Verhandlungen statt Waffenlieferungen, so lautete eine der Forderungen auf der von Sahra Wagenknecht initiierten Demo am Wochenende in Berlin, dem "Aufstand für den Frieden". Aber wie sieht das in der Realität aus? Was passiert mit der Ukraine und den Menschen dort in dem Moment, da ein Embargo eintritt? Wie verhandlungsbereit ist Wladimir Putin überhaupt und wie könnte ein Frieden in der Ukraine denn aussehen – soweit die Ausgangssituation der Diskussionsrunde am Vorabend bei Louis Klamroth und "Hart aber fair".
Zu Gast bei "Hart aber Fair":
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
- Sahra Wagenknecht, Die Linke
- Herfried Münkler, Politikwissenschaftler
- Heribert Prantl, Kolumnist und Autor der "Süddeutschen Zeitung"
- Katrin Göring-Eckardt, B’90/Grüne
Die Sendung lief schon eine Weile, da bot der erste Einspieler noch einmal einen Blick aufs vergangene Wochenende, und das aus Sicht von Louis Klamroth. Der hatte sich nach Berlin aufgemacht, um die Nase in den Demo-Wind zu halten. Eisig wurde er empfangen, und das nicht allein aufgrund der Temperaturen. "Lügenpresse", so war es zu hören, man wolle "Putin zum Hitler stilisieren", überhaupt sei es doch strittig, "ob es ein Überfall war", so einige der Stimmen, die dem "Hart aber fair"-Moderator entgegenschlugen, die Demo in Berlin, auch ein Anziehungspunkt für Neonazis, Reichsbürger und Holocaust-Leugner.
Dem Frieden weiter fern
Zurück im Studio nahm Sahra Wagenknecht es einigermaßen schulterzuckend zur Kenntnis, frei nach der alten Devise "Schwund ist überall", gilt doch auch bei Demos: Es sind eben auch ein paar faule Eier darunter, wenn man sie denn überhaupt als solche bezeichnen würde. Man solle sich doch von ein paar AfDlern so eine Demo nicht vergiften lassen.
"Was muss geschehen, damit der Krieg endet?", so hatte im April vergangenen Jahres bereits Klamroth-Vorgänger Plasberg seine Gäste gefragt. Kurz nach dem Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, zudem exakt acht Jahre nach der Ermordung des russischen Regimekritikers Boris Nemzow, ist das die traurige Erkenntnis: Dass man zwar viele Tote, Verletzte, Vergewaltigte, Verkrüppelte, Vertriebene weiter ist, einer Antwort dabei aber nicht unbedingt näher gekommen.
Für Sahra Wagenknecht sei eines der Probleme, dass Selenskyj und Deutschland nicht auf Verhandlungen hinwirken oder wie Heribert Prantl von der Süddeutschen es ausdrückte: Der Frieden sei zwar noch ein ungelegtes Ei, man könne ihm doch aber schon ein Nest bereiten.
Derlei Metaphorik mag mit Blick auf den Kalender noch nachvollziehbar sein, den Realitycheck besteht es, trotz Ostern voraus, wohl weniger. Das machte Politikwissenschaftler Herfried Münkler, pointiert-gelassener Gegenpol in der zum Überhitzen neigenden Runde, dann auch deutlich. Der Westen sei nach dem Budapester Abkommen verpflichtet, die Ukraine mitzuverteidigen, da könne man nicht mal eben drüber weggehen. Der Lerneffekt ansonsten bei "revisionistischen Akteuren" wie etwa Erdogan: Joah, man kann in Europa wieder Krieg führen.
"Bleiben Sie mit uns"
Was Strack-Zimmermann, angesichts der zahllosen Vergewaltigungen in der Ukraine insbesondere auch von Alice Schwarzers Engagement für einen Waffenlieferungsstopp entsetzt, und Göring-Eckardt in wiederholten Resumées versuchten, klarzumachen – die alternativlose Situation an den diversen Fronten – machte der gerade aus Bachmut zurückgekehrte und zugeschaltete Oberstleutnant Sergij Osatschuk deutlich: Putin wolle "alles auslöschen und zerstören", die Ukraine kämpft ihren Kampf gegen ihn und für ein freies Leben in Würde. Sein Dank geht auch an die deutsche Führung, die nach dem Auftakt mit den 5000 Helmen doch noch dazu übergegangen sei, Handfesteres zu liefern. Sein Appell: "Bleiben Sie mit uns".

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Erschütternd auch der kurze Einspieler, in dem vergewaltigte Frauen von ihren fürchterlichen Erlebnissen berichteten. Wagenknechts Kommentar dazu, das ist natürlich schauerlich, aber eben nun mal "Teil des Krieges", das sei immer so und überhaupt: "Kriegsverbrechen werden von beiden Seiten begangen". Klamroths klare Antwort auf diese Relativierung, dass es eben keine Belege ukrainische Vergewaltigungen gäbe.
Was die Verhandlungen, die wiederholt geforderten, selten konkretisierten angeht, griff Herfried Münkler dann noch einmal tief in die Historienkiste, es war nicht eben Hoffnung machendes, was er da hervorzog. Am Ende 30-jährigen Krieg etwa sei vier Jahre (!) verhandelt worden und das, während der Krieg weiterging. Die Frage des Friedens, so entfuhr es Münkler ganz kurz jenseits der Contenance, also dort, wo Strack-Zimmermann Alice Weidel als Wagenknechts "Kollegin in blond" titulierte, sei nun mal "komplexer als mit dem Füßchen auftreten".