Samuel Koch im Interview mit Peter Hahne "Heulen ist nicht mein Ding"

  • von Katharina Miklis
Ein halbes Jahr nach seinem Unfall bei "Wetten, dass ..?" tritt Samuel Koch wieder im TV auf. Sein Gespräch mit Peter Hahne bewegt. Die Zuschauer erleben einen Mann mit unheimlichem Optimismus.

Seine Stimme ist schwach und leise, aber seine Ansage deutlich: Samuel Koch will wieder gehen. Ein halbes Jahr nach seinem schweren Unfall bei "Wetten, dass ..?" ist Koch in Peter Hahnes gleichnamiger Sendung im ZDF zu Gast und gibt sein erstes TV-Interview - vor malerischem schweizerischen Bergpanorama. Der 23-Jährige sitzt Hahne im Rollstuhl gegenüber. Die Arme hängen im hellblauen Hemd schlaff herab. Nur den Kopf kann er bewegen, er wird von einer stabilen Manschette gesichert. Kochs Gesicht ist schmal, aber sein Blick offen und fast schon fröhlich.

Peter Hahne ist in die Schweiz gereist, wo sich Samuel Koch einer Reha unterzieht. Der junge Mann selbst hat das Gespräch mit dem ZDF-Journalisten gesucht. Vor allem, um öffentlich für die Anteilnahme zu danken. Seine Sätze sind kurz. Immer wieder macht er kleine Pausen. Das Ausmaß der Unterstützung durch die Menschen in Deutschland habe er sich nie vorstellen können. Er bekomme unzählige Mails, Kinder schrieben Gedichte, erzählt er. Sogar ein Stern wurde ihm geschenkt, 136 Lichtjahre entfernt.

Eine halbes Jahr nach dem Sturz

Sechs Monate ist es her, dass Koch in der Show von Thomas Gottschalk bei dem Versuch, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen, so schwer stürzte, dass er eine Querschnittslähmung erlitt. Gemeinsam mit Hahne lässt er die Vorbereitungen zu dem Stunt, der sein Leben veränderte, Revue passieren. 500 bis 600 Mal habe er auf diese Weise vor der Show Autos übersprungen, sagt der 23-Jährige. Noch nie habe er für einen Wettkampf derart trainiert. Er habe sogar überlegt, sich bei dieser Wette die Augen verbinden zu lassen, um das Ganze noch spannender zu machen. "Jeder Skiurlaub, den ich gemacht habe, war definitiv riskanter als dieses Autogehüpfe", so der ehemalige Soldat und Stuntman. "Ich würde die Wette noch einmal machen." Später wird er nachdenklicher. Es belaste ihn, dass auch viele Kinder diesen Unfall gesehen haben, diese "unschönen Bilder". "Es ist mir unangenehm, dass ich da die Show kaputt gemacht habe."

Die Erinnerungen an seinen Unfall seien verschwommen, sagt Koch. Er erinnert sich an den ersten Pfleger, den er nach seinem Aufwachen wahrnahm. Sie haben heute noch engen Kontakt. Koch ist sogar der Patenonkel der Tochter.

Die Kraft des Glaubens

Den bekennenden Christen Hahne interessiert vor allem der Glaube, der Koch in der Zeit nach seinem Unfall geholfen haben soll. Er zitiert einen Bibelvers: "'Niemand kann tiefer fallen als in Gottes Hand.' Als Ihnen das passiert ist", fragt Hahne, "waren Sie da in Gottes Hand?" Der 23-Jährige lächelt: "Ich atme, also auf jeden Fall. Ich bin noch weich gelandet, es hätte schlimmer kommen können." Samuel Koch ist einer, der nicht aufgibt. Einer, der Mut macht, weil er so positiv ist, trotz seines Schicksals. "Ich erkenne mich zum Teil selbst nicht wieder", erzählt er, und man fürchtet fast, die positive Stimmung könnte kippen. Doch Samuel schiebt sofort hinterher: "Gott sei Dank ist mein Gehirn noch gleich und ich bin der Alte."

"Woher nehmen Sie die Kraft?", fragt Peter Hahne. Gemeinsam mit seiner Familie habe er in den vergangenen Monaten viel gebetet und die Bibel gelesen, so Koch. "Glaube ist gerade jetzt für mich die einzige Alternative." Ob er an Wunder glaube, will der ZDF-Journalist wissen. "Ich glaube an Dinge, die nicht durch Wissenschaft oder Medizin erklärbar sind", verrät Koch. "Meine Lunge funktioniert. Ich denke, über Wunder spricht man nicht, man hofft darauf."

Immer wieder wandert Kochs Blick über die Schweizer Landschaft im Hintergrund. Die Berge, der See. Die Reha in dieser "wunderbaren Gegend" machen zu dürfen, bedeute ihm viel. Er, der Junge, der sich immer viel bewegt hat, der Extremsportler, der von einem Tag auf den anderen an einen Rollstuhl gefesselt wurde. Ob er zwischendurch mal die Hoffnung verloren habe? Nein, nie. "Zu keinem Zeitpunkt, das kam nicht in Frage". Aber: "Wenn ich den See hier sehe, dann würde ich so gerne mal wieder reinspringen," sagt Koch. Manchmal wäre er aber auch schon froh, wenn er sich einfach an der Nase kratzen könnte. Samuel lacht. Er lacht viel, auch mit seinen Freunden, der Familie. "Das Lachen verlernen? Das wäre doch doof", meint Koch. Lachen mache ihm mehr Spaß als traurig sein. "Heulen ist nicht mein Ding. Man kann auf jedem Niveau klagen - aber auch glücklich sein."

Samuel hat Ziele

Seinen Rollstuhl steuere er mit den Schultern und den Bizeps in den Oberarmen. In den Händen spüre er lediglich "ein bisschen Tiefensensibilität". Gerne würde er mal in eine der vielen Schulklassen gehen, die ihm zur Aufmunterung geschrieben haben und den Kindern im Biounterricht etwas über seinen Fall erklären. Samuel Koch hat Ziele. "Es kann jetzt nur noch aufwärts gehen, deswegen freue ich mich auf die Zukunft." Ob der Unfall ihm vielleicht auch Perspektiven geöffnet habe, will Hahne wissen. Eine seltsame Frage. Samuel überlegt lange: "Wenn das alles hier wieder klappt, mit meinen Zehen und den Beinen, werde ich das Leben auf jeden Fall noch mehr genießen."

Peter Hahne konnte in seiner sonntäglichen Mittagssendung, die er seit einem Jahr aus Berlin sendet, schon einige Überraschungsgäste begrüßen. Margot Käßmann gab dem 58-Jährigen ihr erstes TV-Interview nach ihrer Alkoholfahrt, Bettina Wulff ihr erstes seit dem Amtsantritt ihres Mannes. Samuel Kochs Auftritt war sicherlich der bewegendste: Am Pfingstmontag, erzählt Koch, da habe er erstmals seinen kleinen Zeh bewegen können. Die ganze Familie tanzte und sang um sein Bett herum. "Ich kann zumindest glücklich sagen, dass der Heilverlauf bisher zu keinem Moment stagniert hat."

Im September wird Koch 24. Er träumt davon, bis dahin die Reha-Klinik verlassen zu können. "Erzwingen kann ich es nicht", sagt er. "Ich arbeite darauf hin. Man muss aber realistisch bleiben." Er habe aber auch in der Zeit nach seinem Unfall gelernt, dass es Wichtigeres gebe, als sich zu bewegen. "Ich bin flexibel. Hauptsache, ich werde glücklich, egal mit was. Ich kann mich für alles begeistern."

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