierende Bürgermeister auf dem Parkett für seine Stadt Berlin trommelt.

"Öffentlichkeit ist mein Schicksal", sagt Jette Joop, und man braucht sich jetzt kein Seufzen hinzuzudenken. "Schon als Kind musste ich mit aufs Foto, wenn die Presse zu Besuch kam, um eine Homestory über meinen Vater zu machen." Erklärt das ihre späteren Inszenierungen, ihre offen gelebten Eskapaden? "Ich war gern die Femme fatale. Wer sagt denn, dass eine Frau, die Geschäfte macht, nicht richtig weiblich und sexy sein darf?"

Gegen den Vater durchsetzen

Das sehen auch ihre Partner so. "Sie gilt ja nicht als Paris Hilton der Mode, sondern eher als toughe Geschäftsfrau. Sie will Spaß haben, aber eben auch Geld verdienen", sagt Kai Wilhelm, Geschäftsführer des Textilherstellers Kitaro, der die Jette-Modelinien produziert. Und Bernd Beetz, Chef des Duft-Konzerns Coty, der die Jette-Parfüms abmischt, sieht in Joop ein Vorbild für die Kundinnen: "Jette wird als Frau von anderen Frauen bewundert - für das, was sie geschaffen hat. Sie scheint trotzdem erreichbar."

Etwas anders klingt es, wenn Vater Joop über Jette redet. Wolfgang Joop erzählt erst einmal eine ganze Menge über sich, was natürlich auch eine Menge über Jette offenlegt: Wer so einen Papa hat, muss lernen, sich durchzusetzen. Wolfgang Joop erinnert sich an sich selbst als einen unbürgerlichen Jungvater, ohne feste Arbeit, ohne festen Wohnsitz. Jette, die der Unruhe ihrer Eltern misstraute, bekam schnell den Spitznamen "Jetti-Kontrolletti": "Sie wollte Stabilität und hatte den starken Wunsch, irgendwo dazuzugehören."

Daraus leitet der Vater die Neigung seiner Tochter zu großen Namen ab: "Jette ließ sich als Mädchen von Menschen beeindrucken, die auf einem ererbten Nimbus durch die Welt reiten." Sie fühlte sich selbst als Teil einer Dynastie, und als sie nicht in das Joop-Reich aufgenommen wurde, so Wolfgang Joop, habe sie beschlossen, ihr eigenes Imperium aufzubauen. "Wir hatten schon manchmal Berührungsängste, weil wir gegenseitig unsere Kraft und Stärke erkannt haben."

Der Ehrgeiz lässt nach

Jette Joop beschreibt diese Beziehung als eine "Vater- Sohn-Nummer". Da finde ein Wettprahlen statt, ein positives Knuffen: "Meines ist auch toll. Und meines kommt schon nächsten Monat in die Läden." Wolfgang Joop bestreitet, dass sie um kreativen Erfolg konkurrieren: "Ich mag das Unfertige, Poröse, die Patina. Während Jette immer, egal, ob es groß oder klein ist, einen perfekten Cadillac baut." Jette Joop kennt solche Spitzen gut. Auch deswegen hat sie sich von ihrem Vater gelöst: "Seine Vorarbeit hat viele Türen geöffnet - und viele Türen zugeschlagen", sagt sie.

Jetzt soll für Jette ein neuer Abschnitt beginnen: Sie will nicht mehr für alle Produkte mit ihrem Gesicht und ihrem Körper werben. Den ersten Schritt geht sie mit ihren Modekollektionen - mit "Jette" sowie der Männerlinie "JJ Men", die im Juli erstmals in die Läden kommt.

So steht sie nicht mehr selbst vor der Kamera, um für die Kleider zu werben. Für das Kampagnen-Shooting hat sich Jette Joop ein Model namens Vala ausgesucht, auf das sie schauen kann wie in einen Verjüngungsspiegel: Die blonden Locken fallen auf die gleiche Weise; sie ist hochgewachsen, grazil, mit strengen Zügen um den Mund, und sie kann aufreizend gelangweilt blicken. Jette Joop fährt die Selbstvermarktung zurück, doch das eigene Image bleibt - verjüngt - bestehen.

Wer seinen Namen auf den Markt trägt, darf bestimmen, was gemacht wird. Jette Joop greift während des Shootings ein - sie zupft an Haaren und Rockzipfeln, sie richtet, sie dirigiert. "Ich muss auf die Details achten, denn sie prägen den ersten Eindruck." Hat das männliche Model die Beine beim Sitzen etwa zu weit gespreizt? Kleinigkeiten, die ein Bild kaputt machen können, so wie ein Tropfen Essig ein Glas Wasser sauer schmecken lässt. Winzigkeiten entscheiden für Jetti-Kontrolletti über Hit oder Flop.

Ihren allmählichen Rückzug von den Werbeplakaten begründet Jette Joop etwas kokett auch damit, dass ihr Ehrgeiz nachlasse. Dennoch hält sie ihre Hochgeschwindigkeit, ahnt sie doch, dass Zweifel am eigenen Tun wie verdünntes Gift sind - sie wirken mit der Zeit zersetzend. So weit wird es Jette Joop, die Design-Unternehmerin mit Firmensitz im herrschaftlichen Hamburg-Harvestehude und mit Familienwurzeln im alten Preußen, dem Heimatland der Disziplin, nicht kommen lassen. Am Ende des Gesprächs im Borchardt bestellt sie einen Nachtischteller. Mit zwei Löffeln. Nachdem der Kellner serviert hat, sagt sie lächelnd: "Was sollen die Leute jetzt nur denken…" Wahrscheinlich nicht viel, handelt es sich bei ihr doch um Jette Joop, eine öffentliche Frau.

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