Am 15. Februar 2022 beteuert Wladimir Putin noch, er wolle keinen Krieg. Damals ist Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gast im Kreml, die Staatschefs sitzen sich an einem absurd langen Tisch gegenüber. Zuvor hatte der russische Präsident bereits seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron an die selbe Tafel gebeten und ähnliches verlauten lassen. Keine zwei Wochen später sind die Worte nichts mehr wert: Russische Truppen, die sich zuvor wochenlang an der Grenze zusammengezogen hatten, marschieren in die benachbarte Ukraine ein.
Der Kreml nennt den Angriff "militärische Sonderoperation" und eine Entmilitarisierung und "Entnazifizierung" des Nachbarlandes als Ziele. Die beiden zum Staatsgebiet der Ukraine gehörenden Gebiete Luhansk und Donezk erkennt er als unabhängige Staaten an, schickt auch Soldaten in die Separatistenregionen.
Der Westen sieht einen klaren Völkerrechtsbruch und reagiert mit harschen wirtschaftlichen Sanktionen – die Putin zunächst einmal damit kontert, dass er seine nukleare Abschreckung in Bereitschaft setzt.
Anfangs kommen die Invasoren scheinbar schnell voran und viele Beobachter rechnen damit, dass die militärisch unterlegene Ukraine höchstens ein paar Tage durchhalten wird und die Invasion für Putin ähnlich glatt verläuft wie die Krim-Annexion 2014. Doch diesmal kommt es anders: Die ukrainischen Streitkräfte wehren sich mit aller Kraft und Leidenschaft. Viele Einheiten sind nach Nato-Standards ausgebildet und verfügen dank zunehmender Waffenlieferungen der Nato-Länder über modernes Kriegsgerät. Die Russen kämpfen dagegen mit Versorgungs- und Nachschubproblemen, viele der eingesetzten Waffen und Fahrzeuge sind veraltet. Schnell kommen die ersten Rückschläge.
Gegenoffensive der Ukraine mit Erfolgen
Im April gelingt es der Ukraine, das russische Flaggschiff "Moskwa" im Schwarzen Meer zu versenken, im selben Monat ziehen sich die russischen Truppen aus Kiew und der Nordukraine zurück. Nach dem Abzug sorgt ein entdecktes Massaker an Zivilisten in Butscha bei Kiew Für weltweites Entsetzen.
Fortan konzentriert sich Moskau auf die Eroberung von Gebieten im Osten an seiner Grenze und im Süden, um eine Landverbindung zur Krim zu etablieren. Die Ukraine kann auch dort einige Gebiete zurückerobern. Über den Sommer entwickelt sich im Osten ein Stellungskrieg ohne größere Geländegewinne für eine Seite.
Ende August startet die Ukraine eine größer angelegte Gegenoffensive in den Gebieten bei Charkiw und Cherson und kann massivere Geländegewinne verbuchen. Auch das russische Verteidigungsministerium gesteht Verluste ein. Zur Monatsmitte vermeldet Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass tausende Quadratkilometer an besetztem Gebiet zurückerobert werden konnten. Trotz der Verluste proklamiert Putin Ende September die Annexion großer Teile der Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson in die russische Föderation. Zuvor ließ er Scheinreferenden in den besetzen Gebieten durchführen.
Den Ukrainern gelingt unterdessen auch die Rückeroberung der Stadt Cherson. Damit ist das Gebiet am Nordufer des Flusses Dnipro wieder unter ukrainischer Kontrolle. Die russischen Angreifer gehen nach den Verlusten zunehmend dazu über, Ziele in der gesamten Ukraine mit Raketen und Drohnen anzugreifen. Ins Fadenkreuz rückt vor allem die kritische zivile Infrastruktur, also zum Beispiel Stromkraftwerke. Die Folge sind großflächige Ausfälle im Strom-, Wärme- und Wassernetz in Kiew, Odessa und anderen Regionen.
Im Januar kann Russland erstmals nach Monaten wieder die Eroberung einer ukrainischen Stadt vermelden. Zuvor hatten die Streitkräfte und die Söldnertruppe Wagner die Kleinstadt Soledar eingenommen – und waren, so schien es, uneins darüber, wem dieser psychologisch wichtige Sieg nun gehören soll. Rund um das benachbarte Bachmut entbrennt in der Folge ein Stellungskrieg. Dieser hält monatelang an, ebenso wie der russische Raketenbeschuss in Kiew. Ansonsten verändert die russische Offensive im Winter die Ostfront kaum.
Quellen: Agenturen DPA und AFP, Portal "Länder-Analysen"