Schauspieler Die Frau haut drauf

Vor 30 Jahren wurde sie für "King Kong" entdeckt, heute zählt sie zu Amerikas größten Darstellerinnen. Nun spielt jessica lange mit ihrem Lebensgefährten Sam Shepard im neuen Wim-Wenders-Film "Don't Come Knocking". Und schimpft über Face-Lifting genau so wie über die Bush-Regierung.

Man beachte bitte die Handtasche. Und die Art, wie sie von der Dame gehalten wird. Da spürt man doch schon, dass dieses Accessoire zu weit mehr taugt als der Aufbewahrung eines Lippenstifts. Wenn man außerdem weiß, dass der Kerl, der da im Schatten lungert, die Dame vor rund zwanzig Jahren geschwängert hat, auf seinen Gaul stieg und sich nicht wieder umdrehte, bis der Nachwuchs aus dem Gröbsten raus war - dann läuft eine sehr befriedigende Gedankenkette im Kopf ab, die eine wütende Dame, einen bräsigen Kerl, eine Handtasche und ein großes Aua involviert.

Wim Wenders hat besagte Szene in seinem neuen Film "Don't Come Knocking" inszeniert, und da seine Hauptdarstellerin Jessica Lange darauf bestand, sie nicht groß zu proben, steht im fertigen Film Sam Shepard - das ist der Kerl im Schatten - nach der Attacke echte Verblüffung ins Gesicht gehauen.

Darauf angesprochen, brummelt er: "Es stand so im Drehbuch", und da er das mitverfasst hat, wusste er, was drohte, als Jessica den Tornister schwang. "Allein, die physische Umsetzung so eines Drehbuchsatzes ist manchmal überraschend", sagt mit kaum wahrnehmbarem Lächeln Jessica Lange. Seit 17 Jahren haben die beiden, die seit 23 Jahren ein Paar sind, nicht mehr gemeinsam vor der Kamera gestanden.

Ist es einfacher oder schwieriger, miteinander zu arbeiten, wenn man sich so nahe ist? Sie sagt: "Beim Film ist ohnehin alles Schein, da ist es doch gleichgültig, ob ich meinen Leinwandpartner kenne oder nicht." Er sagt: "Wir sind beide Profis." Sie sagt: "Natürlich ist es angenehmer, wenn man vertraut ist." Er sagt: "Ob es angenehm ist oder nicht, darauf kommt es gar nicht an." Ah ja, alles klar.

Ein Rätsel waren die beiden immer schon. Ein Glamour-Paar, das zu Hause zwei Oscars (ihre) und einen Pulitzer-Preis (seinen) im Regal stehen hat und von Hollywood und allem Flitterleben doch so weit entfernt ist wie eine Klatschspalte im "People Magazine" von Shepards Bühnenstücken. Ihr Familienleben - zwei gemeinsame Kinder, eine Tochter aus Langes Beziehung mit dem Tänzer Michail Baryschnikow - haben sie so clever von der Öffentlichkeit abgeschirmt, dass Amerika die Lust am Wühlen verlor.

Zwischen Jessica Lange und dem Kinopublikum bestand ohnehin immer eine halb andächtige, halb misstrauische Distanz: Der Sexappeal dieser wildäugigen Blondine hat einen Zug ins Neurotische, Verstörende. Und Shepard, 61, ist, was seine Eigen-PR angeht, etwa so zugänglich wie ein CIA-Agent. Einer der mysteriösesten Kinohelden Amerikas: linkisch und lakonisch wie ein Cowboy und dabei von jener spröden Attraktivität, die von Männern mit Hirn nun einmal ausgeht. Als Shepard 1984 das Drehbuch zu Wenders' Amerika-Epos "Paris, Texas" schrieb, vertiefte sich das Enigma um seine Person: Poetisch ist er also auch noch.

In ihren frühen gemeinsamen Filmen - "Frances" zum Beispiel, da lernten sie sich 1982 kennen - gingen die beiden sehr zart miteinander um; wahrscheinlich war nie eine Handtasche parat. Ihr fünftes Kino-Duett kommt am 25. August in die Kinos. Der stern traf Jessica Lange in New York.

"Die Verrückten sind alle weg", haben Sie mal bedauernd übers Filmgeschäft gesagt. War Ihnen mit Wim Wenders langweilig?

Wim habe ich ganz bestimmt nicht gemeint - er ist Künstler, so was wie ihn gibt es eigentlich gar nicht mehr. Er hat eine unglaublich klare Art, mein Land zu sehen.

Mit dem Sie sich - auf politischen Veranstaltungen und in Interviews - sehr kritisch auseinander setzen.

Mich erschreckt dieser extreme Patriotismus, den wir nach dem 11. September entwickelt haben. Wenn ich schon sehe, wie Wochenendausflügler an ihren Booten eine Beflaggung aufziehen, als wären sie auf dem Mekong unterwegs und müssten sich als Amerikaner ausweisen! Es ist uns nur noch erlaubt, stolz auf dieses Land zu sein. Man muss die Bush-Regierung fast bewundern. Wie perfekt es ihnen gelungen ist, die Opposition ruhig zu stellen! Sie überzeugen die Bevölkerung, dass sie sich in ständiger Gefahr befindet. Wer sich auflehnt, ist ein Ketzer. Wer den Irak-Krieg kritisiert, hilft den Terroristen. Diese Denkart ist nur einen Schritt entfernt vom Faschismus. Und es hört nur auf, wenn Bush aus dem Weißen Haus verschwindet.

Sowohl in Wenders' Film wie in Jim Jarmuschs "Broken Flowers" haben Sie es mit Männern zu tun, die auf der Suche sind nach ihren nie gesehenen Söhnen. Ist so eine Dopplung Zufall?

Nein: Hier in den USA ist das Ende der Familie ein großes, aktuelles Problem. Nie gab es so viele alleinerziehende Mütter, und gerade in den so genannten Red States wie Arkansas zum Beispiel, wo die Bush-Wähler leben, ist die Scheidungsrate extrem hoch.

"Don't Come Knocking": Das Leben ist eine Baustelle

"Bitte nicht stören" oder vielleicht zutreffender "Leute, nervt mich nicht!" könnte man den Titel des neuen Films von Wim Wenders übersetzen. Er steht auf einem Pappschild an der Wohnwagentür des abgehalfterten Westernstars Howard Spence (Foto: Sam Shepard mit Jessica Lange). Vordergründig eine Aufforderung an die Crew, mit der er gerade dreht. Doch tatsächlich meint sie das Leben. Sein Leben. Verpasste Chancen. Sein armseliges Dasein zwischen Drogenexzessen, Suff und One-Night-Stands. Eines Tages flüchtet er vom Set, reitet durch Utahs endlose Weiten, um dann bei seiner Mutter unterzuschlüpfen, die er 30 Jahre lang nicht gesehen hat. Als diese ihm von der Existenz seines 20-jährigen Sohnes erzählt und auch noch eine Tochter auftaucht, versucht Howard mehr schlecht als recht die Scherben seiner Vergangenheit zu kitten. Wenders schildert diese Heimatsuche überraschend leichtfüßig, ja sogar humorvoll als melancholisch-romantische, optisch prachtvolle Hommage an den amerikanischen Traum von Freiheit, der längst nicht mehr existiert.

Bei gleichzeitig extrem starker Betonung der Werte und Traditionen.

Alles nur Blabla. Vor 50 Jahren noch existierte die Familie als starke Einheit, die mehrere Generationen zusammenband. Man lebte ganz nahe bei den Großeltern, man wusste, woher man kam, wohin man gehörte. Heute bringt man seine Eltern, wenn sie alt werden, in Seniorenheime, weil sie nutzlos sind. Außerdem ist diese Gesellschaft mobil, man zieht ständig um, die Verbindungen reißen ab. Ich wollte immer, dass meine Kinder in einer großen Familie aufwachsen, deshalb sind wir, als sie noch klein waren, nach Minnesota gezogen, wo ich geboren bin. Wir wollten in der Nähe meiner Mutter sein. Aber nun ist auch der Jüngste fast erwachsen, daher kamen wir zurück nach New York.

Werden Ihnen attraktive Rollen angeboten?

Ich bin 56. Was meinen Sie wohl, was man da spielen soll? Ehefrauen und Mütter. Attraktivität und Sexappeal sind im Filmgeschäft untrennbar mit Jugend verbunden, zumindest was uns Frauen angeht. Wenn alles klappt, drehe ich im nächsten Jahr den Spieß mal um: Ich plane eine Verfilmung von Colettes Roman "Chéri", wo eine alternde Frau mit einem 18-Jährigen glücklich wird.

Haben Sie je daran gedacht, sich liften zu lassen?

Nein. Und ich werde es wohl auch nie tun. Menschen, die sich ihre Falten wegoperieren lassen, sehen nicht jünger aus, sondern seltsam. In meinem Gesicht entdecke ich jetzt immer mehr Ähnlichkeit mit meiner Mutter. Das gefällt mir. Ich möchte nicht eines Tages in den Spiegel gucken und denken: Guten Tag, und wer sind Sie?

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Christine Kruttschnitt

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