Signor Benetton, gehen Sie manchmal bei Burger King essen?
Früher gelegentlich, bis mich Kalorienmengen zu interessieren begannen. Warum fragen Sie?
Weil fast jeder Euro, der in Italien für Fast Food ausgegeben wird, in den Taschen der Benettons zu landen scheint.
Sie übertreiben. Mit den knusprigen Brathähnchen von Kentucky Fried Chicken haben wir rein gar nichts zu tun.
Ihre Familien-Holding hat sich ein gewaltiges Portfolio zusammengestrickt: Außer Mode betreiben Sie Restaurantketten und Mautsysteme von Autobahnen, sind an Burger King, Pizza Hut und Starbucks beteiligt, und Schafe züchten Sie auch noch.
Und das ist gut so und logisch. Wir haben unsere Investitionen stets professionell gehandhabt - und auch nie den Fehler gemacht, jemanden aus unserer Familie außerhalb des Modekonzerns einzusetzen.
Vor drei Jahren haben Sie sich offiziell ins Privatleben zurückgezogen. Warum sitzen Sie noch immer an Ihrem Chef-Schreibtisch?
Meine Familie hält mich hier als Geisel fest. Ich soll bei Bedarf ins Steuerrad greifen, wenn das Familienunternehmen bei der Fahrt zu neuen Ufern in turbulente Wasser gerät.
Nach 40 Jahren im Geschäft: Hat die Mode für Sie an Faszination verloren?
Definitiv ja. Die Schulen, das Arbeitsleben, die ganze Industrie ist sehr professionell und ernst geworden. Bei uns sind damals 15 Jahre vergangen, bis die ersten Mitbewerber auftauchten. Wer heute etwas Neues macht, hat zwei Wochen später die Konkurrenz im Nacken sitzen. Wir kamen von der Straße, wir hatten keine Modeausbildung gemacht, denn die Label-Mode, wie wir sie heute kennen, gab es noch gar nicht - es gab nur die unglamouröse Textilbranche.
Heute erwirtschaften Sie mit Mode weniger als ein Viertel Ihrer Gesamtumsätze. Haben Sie den Blick aufs Wesentliche verloren?
Nein. Die Dachmarke Benetton ist in den vergangenen Jahren nicht gewachsen, weil wir aufgeräumt, umstrukturiert und seit 2000 mehr als eine Milliarde Euro in das Vertriebsnetz gesteckt haben. Wir haben unbefriedigende Erfahrungen mit der Sportswear gemacht und ein paar Marken abgegeben.
Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig - ist es ein Problem, weder Luxusmarke noch Billiganbieter zu sein?
Nein. Benetton muss sich nicht neu positionieren. Werfen Sie mal einen Blick auf den Markt der Luxusmode. Der besteht zu größten Teilen aus dem Verkauf von Accessoires, nicht von Kleidung. Mode hat eine kurze Laufzeit, und wer nicht gerade ein rauschendes Fest feiert, gibt doch nicht 1000 Euro für ein Designer-Abendkleid aus.
Eben. Lieber geht er zu Hennes & Mauritz.
Wenn Benetton sich in Richtung Massenmarkt bewegte, würde zwangsläufig unsere sehr hohe Qualität leiden. Die wollen wir aber behalten. Sie ist unsere Stärke.
Wohin wird sich Benetton entwickeln?
Beim Wachstum setzen wir auf die neuen Märkte in Indien und Asien. In Indien verdoppeln wir zum Beispiel alle zwei bis drei Jahre die Umsätze. Auf strategischer Ebene werden wir uns um den Ausbau der Accessoires kümmern. Wir glauben auch daran, dass wir die Umsätze mithilfe der Männermode erhöhen können. Männer verbringen zwar nicht viel Zeit mit dem Kauf von Mode, aber irgendetwas muss sich da doch machen lassen.
Vielleicht sollten Sie wieder mehr in die Werbung investieren? Ihre aktuellen Kampagnen sind nicht annähernd so spektakulär wie jene, die sie früher mit dem Starfotografen Oliviero Toscani ausgeheckt haben.
Unsere Werbeausgaben liegen seit jeher bei etwa vier Prozent. Das war nie viel. Mit Werbekampagnen ist es wie mit einer Droge: Man gewöhnt sich an sie, und wenn man plötzlich ohne sie auskommen muss, bricht man zusammen.
Die Benettons haben nie den winzigsten Familienskandal produziert. Auch von Unstimmigkeiten über die Ausrichtung des Imperiums hört man nicht. Sind Sie eine harmonische Sippe - oder bloß verschwiegen?
Skandale? Wir hatten immer wichtigere Dinge zu erledigen. Und Richtungskämpfe mussten wir nicht ausfechten, weil wir sehr gut aufgestellt sind: Mein Bruder Carlo als Industrieminister und Gilberto als Finanzminister, meine Schwester hat das Stil-Ministerium geführt und ich das Außenministerium.
Ihre Familie besitzt ein Privatvermögen von acht Milliarden Euro. Wofür gibt Luciano Benetton sein Geld aus?
Das Einzige, was ich mir gelegentlich mal gestatte, sind Reisen.
Glauben Sie an eine bessere Welt? - Das haben Sie jedenfalls 1992 in einem Interview mal so gesagt.
Habe ich das gesagt? Bei all dem, was auf der Welt schiefläuft? Allein wenn man bedenkt, dass jeden Tag Kinder geboren werden, um Hungers zu sterben. Nein, je mehr Jahre vergehen, desto weniger Illusionen mache ich mir. Ich habe auch ein paar Dinge getan, von denen ich glaubte, sie würden die Welt verbessern - aber kleine Tropfen auf den heißen Stein verändern die Welt nicht.
Jetzt mal ehrlich: Wie lange wollen Sie noch arbeiten?
Ich verstehe jemanden wie den 72-jährigen Giorgio Armani, der seiner Arbeit einfach nicht überdrüssig wird. Das ist bei den meisten Leuten so, die viel Glück hatten und früh ihren Weg fanden. Wer einmal auf einen solchen Zug aufspringen durfte, der will so schnell nicht wieder abspringen. Ich danke dem Schicksal immer wieder: Grazie!