Vorwürfe gegen Sänger Rammstein-Konzerte verbieten? Auf keinen Fall!

Rammstein
Eine Schweizer Frauenrechtlerin und viele andere fordern: "Keine Show für Lindemann!"
© Fabrice COFFRINI / AFP
Die Anschuldigungen gegen Till Lindemann wiegen schwer. Aber mit seinem Vorstoß, geplante Rammstein-Konzerte zu untersagen, geht der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein zu weit.

Zugegeben – das mutmaßliche Gebaren von Till Lindemann auf den Aftershow-Partys nach Rammstein-Konzerten erscheint abstoßend. Träfen die Vorwürfe zu, wären sie wohl das Ergebnis jener toxischen Mischung aus Größenwahn, Dauergeilheit und Frauenverachtung, die so viele Männer mit Macht zu Handlungen verleitet, die endlich aufhören müssen – auf Aftershow-Partys, in Chefetagen, Bürofluren, Sportvereinen, Kirchenzimmern oder wo auch immer. Ob die Vorwürfe in der Causa Lindemann aber strafrechtlich relevant sind, muss erst noch geklärt werden. Für den Rammstein-Sänger gilt die Unschuldsvermutung. Der Künstler weist alle Anschuldigungen über seinen Anwalt von sich.

Es bewegt sich ja etwas, aber die Debatte gerät aus dem Ruder 

Ich will hier gar nichts verharmlosen. Der Schlagzeuger der Band, Christoph Schneider, bestreitet zwar, dass "strafrechtlich Relevantes" geschehen sei, distanziert sich aber dennoch von Lindemann und sagt: "Und trotzdem sind anscheinend Dinge passiert, die – wenn auch rechtlich ok – ich persönlich nicht in Ordnung finde." 

Es bewegt sich also etwas. Ein Riss geht durch die Band. Und es hört etwas auf. Lindemann kann und wird so nicht weitermachen. So weit, so gut. Aber nun gerät die Debatte etwas aus dem Ruder. Gerade fragte sich der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, "ob die geplanten Rammstein-Konzerte im vom Land Berlin betriebenen Olympia-Stadion so stattfinden sollten".

Was genau er damit meint, ist unklar. Aber man kann diese Frage so lesen, dass Klein fordert, die bereits genehmigten Konzerte zu verbieten. Das allerdings wäre nichts anderes als Zensur. In unserem Land gilt die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit. Verbote sind nur nach rechtsstaatlich klar definierten Regeln möglich. Die sind aber auf den Fall Lindemann bisher nicht im Ansatz anwendbar. Man fragt sich auch, warum der Antisemitismus-Beauftragte überhaupt meint, sich in dieser Sache von Amts wegen äußern zu müssen. Ich habe seit Beginn der Debatte nicht gehört, dass die aktuellen Vorkommnisse irgendetwas mit Antisemitismus zu tun hätten.  

Der Antisemitismus-Beauftrage Felix Klein rennt offene Türen ein  

Aber der Antisemitismus-Beauftrage fordert, kaum verbrämt, Konzert-Verbote. Und rennt zudem Türen ein, die sperrangelweit offenstehen. Unabhängig davon, ob die Vorwürfe gegen Till Lindemann sich bewahrheiteten, so Felix Klein, sollten die betroffenen Frauen ernst genommen werden. 

Aber genau das ist ja geschehen. Die betroffenen Frauen wurden gehört, ernst genommen, erfuhren Solidarität. Es wird sogar bereits für sie von Prominenten Geld gesammelt. Und die Frauen haben schon viel erreicht. Rammstein steht in der öffentlichen Kritik. Die berüchtigte "Row Zero" scheint abgeschafft, Aftershow-Partys wurden abgesagt. Alena Makeeva, die Frau, die Lindemann die weiblichen Fans zugeführt haben soll, geht ihrer Tätigkeit offenbar nicht mehr nach. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat zudem nach Strafanzeigen Ermittlungen gegen Till Lindemann und Alena Makeeva eingeleitet. Das Ergebnis wird abzuwarten sein. Und auch sonst beginnt man sich zu Recht mit so mancher fragwürdiger Symbolik im Werk von Rammstein zu befassen.  

Das ist auch gut so. Und vielleicht ist Lindemann ja auch der Bad Guy, der nun die Konsequenzen seines Handelns tragen muss. Aber Vorsicht mit Verbotsforderungen und Vorverurteilungen.

In Artikel 5 des Grundgesetzes steht: "Eine Zensur findet nicht statt."

ckl

PRODUKTE & TIPPS