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Russische Invasion China will der Ukraine Frieden bringen – doch im Westen ist man skeptisch

Chinas Top-Diplomat Wang Yi
Chinas Top-Diplomat Wang Yi kündigte eine Friedensinitiative für die Ukraine auf der Münchner Sicherheitskonferenz an
© Johannes Simon / Getty Images
China will am Jahrestag von Russlands Einmarsch in die Ukraine eine Friedensinitiative vorlegen. Die Ukraine und ihre Verbündeten sind noch skeptisch. Experten zweifeln am großen Wurf.

Es dürfte wahrscheinlich die größte Nachricht dieser 59. Münchner Sicherheitskonferenz sein: Zum ersten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine will China eine Friedensinitiative vorstellen. Dies kündigte der oberste chinesische Außenpolitiker Wang Yi am Samstag an.

Wang sagte, Chinas Position lasse sich auf die Unterstützung von Friedensgesprächen herunterbrechen. Peking wolle dabei eine konstruktive Rolle spielen und werde am 24. Februar seine Initiative vorstellen. "Wir werden auf der Seite des Friedens und des Dialoges standfest stehen."

Doch bevor der Pekinger Plan überhaupt vorgestellt ist, stößt er in der Ukraine auf Ablehnung. Auch die westlichen Verbündeten haben Zweifel, dass der Chinas Initiative wirklich Frieden bringen kann.

Kuleba: Territoriale Integrität der Ukraine nicht verhandelbar

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat für sein Land jegliche Gebietsverluste kategorisch ausgeschlossen. Es sei auch im Interesse der Ukraine, dass China eine Rolle bei der Suche nach Frieden spiele, die territoriale Integrität der Ukraine sei aber nicht verhandelbar, sagte Kuleba am Samstag vor Journalisten am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. "Es sind keine Kompromisse möglich, nicht über den geringsten Quadratmeter."

Kuleba sagte zu dem Friedensplan: "Es hat keinen Sinn, sich damit zu beschäftigen, bevor wir ihn gesehen haben." Kuleba betonte, er werde sich noch vor der Abreise von Wang Yi mit ihm in München treffen und über die Details seiner Initiative sprechen. Für sein Land stehe aber fest, dass es keinem Friedensplan "um jeden Preis" zustimmen werde.

Ähnlich äußerte sich auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Sie lobte zwar die chinesische Friedensinitiative, schloss gleichzeitig aber jegliche Gebietsabtretungen an Russland aus.

Baerbock: "Jede Chance" auf Frieden muss genutzt werden

Ein gerechter Frieden setze voraus, "dass derjenige, der die territoriale Integrität verletzt hat, nämlich Russland, seine Truppen aus dem besetzten Land abzieht", sagte die Grünen-Politikerin am Samstag.

Ohne einen vollständigen Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine gebe es keine Chance auf ein Ende des Krieges, so Baerbock. "Auch wenn es schwerfällt" seien alle Forderungen, den Krieg durch Gebietsabtretungen an Russland zu beenden, nicht akzeptabel. "Das würde bedeuten, dass wir die Menschen zu Russlands Beute machen. Das werden wir nicht tun." Der russische Präsident Wladimir Putin dürfe für seinen Angriffskrieg nicht noch belohnt werden, auch um Nachahmer zu verhindern.

"Der Weltfrieden basiert eben darauf, dass wir alle die territoriale Integrität und Souveränität eines jeden Landes anerkennen." Zugleich sei aber auch klar: Es müsse "jede Chance" auf Frieden genutzt werden.

Russische Invasion: China will der Ukraine Frieden bringen – doch im Westen ist man skeptisch

Nato und USA skeptisch – Friedensplan "vage"

Auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg warnte in München vor einem Sieg Putins. Dies würde auch an andere die Botschaft senden, "dass sie mit Gewalt alles bekommen können".

"China ist nicht in der Lage gewesen, die Invasion zu verurteilen", sagte Stoltenberg laut dem Magazin "Politico" vor Journalisten. Pekings Friedensplan, fügte er hinzu, "ist ziemlich vage". Frieden, betonte der Nato-Chef, sei nur möglich, wenn Russland die Souveränität der Ukraine respektiere.

US-Außenminister Antony Blinken sagte, der Westen würde einer chinesischen Friedensinitiative, die einen sofortigen Waffenstillstand fordere, skeptisch gegenüberstehen. "Wer will nicht, dass die Waffen aufhören zu schießen? Aber wir müssen uns vor den Fallen, die gestellt werden können, in Acht nehmen", zitiert ihn die "Financial Times".

Der russische Präsident Wladimir Putin könnte beschließen, dass es für ihn "am besten ist, einen sofortigen Waffenstillstand auszurufen" und einen "eingefrorenen Konflikt" zu schaffen, so Blinken. "Er wird niemals über das eroberte Gebiet verhandeln und in der Zwischenzeit die Zeit nutzen, um sich auszuruhen, aufzurüsten, neu zu bewaffnen und erneut anzugreifen", warnte Blinken.

Souveränität und territoriale Integrität sind Knackpunkt

Die Souveränität dürfte tatsächlich der große Knackpunkt sein. Russland beansprucht aktuell immer noch große Teile der Ukraine für sich und bezeichnet sie als russisches Staatsgebiet. Wenn sowohl die Ukraine als auch seine Partner ein Abtreten von Gebieten ablehnen, dann dürfte der Plan Pekings zum Scheitern verurteilt sein.

Auch internationale Experten äußerten sich skeptisch zu den Plänen Chinas.

Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat die Erwartungen an einen chinesischen Friedensplan für die Ukraine gedämpft. Im Interview mit den ARD-"Tagesthemen" sagte Ischinger am Samstag, es sei ein durchaus bemerkenswerter Schritt, dass China die Sicherheitskonferenz als Plattform für die Ankündigung eines solchen Plans ausgesucht habe. Dennoch sollten damit nicht allzu große Hoffnungen verknüpft werden.

"Es wäre schon eine große Überraschung, wenn China sich dazu durchringen würde (…) einen kompletten Fahrplan zum Frieden vorzustellen", sagte Ischinger. Sehr realistisch sei dies nach seiner Einschätzung aber "eher nicht".

Experte: China will Westen als Kriegstreiber darstellen

Samuel Ramani, Experte für internationale Beziehungen und Geopolitik an der Universität Oxford, schrieb auf Twitter, dass es bei Chinas Friedensplan weniger um den Frieden in der Ukraine gehe "als um die normative Bindung an die Länder des globalen Südens".  

Die "vage Rhetorik" der Friedensbefürwortung stelle den Westen als Kriegstreiber dar und spreche Russland von der alleinigen Schuld frei, so Ramani.

China weiß, dass es im globalen Süden auf offene Ohren stoßen wird, wenn es zu Dialog und Frieden aufruft. Tatsächlich scheinen chinesische Friedenspläne in Afrika und Südamerika Anklang zu finden.

Der Premierminister von Namibia, Saara Kuugongelwa, sagte nach Angaben der Zeitung "The Guardian": "Wir wollen das Problem lösen, wir wollen nicht den Schuldigen finden. Es nützt nichts, dass Russland Geld für Waffen ausgibt und der Westen die Ukraine finanziert, um Waffen zu kaufen."

Der brasilianische Außenminister Mauro Vieira betonte, dass sein Land die russische Aggression auch vor den Vereinten Nationen verurteilt habe, fügte aber hinzu: "Wir müssen versuchen, eine Lösung zu finden. Wir können uns nicht darauf beschränken, über den Krieg zu sprechen. Ich spreche nicht von sofortigen Verhandlungen – wir müssen Schritt für Schritt vorgehen und vielleicht zunächst ein Umfeld schaffen, das Verhandlungen ermöglicht."

Einige westliche Länder erwägen, auf eine neue Resolution der UN-Generalversammlung zugunsten der Ukraine zu drängen, in der Hoffnung, dass die überwältigende Mehrheit der Ja-Stimmen den Mangel an internationaler Unterstützung für Russland hervorhebt, so der "Guardian" weiter. Im vergangenen Jahr bekundeten 141 Länder ihre Unterstützung für die Ukraine, aber es ist unklar, wie viele Neubekehrte es im globalen Süden gibt.

Ein Grund für die Besorgnis Europas ist, dass Chinas Friedensvorschlag die UN-Bemühungen unterminieren könnte, schreibt "Politico".

Quellen: Nachrichtenagenturen DPA und AFP, "The Guardian", "Financial Times", "Politico"

rw

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