Ottfried Fischer Der Bullenstadl

Von Alexander Kühn
Er stolperte über eine Ex-Dirne und über die Leitplanke, die Gattin zürnte, dann verzieh sie. Im Leben des Ottfried Fischer geht es derzeit zu wie im Bauerntheater - und "Bild" ist immer dabei.

Da lag er, auf Seite eins von Deutschlands großer Tageszeitung, den einen Gesichtsausdruck zeigend, mit dem er auch in seinen Filmen Freude, Leid und Entsetzen spielt. Abgelichtet von einer "Bild"-Fotografin, die ihn in seinem Krankenzimmer in der Unfallklink im bayerischen Murnau heimgesucht hatte.

Die Geschichte vom Fischer und seinen Frauen ist das mediale Damenprogramm am Rande der WM, der daily Groschenroman dieses Sommers: die traurige Geschichte vom Dicken, der sich mit einer ehemaligen Dirne einlässt und von seiner Frau vor die Tür gesetzt wird. Gedrucktes Bauerntheater.

Die Protagonisten in der Reihenfolge ihres Auftretens

Ottfried Fischer, 52. Der Otti. "Bulle von Tölz", "Pfarrer Braun", "Pfundskerl". Menschendarsteller. Sympathieträger. Einer von uns.

Michaela Z., 37. Die Michi. Ex-Prostituierte aus Wien. Ottis Gspusi.

Renate Fischer, 45. Frau Fischer. Ottis Ehefrau, Mutter seiner Töchter. Und seine Managerin. Resolut. Geschäftstüchtig. Bei Produktionsfirmen und Sendern nicht sonderlich beliebt, weil sie ihren Otti nur zu Höchstgagen vermietet.

Gegeben wird nicht "Pretty Woman", edler Ritter errettet schöne Maid aus dem Bordsteinschwalbendasein, sondern eine bajuwarische Version von "Professor Unrat", Heinrich Manns Geschichte vom sittenstrengen Lehrer, der einem Revuemädchen verfällt und als Pausenclown endet - virtuos in Szene gesetzt von "Bild".

Kapitel eins, Freitag, 16. Juni

Fotos zeigen Otti und ein Bikinimädchen beim Sonnenbad am Tegernsee.

Kapitel zwei, Samstag, 17. Juni: Otti hat eine Affäre mit der Dame gestanden, Frau Fischer hat ihn zu Hause rausgeworfen.

Kapitel drei: Sonntag, 18. Juni: Otti hat mit dem Bikinimädchen Schluss gemacht.

Kapitel vier und fünf, Montag, 19. Juni: Otti liegt in der Klinik; nach einer Reifenpanne auf der A 95 war er auf dem Weg zur Notrufsäule über die Leitplanke gestürzt. Und: Das Bikinimädchen gehörte, uiuiui, zum Rotlichtmilieu.

Kapitel sechs, Dienstag, 20. Juni: Otti fleht: Renate, nimm mich zurück.

Kapitel sieben, Mittwoch, 21. Juni: Frau Fischer sagt: Sie will ihn nicht zurück.

Kapitel acht, Donnerstag, 22. Juni, 16. Hochzeitstag der Fischers (Dramatik!): Otti gibt zu: "Ich war auch im Bordell."

Kapitel neun, Freitag, 23. Juni: Verzeiht ihm seine Frau? (Welch Cliffhanger!)

Kapitel zehn, Samstag, 24. Juni: Warum man Otti nicht böse sein kein.

Kapitel elf, Sonntag, 25. Juni: Mutter Fischer spricht: "Die Ehe wird halten!"

Kapitel zwölf, Montag, 26. Juni: Frau Fischer verkündet: "Ich nehme meinen Otti zurück."

Michaela Z. verkündet derweil im großen "Bunte"-Interview, so intensiv wie für Otti habe sie noch für keinen Mann gefühlt, wunderschön und attraktiv sei er, "er ist mein Traummann", die Interviewerin vergisst zu fragen, ob das jetzt ironisch gemeint sei, und wenn Frau Z. clever ist, hat sie sich jeden Satz ordentlich bezahlen lassen. Als sie ein paar Tage darauf in ein Wiener Krankenhaus eingeliefert wird - Nervenzusammenbruch, Suizidgedanken -, schickt sie umgehend eine SMS an das Wiener Revolverblättchen "Kurier", was ihr tags darauf immerhin eine zweispaltige Meldung mit Foto einbringt.

Auch die Fischers haben etwas mitzuteilen. Sehr viel und allerorten. Frisch getrennt, gaben sie ein gemeinsames Interview über den Stand der Ehe. Das taten sie von jeher gern. Erst im Februar sagte Fischer in einem großen Liebes-Interview mit einem bunten Blättchen, seine eigene Frau gefalle ihm immer noch am besten, und sie ergänzte: "Ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf Ottfried verlassen kann." Jetzt hat ein Hamburger Anwalt für die beiden die Pressearbeit in die Hand genommen; es wurde, sagt der genervt, viel zu viel geredet, damit solle jetzt Schluss sein.

Auftritt der Nebenfiguren

"Gibt's da was für?", fragt Frank Markus neuerdings als Erstes, wenn er mit Journalisten über die Vergangenheit der Michaela Z. redet. Der 44-Jährige, geschmückt mit Goldkettchen und Tattoo, ist der Lebensgefährte von deren Schwester Petra.

Seit in der "Bild" zu lesen war, dass Michaela Z. in seinem "Studio der Lust", Rebhanngasse 25, in Wien-Brigittenau gearbeitet haben soll, was diese bestreitet, gehen bei ihm die Kamerateams ein und aus, die Freier bleiben weg - diese Einbußen müsse er ja ausgleichen. "Dem Kollegen von der 'Bild'-Zeitung hab ich am Telefon gesagt: Schick mir alles, was Füße hat, was eine Fernsehkamera hat, die sollen mir ein Angebot machen, ich setz mich abends zum Jauch, sag ich, damit die Welt weiß, was hier los ist."

Im Flur des Studios stehen zwei Waschmaschinen, jeder Gast soll frische Bettwäsche haben, die Fußmatten sind herzförmig. Auf einer Couch im Aufenthaltsraum hocken die Mädchen in Unterwäsche und warten auf Männer.

In der Welt der Sexklamotte

"Das ist sie, die Michaela", sagt Markus und drückt einem ein Sex-Magazin in die Hand, zeigt auf eine fast Nackige, die sich ins Höschen greift, und auf die Zeile: "Mandy - Versautes Blondinchen." (Sie sei nicht Mandy gewesen, nur Körperdouble für die Anzeige, sagt Michaela.) Sie habe, sagt Markus, auch bei seiner Lebensgefährtin gearbeitet, ihrer Schwester also, im "Club Noblesse", im trüben Wien-Simmering, Sedlitzkygasse 47. (Vertretungsweise, als Geschäftsführerin. Sagt Michaela.) "Mädchenglocke" steht dort an der Klingel, im Vorraum hängen rosa Stiefel an der Wand, in der Ecke lehnen Golfschläger. Und wenn man dann sagt, dass man für diese und weitere exklusive Informationen nichts bezahlen will, ist Frank Markus ziemlich erstaunt.

Welch herrlicher Plot. Schöner hätte auch Karl Spiehs sich's nicht ausdenken können, der österreichische Produzent, der in den 60er und 70er Jahren die Welt um Sexklamotten bereicherte, deren Titel bereits kleine Kunstwerke darstellen. "Hurra - Die Schwedinnen sind da". "Wenn Mädchen zum Manöver blasen". "Was treibt die Maus im Badehaus?" Später drehte er mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk "Die Supernasen", "Ein Schloss am Wörthersee" mit Roy Black - und die Reihe "Der Bestseller" mit Ottfried Fischer als Schriftsteller.

Spiehs ist 75, seine Freunde nennen ihn Karli, und der Karli möchte, dass es seinen Freunden gut geht. Er feiert gern, und wenn er feiert, gibt es Essen und Trinken vom Feinsten, wichtige Männer sind geladen und hübsche Damen, und das gefällt den Männern natürlich.

Auftritt nobler Gentleman

Die Eden-Bar war lange Zeit so etwas wie das zweite Wohnzimmer des Karli Spiehs. Ein Ort aus längst vergangener Zeit, mit plüschigen Sofas und Ledersesseln, die oft leer bleiben, roten Stofftapeten und Schummerlicht; Spiehs selbst, so heißt es, betritt die Eden nicht mehr, seit man ihm wegen fehlender Krawatte den Einlass verweigern wollte. Da vorn hat immer Curd Jürgens gesessen, dort drüben Udo Jürgens, da hinten Harald Juhnke. Vier Filipinos spielen allabendlich "Unforgettable" und "Only you". In der Eden begab es sich nun, dass sich die Blicke von Ottfried Fischer und Michaela Z. trafen.

Franco Andolfo, 67, singt in der Eden seine italienischen Schlager, dreimal, viermal die Woche, seit Jahren. Von ihm stammt die Titelmelodie zu Spiehs' "Schloss am Wörthersee". Bis vor zwei Monaten war er Michaelas Lebensgefährte; dass sie anschaffen ging, habe er erst jetzt erfahren, sagt er. Sechs Jahre lang waren sie zusammen, gehörten zur Wiener Schickeria, und als er krank wurde, Gefäßerweiterung im Bauch, lebensgefährlich, da habe sie an seinem Bett gesessen und vor Kummer arg abgenommen. Andolfo ist der Gentleman in diesem Trivialstück. Ihm sei viel Geld geboten worden für Interviews, erzählt er, doch er habe allen abgesagt. Weil er nicht schlecht über Michaela reden will, "und Sie sollten auch nicht schlecht über sie schreiben".

Wir noch lange nicht am Ende

Von der Eden ist es nicht weit zum Nachtclub Babylon. Stühle mit goldenen Lehnen, Leopardenfelltapeten, Marmortischchen. Eine halbe Stunde mit einer Dame auf dem Zimmer macht 330 Euro. Inklusive Essen vom Sterne-Koch und Getränke frei, Sekt und Schampus ausgenommen. Auch er sei hier gewesen, berichtete Ottfried Fischer freimütig der "Bild", gemeinsam mit einem Bekannten aus der Filmbranche, und einmal sei er mit einer Dame nach oben gegangen.

Als gesellschaftlich interessierter Leser wartet man inständig darauf, dass diese sich möglichst rasch via "Bild" zu Wort meldet und ausführlich von der Nacht mit dem Tölzer Bullen berichtet. Kurz darauf wird selbiges Organ vermelden: "Ottis Hure schwanger!", und: "War es Samenraub?", wenige Monate später: "Es ist ein Ottifant!", inzwischen hat Renate Fischer ihre Autobiografie fertig gestellt: "Die Bullenbraut", der Karli Spiehs wird die Rechte erwerben, daraus einen schönen Film machen, für die ARD, Freitag, 20.15 Uhr, und am Ende gibt es ein prächtiges Fest mit vielen schönen Frauen.

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