Im letzten Jahr sorgte Michelle Obama während ihrer Buch-Tour für Aufsehen, als sie in einem Jeans-Anzug auftrat. Es war eine Maßanfertigung von Ganni. Wie war das, als die ehemalige US-First Lady anrief und einen Anzug bestellt?
Ditte Reffstrup: Sie rief natürlich nicht persönlich an, sondern ihre Stylistin Meredith Koop. Beide arbeiten seit vielen Jahren zusammen. Sie meldete sich bei uns und gab den Anzug aus festem Denim für die ehemalige US-First Lady in Auftrag. Tatsächlich ist Michelle Obama sehr groß und hat lange Beine. Wir fertigten deshalb einen Anzug nach ihren Maßen an.
Wussten Sie, dass Sie Michelle Obama ihn tragen würde?
Ditte Reffstrup: Nein, aber wir haben es gehofft. Umso größer die Überraschung, als sie ihn bei einem Auftritt in Washington Mitte November trug. Wir waren unglaublich stolz! Ein solcher Auftritt ist für uns nicht alltäglich.
Wie war die Resonanz?
Ditte Reffstrup: Die Nachfrage war enorm, innerhalb der ersten Wochen war der Anzug ausverkauft. Wir ließen ihn dreimal nachproduzieren. Michelle Obamas Auftritt entpuppte sich als großer Erfolg, sowohl für den Abverkauf als auch für die Medienpräsenz.
Michelle Obama ist nicht die Einzige, die Ganni trägt. Sie sind mit Ihrer Mode weltweit erfolgreich. Was macht sie besonders?
Ditte Reffstrup: Wir folgen keinen Megatrends, sondern entwerfen Mode, die wir auch selbst tragen wollen. Ich glaube, das ist das Geheimnis unseres Erfolgs. In unserem Studio arbeiten Frauen mit unterschiedlichen Körperformen. Ob groß, klein, schmal oder kurvig – jede soll sich in unserer Mode wohl fühlen. Sie schließt niemanden aus. Zudem achten wir auf nachhaltige Mode und faire Preise. Ganni ist eine demokratische Marke. Das kommt gut an.
Ihre Mode ist nicht günstig, aber erschwinglich. Trotzdem hängt sie in Läden oft zwischen Marken wie Bottega Veneta oder Celine. Wie gelang Ihnen der Sprung in die Luxusliga?
Nicolaj Reffstrup: Wir wollten von Anfang an eine internationale Marke sein und uns nicht auf dem Erfolg in Skandinavien ausruhen. Auch wenn wir kein Luxuslabel sind, verhalten wir uns oft so. Zweimal im Jahr zeigen wir eine Show, wir schalten große Kampagnen, arbeiten mit Influencern zusammen. So wurde einst der Online-Riese Mytheresa.com auf uns aufmerksam, später auch Händler aus der ganzen Welt.
Vor einigen Jahren gab es einen Blazer von Ganni, der "The Merkel" hieß. Es gab ihn in vielen Farben. Eine Anspielung auf die bunten Blazer von Angela Merkel?
Ditte Reffstrup: Oh, das muss lange her sein, wahrscheinlich 2016. Damals trugen unsere Kollektionsteile noch Namen. Ich erinnere mich nicht bewusst daran, dass wir diesen Blazer nach Angela Merkel benannt haben. Aber damals hatten wir sehr viel Spaß, unseren Teilen besondere Namen zu geben. Manche entstanden auch mal mitten in der Nacht.
Bleiben wir bei den Deutschen. Sie gelten nicht unbedingt als stilsicher – und vor allem nicht als modemutig. Wie gelingt es Ihnen dennoch, deutsche Frauen von knallbunter Mode zu überzeugen?
Ditte Reffstrup: Ich glaube, Sie sind ein bisschen zu streng mit Ihren Landsfrauen. Ganni gibt es seit vielen Jahren in Deutschland, unsere Mode ist humorvoll, macht gute Laune und gibt den Trägerinnen ein gutes Gefühl. Ein Konzept, das auch deutschen Frauen gefällt. Hat man sie von einem Produkt oder einer Marke überzeugt, bleiben sie loyale Kundinnen.
Abgesehen von den bunten Farben gibt es ein Muster, das sich wie ein roter Faden durch Ihre Kollektionen zieht: Leo. Warum sind Frauen jeglichen Alters verrückt danach?
Ditte Reffstrup: Es mag ungewöhnlich klingen, aber für mich ist Leo wie ein Nicht-Muster. Ich sehe es nicht, es ist für mich wie Schwarz.
Wie meinen Sie das?
Ditte Reffstrup: Wahrscheinlich habe ich früher zu viel "Dallas" und "Denver" geschaut! Ich finde, man kann Leo immer und überall tragen, es passt sich an. Genau wie Schwarz. Nur steht es nicht sinnbildlich für Ernsthaftigkeit, sondern für Humor. Natürlich gibt es Frauen, die sich in Leo als scharfes Kätzchen inszenieren. Aber der Fleckendruck kann auch etwas Humorvolles haben. Vor allem, wenn man ihn mit anderen Mustern oder mit derben Stoffen mixt. Der Kontrast sorgt für Spannung und nimmt dem Leo-Druck das Klischeehafte. Das gefällt mir.
"Ganni ist sexy – aber eher aus weiblicher Sicht"
Kommen wir zu einem anderen Trend: Beige. Warum ist ausgerechnet diese Farbe gerade angesagt?
Ditte Reffstrup: Wer hätte gedacht, dass Beige einmal einen Hype erlebt?! Doch die Pandemie und der Krieg in der Ukraine beeinflussen die Mode stark, auch modisch. Auf Instagram inszenieren sich Frauen und junge Mädchen als Vanilla Girls und zeigen sich in neutralen Kleidern. Beige ist wie der Spiegel unserer Zeit: Die einen wollen sich und ihre Kleidung lieber zurücknehmen, andere wollen sich mit Mode und bunten Farben austoben.
Ganni ist laut – aber auch sexy?
Ditte Reffstrup: Früher definierten Männer, was sexy ist. Das ist heute anders. Für mich wirkt eine Frau attraktiv, wenn sie sich in ihrem Körper und mit Mode wohl fühlt. Dafür braucht es keinen superkurzen Rock und keine High Heels. Ganni ist sexy – aber eher aus weiblicher Sicht.
Herr Reffstrup, wie sehen Sie das?
Nicolaj Reffstrup: Ich stimme Ditte zu. Ein vermeintlich sexy aussehender Look kann auch abstoßend statt anziehend wirken. Sexyness definiert sich nicht nach Saumlänge, sondern über das Selbstbewusstsein.
Sie haben gerade einen neuen Laden in Hamburg eröffnet, es ist der zweite hierzulande. Wie wichtig ist der deutsche Markt?
Nicolaj Reffstrup: Wir waren von Anfang an in Deutschland vertreten, es ist ein wichtiger Markt für uns. In Sachen Qualität und Nachhaltigkeit unterscheiden sich Dänen und Deutsche nicht. In beiden Ländern gibt es eine große Nachfrage für bewussten Konsum.
Bereits 2013 stellten Sie einen Manager für Nachhaltigkeitsthemen ein. Wie kam es dazu?
Ditte Reffstrup: Nicolaj war in Sachen Nachhaltigkeit schon immer weit voraus. Als wir 2013 einen Manager für Nachhaltigkeit einstellten, war er überzeugt, dass wir viel zu spät dran seien. Er interessierte sich schon damals brennend für die Auswirkungen globaler Erwärmung und das Klima. Heute spricht man darüber wie selbstverständlich beim Abendbrot, aber damals war das Thema Nachhaltigkeit noch sehr abstrakt. Umso kurioser, dass wir heute als Vorreiter gelten.
Jedes Jahr werden Millionen Tonnen neuer Klamotten produziert. Die Textilindustrie gilt als einer der größten Klimasünder. Wieso haben Sie überhaupt ein Modelabel gegründet?
Ditte Reffstrup: Eine berechtigte Frage, die wir uns auch gestellt haben. Unser Ansatz ist dennoch: Wir wollen zeigen, dass man es besser machen kann. Unsere Kleidung ist zertifiziert, wir verwenden recycelbare Materialien, nutzen Stoffreste für Neues, experimentieren mit nachwachsenden Rohstoffen wie Pilzen, haben Miet- und Secondhand-Programme erdacht. Nachhaltige Konzepte gibt es längst zu genüge, man muss aber den Willen aufbringen, sie auch umzusetzen. Es gibt keine Entschuldigung mehr dafür, Nachhaltigkeit zu ignorieren.
Dennoch gehört die Mehrheit von Ganni der Investmentfirma L. Catterton, die zum Luxuskonzern LVMH gehört und vor allem auf eines setzt: Profit und starkes Wachstum. Wie passt das zum Konzept von Ganni?
Nicolaj Reffstrup: Die Firma L. Catterton gehört zu LVMH, aber es gibt keinen direkten Austausch mit den Marken oder der Familie Arnault, die den Konzern steuert. Wir erleben keinen Druck von L. Catterton und hoffen, dass es auch so bleibt. Wir setzen unser Konzept für verantwortungsvolle Mode unbeirrt fort. Auch wenn die Herstellung eines Kleidungsstücks auf herkömmliche Weise weitaus günstiger wäre, fertigen wir dennoch so nachhaltig wie möglich.
Sie erleben also keinen Erfolgsdruck?
Nicolaj Reffstrup: Den setzen wir uns vor allem selbst. Wir haben vor einigen Jahren unseren Plan mit 44 Zielen offegelegt, der die Bereiche Mensch, Planet, Produkt und Wohlstand umfasst und all unsere Targets zeigt. So wollen wir etwa unsere CO2-Emmission bis 2027 um 50 Prozent reduzieren, in dem wir auf innovative Materialien und erneuerbare Energien setzen. Ebenso versuchen wir, etwa 10 Prozent unseres Umsatzes durch Leih- und Secondhandkonzepte zu erreichen. Nicht alle Ziele werden wir schaffen, aber wir versuchen, so viel wie möglich umzusetzen.
Ist Nachhaltigkeit eine Geldfrage?
Nicolaj Reffstrup: In erster Linie braucht man das richtige Mindset. Vor allem, wenn man es richtig anpacken will. Aber Pionierarbeit gelingt selten ohne Investment. Ich glaube, dass 95 Prozent aller Marken gerne nachhaltiger produzieren würden, aber ihnen die Mittel dafür fehlen.
Was treibt Sie an, nicht aufzugeben?
Ditte Reffstrup: Wenn ich heute zurückblicke, bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben. Mein Team treibt mich an, weiterzumachen, ebenso meine Kinder.
Welchen Einfluss haben sie auf Ihre Arbeit?
Ditte Reffstrup: Unsere Kinder sind sehr engagiert, wir sprechen zuhause oft über nachhaltige Themen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern wir versuchen ihnen Dinge beizubringen, wie etwa, dass es Erdbeeren nun mal nicht während des dänischen Winters gibt. Dass wir in diesem Punkt etwas engagierter sind als andere Eltern bemerkten wir, als unsere Tochter neulich ein Referat in der Schule halten musste.
"Ich gehe schon seit sechs oder sieben Jahren nicht mehr einkaufen"
Was passierte?
Ditte Reffstrup: Statt wie der Großteil der Klasse über das Haustier zu berichten, sprach sie über die Folgen der globalen Erderwärmung. Das hat uns als Eltern erschrocken – aber auch stolz gemacht!
Sie haben drei Kinder. Was sagen Sie denen, wenn sie wie viele Teenager einfach mal shoppen gehen wollen?
Nicolaj Reffstrup: Das machen sie, allerdings kaufen sie Secondhandmode.
Wie ist das bei Ihnen?
Nicolaj Reffstrup: Ich gehe schon seit sechs oder sieben Jahren nicht mehr einkaufen.
Ditte Reffstrup: Bei mir ist es ähnlich. Entweder ich trage Secondhand oder Ganni. Ich bin meine beste Kundin – aber auch kritischste.