Wie dürfen wir Sie ansprechen? Sir Elton? Herr John? Ihr bürgerlicher Name ist ja Reginald Kenneth Dwight...
Sagen Sie doch bitte Elton zu mir. So nennt mich auch mein Freund.
Elton, mit über 50 Top-40-Hits in Großbritannien, den USA und Deutschland haben Sie Elvis und die Beatles überflügelt. Wir haben trotzdem nicht den Eindruck, der Erfolg hätte Sie glücklich gemacht.
Wie kommen Sie denn darauf?
Unlängst pöbelten Sie über Madonna, wer für ein Playback-Konzert 130 Dollar verlange, gehöre erschossen. Sehr ausgeglichen wirkten Sie da nicht.
Ich habe mich bei Madonna entschuldigt. Worauf wollen Sie hier eigentlich hinaus?
Sie waren zehn Jahre lang kokainabhängig; Bulimie, Skandale um Promiskuität und Verschwendungssucht hätten Sie beinahe in den Ruin getrieben. Wir würden gern wissen, wie Sie das alles überlebt haben.
Ich habe überlebt, weil mir immer alte Freunde zur Seite standen. Zum Beispiel Bernie Taupin. Wir kennen uns seit 38 Jahren. Er ist der Bruder, den ich nie hatte. Wir hörten uns in Plattenläden Musik an und schauten an die Decke. Wenn wir blinzelten, sah es aus, als wären die Sterne zum Greifen nah. In den schlimmen Zeiten hat Bernie zu mir gesagt: "Hart, Elton, wie scheiße du aussiehst." Oder: "Elton, was ist das denn für Musik? Und dazu singst du?" Oft konnte ich mich nicht an das Album erinnern, das er gerade kritisierte. In meinem Privatleben geht es heute bedächtig zu.
Vor wenigen Jahren mussten Sie auf der Tragfläche eines LKWs zu Ihrer Geburtstagsparty gefahren werden, weil Ihr Kostüm nicht in Ihr Auto passte. Kürzlich riefen Sie Ihr Management in London an und forderten, es möge "die Luft abstellen", die um Ihr Hotel in Amerika windete. So ruhig hört sich das alles nicht an.
Der Exzess ist eben in meinen Genen verankert. Heute bin ich ein exzessiver Sammler. Ich werde mehr und mehr zu einem Schwamm: Ich sauge Kunst in mir auf, Gespräche über Architektur. Die Versuchung, die Aufforderung zum Exzess ist ja etwas Wunderbares. Nehmt die Dinge, wie sie kommen! Weist sie nicht zurück! Das ist des Rätsels Lösung.
Seit dem 29. Juli 1990 sind Sie clean. Wie haben Sie das bloß geschafft, wenn Sie den Exzess so lieben?
Wenn Sie aufhören, Drogen zu nehmen, werden Sie sich erst einmal wundern, wie viel Zeit, Geld und Muße Ihnen plötzlich zur Verfügung steht. Das empfand ich als angenehm.
Bereuen Sie die Zeit davor?
Nein. Es bringt ja auch nichts, Drogen zu dämonisieren. Gerade Negativdarstellungen sind oft so unrealistisch, dass junge Leute denken: "Oh, ich habe gestern Kokain genommen und heute kann ich zur Arbeit gehen. Das ist ja ganz anders, als es mir die Antidrogenkampagne erzählt." Dann nehmen Sie es öfter, und am Ende landen Sie allein mit fünf Gramm Koks auf dem Klo und wollen alles selber nehmen. Ich habe allerdings auch schöne Erinnerungen an meine Jahre mit Kokain, etwa an 1973 mit John Lennon. Um drei Uhr morgens - wir waren auf Koks und logierten im "Sherry" in den Niederlanden – stand plötzlich Andy Warhol vor der Tür. Wir wurden paranoid, sagten: "Mann, lass ihn bloß nicht rein!" - und hatten eine Menge Spaß.
Das Magazin im Netz
Vermissen Sie das wilde Leben?
Ich gehe seit 40 Jahren auf Partys. Während des 21. Geburtstages von Prinz Andrew habe ich mit der Queen zu "Rock Around the Clock" getanzt. Was soll da noch kommen? Heute arbeite ich lieber daran, dass mich die Leute nicht nur als den schwulen Sänger mit der Insektenbrille in Erinnerung behalten. Das ist heute meine größte Angst.
Ingo Mocek
Das vollständige Interview ist in NEON nachzulesen, dem jungen Magazin vom stern