Zu Ehren von Uwe Seeler wartete das stets verregnete Hamburg mit dem schönsten Wetter auf. Am 21. Juli war der ehemalige Profi-Fußballer und Hamburger Ehrenbürger im Alter von 85 Jahren verstorben. Das Volksparkstadion öffnete nun seine Tore, um einem ihrer liebsten Torschützen Tribut zu zollen. Selten hat man das Volksparkstadion, das bis zu 57.000 Menschen fassen kann, so leise und andächtig wahrgenommen, wie an diesem Tag im August.
Schon vor dem imposanten Fußballstadion, an dessen Bau Uwe Seeler einst nicht unbeteiligt war, versammelten sich die Fans an seinem Monument. Ein großer Bronze-Fuß des ehemaligen Kickers wurde umringt von Kerzen, Briefen, Blumen und an diesem Mittag auch von Fans. Mit gesenkten Köpfen stehen sie im Kreis und gedenken Uwe Seelers. Das Grölen von HSV-Fans ist einem andächtigen Wispern gewichen, wie zuletzt wohl nach dem Abstieg 2018 in die Zweite Liga. "Uwe war mein Held. Niemand in meiner Familie konnte sich für Fußball begeistern, er war mein Vorbild und ich habe seinen Weg ein Leben lang verfolgt. Ich bin sehr traurig", so Patrick aus Bad Oldesloe über seine Empfindungen an dem Tag der Trauerfeier.
Das Stadion füllt sich leise, im Hintergrund läuft typisch Hamburger Musik von Lolita aus den 80er Jahren. "Da ist meine Heimat, da bin ich Zuhaus" lauten die Zeilen aus dem Song "Wo die Nordseewellen". Und ja, hier war er Zuhause, Uwe Seeler. Nichts auf der Welt konnte ihn weglocken aus seinem Hamburg. Auf dem Stadionrasen prangt ein Abbild seiner in fußballerischer Aktion, darunter steht geschrieben: "Uns Uwe". Ein passender Name: Uwe klingt im Englischen wie You We, also du und wir. Viele Fans tragen Schwarz, die anderen zeigen sich ihm zu Ehren in ihren Fan-Trikots zu seiner Trauerfeier. Unter ihnen befinden sich mehrere Menschen, die den Fußballstar persönlich kannten. Das lässt der ungewöhnlich hohe Altersdurchschnitt der Stadion-Besucher vermuten.
Ein letztes Tschüss für Uns Uwe: Hamburg nimmt Abschied von Uwe Seeler
Uwe Seeler war immer für seine Fans da
So auch Wolfgang von dem Fanclub "HSV Sachse", der uns sogleich seine Geschichte mit Seeler erzählen möchte: "Ich kenne Uwe viele Jahre, habe ihn im Jahr 1980 in Madrid kennengelernt. Wir haben damals beim Europapokal der Landesmeister gegen Notthingham Forest 1:0 in Madrid verloren. Durch Zufall war ich damals in dem selben Hotel wie die Spieler. Nach dem Spiel haben wir abends am Tresen gesessen und ordentlich einen gehoben, Uwe war mit dabei. Er war ganz nahbar und normal, er war immer bei seinen Fans. Zu späterer Stunde hatte ich ordentlich einen sitzen, man muss dazu sagen, ich war erst 19 Jahre alt und hab dann gesagt: 'Uwe, jetzt gehen wir raus und hauen den Engländern eine runter'. Ich war ordentlich aufgebracht, der Alkohol tat natürlich sein Übriges. Doch dann sagte Uwe zu mir: 'Wolfgang, das machst du jetzt nicht. Du bleibst hier schön sitzen und ich geb dir jetzt noch ein Bier aus. Wir trinken noch einen zusammen und dann gehst du auf dein Zimmer. Mehr läuft hier heute Abend nicht'. Was Uwe sagte, tat ich dann auch." Nach einem ordentlichen Kater-Schlaf, weil Uwe tatsächlich dafür gesorgt hatte, dass er ohne weitere Vorkommnisse in seinem Hotelzimmer landete, war Wolfgang durchaus erleichtert. "Am nächsten Tag habe ich mich tausendmal bei Uwe bedankt, ich und meine Freunde sind dann mit den Nottingham-Fans zusammen mit dem Zug nach Paris gefahren und haben sogar gemeinsam gesungen."
In die Runde der Fußball-Fans aus Sachsen gefragt, wie sie Uwe Seeler beschreiben würden, kommen die schönsten Worte zutage, die man sich als Mensch wohl wünschen kann: "Vernünftig, bodenständig, volksnah, freundlich, ein lieber Mensch, ein Urgestein, ein Mensch, der fehlen wird."
Promis gedenken des verstorbenen Uwe Seelers
Langsam nehmen die Menschenmengen Platz. Die Monitore, die eigentlich als Anzeige der Spielstände fungieren, zeigen Bilder aus Uwe Seelers Leben. Dieses Mal im HSV-Stadion ein Endergebnis einer Partie, die sich sehen lassen kann. Wer kann von sich behaupten, dass die Leute sich im Stadion von einem verabschieden. Doch dieses große und ein Leben lang anhaltende Interesse an dem Hamburger Ehrenbürger ist seinem Charakter geschuldet und seiner Nahbarkeit, die er auch immer den Fans gegenüber behielt. Und das, obwohl er auch hochkarätige Politiker, Sportler und Promis zu seinen Freunden zählen konnten. Im Stadion nahmen am Mittwochmittag selbst Bundeskanzler Olaf Scholz, Peter Tschentscher, Philipp Lahm, Otto Waalkes, Oliver Kahn, der gesamte HSV-Kader, Oliver Bierhoff, Hansi Flick, Dagmar Berghoff und viele weitere Prominente Abschied.
Mit bewegenden Reden des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher, des DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf, des HSV-Vorstandmitglieds Jonas Boldt sowie seinem langjährigen Freund Olli Dittrich gedachten alle gemeinsam eines Fußball-Urgesteins. Zwischendurch gab es liebevoll ausgewählte Musik und ab und zu ein paar Zwischenrufen "Uwe!".
Schöne Details eines Lebens kommen dabei zutage. Boldt erzählt, dass Uwe nur zwei große Fehler in seinem Leben gemacht habe, er habe zweimal nicht auf seine Frau gehört. Das Stadion lacht und die Kamera fängt die trauernde Witwe ein. Und auch wunderschöne Sätze an Uwe Seeler gerichtet: "Man sagt, Kultur ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat. Wenn uns nur eine Sache in Erinnerung bleibt vom HSV, dann bist das du."
Und auch Olli Dittrich erzählt eine Geschichte aus seiner Jugend. Beim Kicken war er immer "Uwe Seeler", als sie sich Namen gaben auf dem Platz. "Uwe, du hältst die Hand von oben runter, über das Stadion, über die tollen Fans, aber auch über deine Freunde und Familie", so der Schauspieler und richtet seinen Blick gen Himmel. Aus den Reihen der Fans ertönt über das ganze Stadion ein letztes Mal im Sprechgesang: "Uwe Seeler, Uwe Seeler, Uwe Seeler, du bist der beste Mann". Dann setzt sich der Pianist Joja Wendt ans Klavier und spielt den passendsten Hamburger Song, den man hätte wählen können:
"In Hamburg sagt man Tschüss"