Perlen der Kreml-Propaganda Drohnen über Oligarchen-Viertel in Moskau – Putin stottert, sein Chef-Hetzer liest schadenfrohen Russen die Leviten

Kreml-Propaganda: Wladimir Putin reagierte auf die Drohnen-Attacke auf Moskau mit einem stotternden Vortrag.
Pure Kreml-Propaganda: Wladimir Putin reagierte auf die Drohnen-Attacke auf Moskau mit einem stotternden Vortrag.
© Gavriil Grigorov/Kremlin Pool / Imago Images
Die Drohnen-Attacke auf Moskau hat Wladimir Putin und somit auch die Kreml-Propaganda kalt erwischt. Während der Kreml-Herrscher eine stotternde Geschichtsstunde hielt, echauffierte sich sein Chef-Propagandist über schadenfrohe Kommentare. 

Am Dienstagmorgen wurden die Bewohner des noblen Moskauer Vororts Rubljowka von einem ungewöhnlichen Dröhnen geweckt. Direkt über ihre Köpfe und die Dächer ihrer Villen hinweg flogen Drohnen – mit einer Spannweite von bis zu drei Metern. Ungläubig richteten die Milliardäre Russlands ihre Blicke in den Himmel. 

Rubljowka ist der nobelste Fleck des riesigen Reichs Wladimir Putins. Hier leben sie alle: Oligarchen, Funktionäre, Stars. Auch die Familie des Kreml-Chefs hat hier mehrere Anwesen, genauso wie seine engen Freunde Arkadij und Boris Rotenberg, die als seine persönlichen Portemonnaies gelten

Zwischen acht und 32 Drohnen (die Zahlen gehen je nach Quelle weit auseinander) sollen Moskau anvisiert haben, mindestens fünf von ihnen trafen ein Ziel. Mehrere Drohnen schlugen in die obersten Etagen von Hochhäusern ein, eine Drohne sauste in die Gärten der Rubljowka hinunter. Keine der Drohnen hatte Sprengstoff geladen. Die Einschläge verursachten nur Sachschäden. Während die Moskauer mit purem Unglauben auf die Drohnen-Angriffe reagieren, blickt der Rest des Landes mit einer gewissen Schadenfreude auf die Bewohner der russischen Hauptstadt. 

Kreml-Propagandist liest Landsleuten die Leviten 

Diese Schadenfreude bemerkte auch der Chef-Propagandist Wladimir Solowjow. In den Kommentaren zu seiner Show "Solowjow Live" hagelte es ätzende Bemerkungen, was beim liebsten Hetzer Putins eine kleine Kernschmelze verursachte. "Warum schreibt ihr so einen Mist?", wollte er von seinen Zuschauern wissen. "Gefällt es euch etwa, dass der Angriff Moskau gilt? Fangt ihr vielleicht auch noch an, den Nazi-Ukrainern zu applaudieren?", giftete er und wiederholte die allgegenwärtige, frei erfundene Mär der Kreml-Propaganda, Putin kämpfe in der Ukraine gegen Nazis. 

"Warum freut ihr euch so? Ach, Rubljowka! Leben denn auf der Rubljowka keine russischen Menschen? Sind das nicht unsere Landsleute? Ach, Moskau! Leben denn alle Moskauer von Smoothies und Falafeln?", fragte er sein Auditorium in Anspielung auf das Hipster-Leben, für das die Bewohner der russischen Hauptstadt im Rest des Landes verschrien sind. 

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"Was denkt ihr, wer ihr seid?! Oder sind wir kein geeintes Land, kein geeintes Volk mehr?", dröhnte Solowjow. "Vergreift euch nicht im Ton! Kommt mal zu euch! Sonst arbeitet ihr mehr im Interesse ukrainischer Geheimdienstler als im Interesse der Heimat", warnte er die schadenfrohen Kommentatoren, den Vorwurf des Verrats immer in greifbarer Nähe. 

"Ihr seid keine Stars geworden! Also schiebt euch eure Egos in den Arsch!", warf er seinen Zuschauern entgegen. 

Die Schadenfreude in den Kommentaren nahm Solowjow offenbar persönlich. Schließlich zählt er sich selbst zu den Reichen und Schönen Russlands – und wohnt gern unter ihnen. 

Die Arroganz der Moskauer 

Dabei ist der Spott in Richtung der Rubljowka-Bewohner und der Hauptstädter keineswegs überraschend. Das Verhältnis zu den eigenen Eliten ist in der russischen Bevölkerung von Misstrauen, Missgunst, ja gar Abscheu geprägt. Die Rubljowka-Millionäre machen ihrerseits kein Geheimnis aus ihrer Verachtung der einfachen Bevölkerung gegenüber. Hohe Zäune schirmen ihre Villen vor dem "Abschaum" oder "Habenichtsen", wie sie die eigenen Landsleute nennen, ab.

Auch die Moskauer haben die unschöne Eigenart, auf die Bewohner des restlichen Landes hinabzublicken. In Russland gibt es zwei Welten: Moskau und alles andere. Selbst der Bewohner einer verschimmelten Ein-Zimmer-Wohnung am äußersten Rand der Metropole fühlt sich seinen Landsleuten, die nicht das Glück hatten, in Moskau geboren worden zu sein, überlegen. Angesichts dieses Verhältnisses hält sich nun das Mitleid gegenüber den Hauptstädten in Grenzen – geschweige denn gegenüber den Millionären der Rubljowka.

Was macht Wladimir Putin? 

Für den Kreml aber sind die Drohnen-Angriffe höchst gefährlich. Denn um keinen Preis will Putin die Moskauer gegen sich aufgebracht sehen. Aus diesem Grund wurde in der Hauptstadt so gut wie niemand in die Armee zwangseingezogen, als die Mobilisierung im Land verkündet wurde. Wer Moskau kontrolliert, kontrolliert Russland. 

Was machte Putin aber, während in ganz Moskau die Trümmer von Drohnen eingesammelt wurden? Er traf sich mit ein paar Unternehmern und schnupperte an ein paar Leckereien, die ihm vorgeführt wurden. In diesem Rahmen ließ sich der Kreml-Chef zu ein paar Worten zu den Drohnen-Attacken herab. 

Wladimir Putin verkostet Leckereien, kurz nachdem in Moskau Drohnen niedergingen 
Wladimir Putin verkostet Leckereien, kurz nachdem in Moskau Drohnen niedergingen 
© Vladimir Astapkovich/POOL/TASS PUBLICATION / Imago Images

"Können Sie einschätzen, was passiert ist und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit so etwas nicht noch einmal passiert, und wie wir darauf reagieren sollen", lautete die bestellte Frage an Putin. Statt Antworten zu liefern, setzte Putin zu einem Vortrag seiner Pseudo-Geschichte an. 

"Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es unvermeidlich, dass es zu einer Art Konkurrenz zwischen Russland und der Ukraine kommen würde", holte Putin weit aus. Mehrere Minuten stotterte er herum, erzählte etwas von einem "Anti-Russland" in der Ukraine, klagte darüber, dass er betrogen worden sei. (Den vollen Auftritt können Sie hier auf der Website des Kremls sehen.)  

Die Drohen-Angriffe wären ein Racheakt seitens Kiews und würden dem Ziel dienen, "Russland einzuschüchtern", erklärte Putin schließlich, um danach wieder über die russische Luftbasis in Syrien zu reden. 

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Nach dem Schwenk gelang es dem Kreml-Chef aber, zu dem Thema der Frage zurückzukehren. "Sie wollen uns zu spiegelgleichen Taten provozieren", erklärte er zu Boden blickend – ganz so, als ob in der Ukraine noch nie jemand eine russische Drohne zu Gesicht bekommen hätte. 

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