Im Juni 2018 verteilte der Axel-Springer-Verlag ohne große Ankündigung mal wieder eine Gratis-"Bild" in ganz Deutschland. 40 Millionen Exemplare der Zeitung landeten ungefragt in den Briefkästen – und wenn man bedenkt, welchen Shitstorm eine Band wie U2 über sich ergehen lassen musste, als sie ihr Album "Songs of Innocence" einer halben Milliarde iTunes-Nutzern schenkte, mutete es schon seltsam an, warum sich kaum jemand aufregte, dass ihm so eine Zeitung aufgezwungen wurde.
Aber darüber wollen wir uns heute lieber nicht mehr wundern. Worauf wir eigentlich hinauswollen: Inhaltlich arbeitete sich die damalige Umsonst-"Bild"-Zeitung an der "Heimat" ab – unter dem Schlagwort wollte die Redaktion zeigen, was Deutschland ausmacht. Gestern nun nahm sich auch Frank Plasbergs Polit-Talk "Hart aber fair" in der ARD des Themas an und wählte einen, nun ja, interessanten Ansatz: Ob Deutschland eine Heimat "nur für Deutsche oder offen für alle" sei, lautete die zu diskutierende Frage.
"Hart aber fair": Wir finanzieren den Mist mit
Die ärgerliche Formulierung sorgte erwartungsgemäß schon vor der Ausstrahlung am Montagabend für hitzige Diskussionen im Netz, womit Plasberg und seine Redaktion genau das erreichten, was sie wollten: dass sogar "Hart aber fair"-Hasser wie wir einschalteten. So weit, so vorhersehbar – und grundsätzlich sollen sie doch diskutieren, egal, wie dämlich die Frage ist. Vielen von uns fällt es inzwischen ohnehin viel zu schwer, andere Meinungen zuzulassen, und in dieser Hinsicht funktioniert die Show geradezu als Schocktherapie. Wer Spaß daran hat, seinen Montagabend mit Menschen wie Frank Plasberg, Nikolaus Blome oder Hubert Aiwanger zu verbringen, soll dafür auch gerne Gebühren zahlen.
Das Problem ist bloß – und es wird nicht dadurch kleiner, dass es sich so abgedroschen anhört: Wer daran keinen Spaß hat, finanziert den Mist trotzdem mit. Wir haben gar keine andere Wahl, dabei nervt "Hart aber fair" schon seit einigen Jahren und zwar, genau: HART – mit billiger Meinungsmache, mit hetzerischen Sendungstiteln, mit einem Moderator, der immer wieder Öl ins Feuer zu gießen weiß und das als journalistische Qualität missversteht.
17,50 Euro verlangt der öffentlich-rechtliche Rundfunk pro Monat für sein Angebot, und das ist in Ordnung, solange damit Qualität gewährleistet wird – und kein Fernsehen, das Ressentiments auf billigem Boulevard-Niveau schürt. Eine Gratis-"Bild" können wir wenigstens wegwerfen oder verbrennen, aber für "Hart aber fair" werden wir gezwungen zu bezahlen – nur lässt es sich leider mit unserem Weltbild schwer vereinbaren, unser Geld für Hass und Hetze unter dem delikaten Deckmantel des kritischen Journalismus auszugeben. Ursprünglich war diese Show vor langer Zeit angetreten, um offen und kontrovers, realitätsnah und abseits von Ideologien und Parteipolitik zu diskutieren – eben hart, aber fair. Nur zünden Themen wie Heimat und Zuwanderung dieser Tage längst so leicht Flächenbrände, dass Plasbergs Provokationen einfach nur noch ärgerlich anmuten. "Hart aber fair" ist in einer angespannten politischen und gesellschaftlichen Landschaft nicht mehr zeitgemäß und stellt mit Fragen wie jener, ob Deutschland nur Heimat für Deutsche ist – und seien sie auch noch so rhetorisch gemeint –, nicht weniger als ein Armutszeugnis für die ARD dar.
"Hätten Sie sich nicht dieselbe Frage gestellt?"
Wie fremd uns die Geisteshaltung dieser Sendung und dieses Moderators ist, machte Plasberg uns gestern mal wieder besonders deutlich an einem eigentlich lächerlichen Beispiel: Er versuchte das Thema Diskriminierung – was sie ist und was nicht – am Beispiel Dieter Bohlen zu erörtern. Der hatte kürzlich in der RTL-Show "Das Supertalent" eine Fünfjährige bloßgestellt, indem er sie immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt hatte. Zur riesigen Diskussion, die darüber hinterher entstanden war, fiel Plasberg die Frage ein: "Hätte er nicht nachgehakt, hätten Sie sich dann nicht dieselbe Frage gestellt?"
Nein, Herr Plasberg, hätten wir nicht. Solche Fragen stellen wir uns nicht. Solche Fragen stellen sich nur Frank Plasberg und seine Redaktion. Und die Wutbürger, für die sie ihre Sendung offenbar am liebsten machen.
