Berlin vertraulich! Labskaus-Politik

  • von Hans Peter Schütz
Guido Westerwelle gibt der "Bravo" ein Interview, Karl-Theodor zu Guttenberg liefert eine Quizfrage für ein Radio-Gewinnspiel und Peter Ramsauer rettet alte Verkehrsschilder. Gibt es nichts Wichtigeres zu tun?

Es sind seltsame Parallelwelten: Während in Afghanistan deutsche Soldaten sterben, sind die zuständigen Amtsträger auch in Sachen Popkultur unterwegs. Guido Westerwelle gab der "Bravo" ein Interview (Schlagzeile: "Unser Außenminister steht total auf Johnny Depp!"). Der Inhalt ist, natürlich, eher belanglos: Westerwelle erzählt, er habe für Abba geschwärmt, "Bravo"-Poster im Keller gehabt, und sei nicht von "Dr. Sommer" aufgeklärt worden, sondern von seinen Klassenkameraden auf der Realschule. Weniger belanglos ist das Gerücht, das naserümpfende Liberale sofort nach Publikation des Interviews in die Welt setzten: Westerwelle sei, weil er an diesem Nachmittag mit der "Bravo" gesprochen habe, nicht bei der viel wichtigeren Präsentation der FDP-Steuerreform in Berlin dabei gewesen. Stimmt das? FDP-Sprecher Wulf Oehme dementierte umgehend. Westerwelle sei wegen "außenministerlicher Pflichten" verhindert gewesen, sagte er zu stern.de. Welche diese waren, wollte Oehme nicht verraten.

Neben Westerwelle hatte auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einen skurrilen Auftritt. Seit Ostern lief eine Quizfrage, die zu Guttenberg auf Band gesprochen hatte, im 50.000-Euro-Gewinnspiel des niedersächsischen Radiosenders FFN. Sie lautete: "Der Oberfranke fragt sich, ob man in Niedersachsen eigentlich auch von […] träumen kann." Die Hörer mussten das Wort erraten, die Lösung lautete "Labskaus" - was ein wüster Haufen Nahrungsmittel ist, den man in Hamburg für ein Gericht hält. Eine gewisse Beate aus Hamburg-Harburg räumte das Preisgeld ab. Der Verteidigungsminister hingegen muss sich nun ein paar Fragen gefallen lassen: Was hat er bei einer rein kommerziellen Marketingaktion eines Privatsenders verloren? Wusste er, dass jeder Anrufer 50 Cent für das Telefonat bezahlen muss? Und dass der Sender damit nur Aufmerksamkeit für die nächste Media-Analyse erzielen will? Das Verteidigungsministerium ließ die Nachfrage von stern.de unbeantwortet. Die niedersächsische Landesmedienanstalt war auskunftsfreudiger: Direktor Reinhold Albert bestätigte, dass gegen FFN ein Verfahren läuft, um zu überprüfen, ob diese Art von Glücksspiel zulässig ist. Übrigens: Nach Angaben des Senders hatten auch schon Christian Wulff, CDU, und Philipp Rösler, FDP, Quizfragen auf Band gesprochen.

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Was ist Altbundespräsident Richard von Weizsäcker seiner Partei noch wert? Ganze zehn Zeilen lang war die Pressemitteilung, die CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu seinem 90. Geburtstag verschickt hat. Und drin stand so gut wie nichts. Die CDU habe ihm "viel zu verdanken". Etwa das CDU-Grundsatzprogramm von 1978. Und dass er in der Evangelischen Kirche die CDU gut vertreten habe. Kein Wörtchen etwa zur historischen Rede vom 8. Mai 1985, in der er die Kapitulation am 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung" vom Nazi-Regime würdigte, was ihm einige in der CDU bis heute nicht verziehen haben. Kein Satz zur Tatsache, dass dieser Präsident ja auch einmal Regierender Bürgermeister für die CDU in Berlin war. Zum 80. von Helmut Kohl gab es endlose Hymnen der CDU. Für Heiner Geißler richte sie zum 80. einen Glückwunschabend in der CDU-Zentrale mit hunderten Gästen aus.

Auf Nachfrage von stern.de ließ die CDU wissen, im Mai sei ja ein Abendessen mit Angela Merkel "im kleinen Kreis" geplant. Schöner Gesprächsstoff dabei wäre: Dass Kohl auch einmal versucht hat, von Weizsäcker aus der CDU zu werfen. 1997 ließ er über den CDU-Sprecher erklären, "dieser Herr" gehöre "nicht mehr zu uns". Man habe ihn aus der Mitgliederliste gestrichen, weil er seit langem keine Beiträge mehr bezahlt habe. Übereifrige Kohl-Fans wie der heutige Saar-Ministerpräsident Peter Müller sekundierten damals genüsslich: "Wer nicht zahlt, wird gestrichen." Die Bundesbürger waren entsetzt über den kleinlichen Rachakt Kohls, der nach peinlichem Hin und Her lediglich daran scheiterte, dass die CDU ihn vor dem Ausschlussverfahren nicht satzungsgemäß dreimal gemahnt hatte. Von Weizsäckers "Vergehen": Er hatte während seiner Amtszeit, in der er sich amtsgerecht als Bundespräsident aller Deutschen empfand, seine CDU-Mitgliedschaft ruhen lassen.

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Wie immer einmal die politische Gesamtbilanz von Peter Ramsauer, CSU, ausfallen wird, einen historischen Verdienst hat der Verkehrsminister sich bereits erworben: Er hat der Republik das Verkehrswarnschild "Achtung Kinder!" gerettet. Darauf führt die größere Schwester, klar erkenntlich am dicken Zopf, den kleineren Bruder zum Spielplatz. Modernistische Designer hatten für die geplante Schilderaustauschaktion auf der Neuversion des Schildes den Zopf abgeschnitten. Dass die - viele sinnlose Millionen teure - Umtauschaktion jetzt wieder gestoppt worden ist, freute den Minister, ein überaus gut aussehender Politiker und bekannter Verehrer des weiblichen Geschlechts, bei diesem Schild ganz besonders. "Auf der alten Version trägt das Mädel doch einen hübschen Zopf. Als ästhetisch veranlagter Mensch mag ich keine geschlechtsneutralen Figuren." Wozu man wissen muss: Die Familie Ramsauer ist sehr weiblich, sie hat vier Töchter.